Nicht nur Steuerfallen im Auslandsrecht Welchen Gestaltungsspielraum EU-Erbrechtsverordnung & Co. bieten

Seite 2 / 2

Ungewollte Überraschungen

Wendet man den Blick nun von der steuerlichen auf die zivilrechtliche Seite, so rückt mit Inkrafttreten der europäischen Erbrechtsverordnung Mitte vergangenen Jahres ebenfalls der Wohnsitz eines Erblassers in den Fokus. Regelte sich vor der innereuropäischen Angleichung die Anwendung einer Erbrechtsordnung noch maßgeblich nach der Staatsbürgerschaft des Verstorbenen, so ist nun dessen letzter Wohnsitz entscheidend.

Ein gravierender Unterschied, der sich zum Beispiel dann auswirkt, wenn ein deutscher Staatsbürger seinen Lebensabend in seinem Zweitwohnsitz an der Côte d‘Azur verbringt. Aufgrund des damit begründeten gewöhnlichen Aufenthalts in Frankreich findet im Erbfall grundsätzlich französisches Erbrecht Anwendung, was sich zum Beispiel bei der Anerkennung gemeinschaftlicher Testamente, der Kompetenzen eines eingesetzten Testamentsvollstreckers und vor allem auch im Hinblick auf Pflichtteilsansprüche von Nachkommen auswirkt, was der folgende Fall verdeutlicht.

Konkurrierendes Erbrecht

Praxisbeispiel: Das deutsche Ehepaar M und F plant seinen Lebensabend im Haus des M an der Côte d‘Azur zu verbringen. Vor ihrem Umzug übertragen sie ihr früheres deutsches Familienwohnheim auf ihren Sohn, der ihnen dies allerdings wenig dankt und das Haus augenblicklich veräußert und den Erlös verschleudert.

Als M einige Jahre später erkrankt, setzt er seine Frau F zu seiner Alleinerbin ein, ohne hierfür explizit deutsches Recht zu wählen. M stirbt wenig später in dem Bewusstsein F durch das Haus an der Côte d‘Azur gut versorgt zu wissen. Pflichtteilsansprüche des gemeinsamen Sohnes sah er nicht mehr gegeben, da dieser im Rahmen der Schenkung des Hauses in Deutschland auf jegliche Pflichtteilsansprüche verzichtet hatte.

Der Sohn des Ehepaares würde aufgrund seines Pflichtteilsverzichts in Deutschland keinen Pflichtteilsanspruch mehr gelten machen können und folglich leer ausgehen. Das Ehepaar hatte jedoch übersehen, dass mit der Verlagerung seines gewöhnlichen Aufenthalts nach Frankreich inzwischen das dortige Erbrecht Anwendung findet.

Geht man davon aus, dass das durch M errichtete Testament auch nach französischem Erbrecht wirksam ist, verhindert dies trotz dessen nicht den Zugriff des Sohnes auf den Nachlass. Der in Deutschland ausgesprochene Pflichtteilsverzicht des Sohnes ist unwirksam, da ein solcher nach französischem Recht unzulässig ist.

Das französische Pflichtteilsrecht ist sehr weitgehend und gewährt Kindern eine unmittelbare Berechtigung am Nachlassvermögen und nicht nur wie in Deutschland einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch gegen den Erben. Der Sohn ist folglich trotz der erhaltenen Vorschenkung und des ausgesprochenen Pflichtteilsverzichts an dem Nachlass von M unmittelbar berechtigt. Er ist Miteigentümer des Hauses in Frankreich geworden und kann somit auch dessen Verkauf betreiben.

Eine wohldurchdachte und in einem deutschen Testament verankerte Nachfolgelösung kann folglich in wesentlichen Punkten durch die Anwendung französischen Erbrechts durchkreuzt werden. Folge hiervon ist allerdings nicht, dass mit Einführung der EU-Erbrechtsverordnung von einem Lebensabend im Ausland grundsätzlich abzuraten ist.

Wichtig ist nur, nicht auf die Anwendung der gesetzliche Erbfolge in Deutschland zu vertrauen, sondern immer ein Testament abzufassen, welches zudem die ausdrückliche Erklärung enthält, dass die Anwendung deutschen Erbrechts gewünscht wird, wenn dem denn so ist.

Gestaltung durch Pflichtteilstourismus

Diese in der EU-Erbrechtsverordnung verankerte Möglichkeit zur Rechtswahl sichert nicht nur ab, sondern bringt auch einige Gestaltungschancen mit sich und sei es, indem die Rechtswahl bewusst nicht ausgeübt wird.

Viele europäische Länder kennen beispielsweise Pflichtteilsrechte nicht oder zumindest nur in geringerem Ausmaß als in Deutschland. Der Wegzug in ein solches Land ohne Ausübung der Wahl deutschen Erbrechts ermöglicht folglich einen wesentlich größeren Einfluss auf die Gestaltung von Pflichtteilsrechten, als dies bislang möglich war.

Fazit

Die zunehmende Internationalisierung auch von Privatvermögen und Familien bringt zusammengefasst erhebliche steuerliche und rechtliche Fragestellungen mit sich, die mit durchaus spürbaren finanziellen Risiken verbunden sein können. Gleichzeitig können bei langfristiger Planung aber auch Gestaltungsspielräume und somit Chancen auf eine noch zielgerechtere Umsetzung der eigenen Nachfolgelösung genutzt werden.

Gerade die europäische Erbrechtsverordnung und das zur Vereinfachung der Abwicklung von Erbfällen eingeführte europäische Nachlasszeugnis bieten neue Möglichkeiten und Erleichterungen, setzen aber bei internationaler Ausrichtung eines Vermögens oder seiner Träger auch ein gehöriges Maß an bewusster Planung der eigenen Nachfolge voraus, um nicht Opfer dieser Vereinfachungen zu werden.

Nicht nur die Konzeption einer international ausgerichteten Anlagestrategie für das eigene Vermögen ist ambitioniert und bedarf der Unterstützung. Die internationale Ausrichtung des Vermögens und der Eigentümerfamilie muss auch rechtlich und steuerlich abgesichert werden.


Über den Autor:
Dr. Jasper von Hoerner ist Rechtsanwalt und Sozius bei der Wirtschaftskanzlei Peters, Schönberger & Partner. Sein Schwerpunkt liegt vornehmlich in der Beratung von Familienunternehmern und Stiftungen bei der Konzeptionierung von Stiftungslösungen sowie der ganzheitlichen Unternehmens- und Vermögensnachfolgeplanung. Des Weiteren berät er bei Fragestellungen im Erb- und Erbschaftsteuerrecht sowie im Gesellschaftsrecht.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen