Social Media im Finanzvertrieb „Negatives muss man aushalten und managen können“

Michael M. Sennert

Michael M. Sennert

private banking magazin: Warum sind soziale Netzwerke wie Facebook, Xing oder Twitter für Finanzdienstleister so wichtig?

Michael M. Sennert: Soziale Netzwerke sind Dialogplattformen. Menschen unterhalten sich dort über alle Themen des täglichen Lebens, ihre aktuelle Lebenssituation und Bedürfnisse. Das nützt der Finanzdienstleistungsbranche, die nach neuen Wegen sucht, um an Neugeschäft zu gelangen. Die Qualität in der klassischen Leadgenerierung ist nicht selten unterirdisch. Außerdem rückt im modernen Konsumentenverhalten die Marke eines Finanzdienstleisters immer stärker in den Hintergrund und ist nur noch selten ein wirklich relevantes Kaufkriterium – mal abgesehen davon, dass die Häuser in sozialen Netzwerken als Marke und vertrieblich praktisch nicht stattfinden. Auch mit Produkt und Leistung in Form von plakativer Werbung oder klassischer PR lassen sich kaum neue Märkte erschließen.

private banking magazin: Worauf spricht der Kunde dann an?

Sennert: Der potenzielle Kunde will mit seinem aktuellen Thema in seiner individuellen Lebenssituation wahrgenommen werden und unmittelbar die passenden Gesprächspartner finden. Gesprächspartner in sozialen Netzwerken, von welchen er sehr häufig eine brauchbare Antwort erhält. Diese Antworten werden zu Entscheidungsgrundlagen zusammengefasst und führen zu einem Vertragsabschluss – aber daran hat dann keine Gesellschaft aktiv teilgenommen – bis jetzt. Soziale Netzwerke sind ein bisher noch stark vernachlässigter und brandneuer Vertriebskanal – wenn man damit richtig umzugehen weiß. Aber – die Nutzung dieser Dialogkanäle darf nicht allein zur Leadgenerierung verstanden werden – das würde den Tatsachen nicht annähernd gerecht werden.

private banking magazin: Gibt es typische Fehler, die Finanzdienstleister machen?

Sennert: Einen Fehler zu machen bedeutet, dass immerhin schon mal etwas gemacht wurde. Es gibt einige Grundregeln zu beachten und aufgrund des manchmal harten Umgangstons gegenüber Finanzdienstleistern wollen diese lieber gar nicht erst auffindbar sein. Doch auch hier gilt die alte Regel: „Du kannst nicht nicht kommunizieren".

private banking magazin: Das heißt?

Sennert: In 2 Minuten habe ich auf Facebook eine Allianz-Seite eröffnet und kann seitenweise Diskussionen lostreten. Oder besser noch in einem weniger bekannten Blog – völlig unbemerkt und unmoderiert vom betroffenen Unternehmen. Das geht mit jedem Unternehmen. Negatives muss man aushalten und managen können. Es lässt sich nicht selten sogar ins Positive wenden. Löschen negativer Einträge sorgt für noch viel mehr negative Einträge. Und noch etwas gilt – ist man mal drin, muss man es richtig machen.

private banking magazin: Antesten und aussteigen kommt nicht so gut?

Sennert: Genau. Wieder aussteigen, weil zu teuer, zu anstrengend, zu personalintensiv, nicht ertragreich genug und so weiter – führt zu Reputationsschäden. Dann die Bewirtschaftung besser einfach auslagern, denn die Potenziale sind zu groß, um das Feld kampflos dem Mitbewerber zu überlassen. Besetzt ein Anbieter jetzt strategisch schlau die richtigen Themen – kann der Marktvorsprung in diesem Kanal erheblich sein.

private banking magazin: Welche Rolle spielt Ihre Agentur Social Markets hierbei?

Sennert: In der Regel starten wir mit einer Erhebung des Status quo. Wir sammeln Erkenntnisse über die aktuelle Präsenz und das konkrete Potenzial je Unternehmen, je Marke und je Produkt. Nach dem Abgleich mit dem Ziel unseres Auftraggebers, betreuen wir den Kunden nachhaltig beim Aufbau seiner Social-Media-Aktivitäten oder rufen ein zeitlich begrenztes Pilotprojekt ins Leben.

private banking magazin:  Nennen Sie mal ein Beispiel.

Sennert: Für eine Gesetzliche Krankenkasse haben wir im Rahmen der Analyse eine Zielgruppe als besonders attraktiv identifiziert. Für sie haben wir ein eigenes Online-Medium geschaffen, das ganz spezifische Themen für eben diese Zielgruppe abdeckt. Durch die Besetzung dieses Themenkomplexes können wir Benutzer über unzählige Kanäle im Netz entweder dieser Plattform zuführen oder direkt unserem Auftraggeber. Die redaktionellen Inhalte stammen von uns und verbreiten sich viral im Netz. Die Kernbotschaften des Auftraggebers verbreiten sich nachhaltig und langanhaltend im Netz. Der Effekt baut sich stetig auf. Wir identifizieren Dialoge zum Thema und begleiten sie durch gezielte Beiträge. Mit messbaren Ergebnissen. Und damit meine ich nicht die Anzahl von Fans auf Facebook. Überhaupt spielt Facebook eine eher untergeordnete Rolle für den konkreten Vertrieb. Return on Invest lautet das Zauberwort und bedarf einer bereichsübergreifenden Betrachtung und Finanzierung.

Zur Person: Michael M. Sennert gründete Anfang des Jahres die Agentur „social markets AG“. Zuvor war er als selbstständiger Unternehmensberater („Schaltwegverkürzer“) tätig. Von 2008 bis 2011 arbeitete Sennert als Marketing- und Vertriebsvorstand des Schweizer Versicherers CSS.

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