Mögliche Konjunkturdelle...
Was die volkswirtschaftliche Seite des Abgas-Skandals betrifft, so ist hier zunächst vor Übertreibungen zu warnen. Entscheidend wird zunächst einmal sein, ob die Manipulation der Abgastests tatsächlich nur bei Volkswagen stattgefunden hat oder ob es auch noch weitere Anbieter betrifft.
Sollten auch andere Automobilanbieter darin involviert sein, so ist auch davon auszugehen, dass davon dann nicht nur die deutsche Automobilindustrie betroffen sein wird. Es ist in der Branche kein Geheimnis, dass auch Renault, Volvo und Toyota Probleme haben, die entsprechenden Ausstoßgrenzwerte nicht zu überschreiten.
Daher würde dann nicht nur der deutschen Automobilindustrie Ungemach drohen, sondern dies würde eine Vielzahl der weltweiten Automobilproduzenten treffen. Aus diesem Grund könnte dies zu einer Branchenkrise führen.
Allerdings ist auch davon auszugehen, dass dann alle Länder ein Interesse daran haben, dass ihre nationalen Anbieter nicht zu stark sanktioniert werden, was solch eine drohende Krise wieder eher abmildern würde. Entsprechend ist auch die Erwartung, dass die gesamte Automobilindustrie in eine tiefe Krise schlittert, eher mit Vorsicht zu genießen.
...und die Folgen an der Börse
Die Börse hat eine solche Krise in ihren Erwartungen nicht ganz ausgeschlossen. So haben die Börsenkurse aller Automobilunternehmen deutlich nachgegeben. Da die Automobilbranche auch im Dax sehr stark vertreten ist, hat dies auch im Index deutliche Spuren hinterlassen. Aufgrund der im Markt nun bestehenden Unsicherheit muss kurzfristig mit weiter sinkenden Kursen gerechnet werden.
Unterstellt man jedoch, dass es langfristig nicht zu einer globalen Krise der Automobilindustrie kommt, dann können diese Kursverluste auch günstige Einstiegsmöglichkeiten bieten.
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Kursverluste ausgewählter Automobilwerte im Vergleich zum Dax
Ein Engagement in Volkswagenaktien ist in der jetzigen Situation als spekulativ anzusehen. Sollte es sich bei dem Abgasskandal tatsächlich nur um ein Vergehen von Volkswagen handeln, so besteht die Gefahr, dass der Volkswagenkonzern sich erheblichen Milliardenforderungen konfrontiert sieht, die die Ertragskraft des Konzerns schwächen werden.
Inwieweit dies tatsächlich zu einer Existenzbedrohung des Konzerns führt, ist im Moment noch nicht abzusehen. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass Volkswagen mit seiner breit aufgestellten Produktpalette und seinem Innovationspotenzial durchaus einer solchen Krise trotzen kann. Dass die Absätze dauerhaft einbrechen, ist ohnehin nicht zu erwarten.
Aus der Konsumforschung ist bekannt, dass die Konsumenten ein äußerst kurzes Gedächtnis haben. Absatzrückgänge wären allenfalls nur temporär zu erwarten. Möglicherweise sind deutlichere Rückgänge in den USA zu erwarten, die jedoch für Volkswagen, da das Unternehmen auf diesem Markt ohnehin nicht so stark positioniert ist, zu verkraften sind.
Keine Ansteckungsgefahr
Eine Ansteckung des Volkswagenskandals auf die gesamte deutsche Volkswirtschaft ist insgesamt nicht zu erwarten. Dazu ist die makroökonomische Bedeutung des Skandals zu gering.
Auch ein Imageschaden für das Siegel „Made in Germany“ ist nicht zu erwarten, denn schließlich ist der Volkswagenkonzern nicht wegen seiner schlechten Qualität in Verruf geraten, sondern weil das Unternehmen versucht hat, staatliche Regulierungen mit technischen Tricks zu unterlaufen. Man sollte also auch mit solchen Mutmaßungen sehr vorsichtig sein.
Über die Autoren:
Christoph Weber ist geschäftsführender Gesellschafter des Düsseldorfer Multi Family Office W-S-H. Seit kurzem steht er auch dem neugegründeten Verband unabhängiger Family Offices als Vorstandsvorsitzender vor.
Professor André Schmidt hat seit Juli 2008 den Lehrstuhl für Makroökonomie und internationale Wirtschaft an der Universität Witten-Herdecke inne. Einen weiteren Lehrstuhl besetzt Schmidt an der Leibniz Fachhochschule in Hannover. Einer seiner Forschungsschwerpunkte sind Family Offices und Unternehmerfamilien.