Kommentar zum VW-Skandal Aufarbeiten ja, aber bitte ohne Hysterie

André Schmidt (links), Professor der Uni Witten-Herdecke, und Christoph Weber, Geschäftsführer vom Family Office W-S-H

André Schmidt (links), Professor der Uni Witten-Herdecke, und Christoph Weber, Geschäftsführer vom Family Office W-S-H

Seit einer Woche wird die öffentliche Diskussion nur noch von einem Thema beherrscht: der Abgas-Skandal von Volkswagen. Deutschlands Vorzeigekonzern ist in einem der größten Skandale seiner Firmengeschichte verwickelt, die gesamte deutsche Automobilindustrie steht am Pranger, das Qualitätsigel „Made in Germany“ nimmt schweren Schaden und der gesamten deutschen Volkswirtschaft droht eine existenzielle Krise.

Schwarzmaler am Werk

So oder ähnlich lesen sich die meisten Kommentare in der deutschen Presselandschaft. Die Medien haben ein neues Thema entdeckt. Inwieweit diese stellenweise schon fast apokalyptischen Szenarien und Befürchtungen für die deutsche Wirtschaft realistisch sind, ist allerdings mehr als fraglich.

Um es zunächst vorwegzunehmen, ohne jeden Zweifel ist das Verhalten des VW-Konzerns in den USA bezüglich der bewussten Täuschung der Abgaswerte zu verurteilen.

Allerdings scheint es jedoch fraglich, ob in der medialen und auch politischen Diskussion bezüglich der Beurteilung und vor allem Verurteilung des VW-Konzerns nicht auch ein wenig übertrieben wird.

Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass nicht einmal alle Fakten und die genaue Rechtslage beispielsweise in Europa und auf dem deutschen Markt bekannt sind. Darüber hinaus ist auch der genaue Schaden, der in der Realität tatsächlich entstanden ist, noch gar nicht bekannt und dürfte auch schwer zu ermitteln sein.

Blick in den Rückspiegel

Fehlverhalten von Unternehmen – und auch insbesondere von deutschen Unternehmen – hat es auch in der Vergangenheit gegeben. Man erinnere sich nur an den Korruptionsskandal bei Siemens oder auch an das Verhalten der Deutschen Bank.

Gerade die Deutsche Bank war in den vergangenen Jahren weltweit in unzählige Skandale auf den Finanzmärkten verwickelt. Ob bei rechtswidrigen Kartellabsprachen bezüglich des Libor-Zinssatzes, bei der Umsatzsteuerhinterziehung beim Handel mit CO2-Zertifikaten oder bei Manipulationen der Devisenkurse und Rohstoffpreise, überall war die Deutsche Bank aktiv beteiligt, ohne dass jemand ernsthaft behauptet hätte, die deutsche Volkswirtschaft könne dadurch entscheidend in Mitleidenschaft gezogen werden.

Auch in der Automobilindustrie sind Skandale und Pannen durchaus nichts Außergewöhnliches. An dieser Stelle sei nur an die mitunter tödlichen Unfallserien bei Toyota aufgrund defekter Bremsen oder bei General Motors aufgrund defekter Zündschlösser erinnert. All dies gehört unerfreulicher Weise zum Alltag, ohne dass mit konjunkturellen Folgen zu rechnen ist.

Krisengewinnler am Werk

Damit stellt sich die Frage, warum der Fall Volkswagen aktuell ein solches Ausmaß an Brisanz entwickelt. Der Grund dürfte vor allem in der Politisierung dieses Falles liegen. Während bei Unfallserien oder Ähnlichem die Politik weitgehend außen vorbleibt, war im Fall Volkswagen sofort eine starke Politisierung und vor allem auch Ideologisierung zu beobachten, die nun in der öffentlichen und medialen Diskussion eine entsprechende Verstärkung findet.

Im Mittelpunkt stehen dabei regulierungs- und umweltpolitische Aspekte. Da sind zu einem all diejenigen, denen die Automobilindustrie schon immer ein Dorn im Auge war. Schon längst hätte man die Automobilindustrie und deren umweltschädliche Produkte viel restriktiver regulieren sollen.

Dann gibt es die Protagonisten der Elektromobilität, die jetzt die Chance für gekommen sehen, dem ungeliebten Dieselmotor endlich den Garaus zu machen.

Nicht zu vergessen sind auch die Interessen der ausländischen Automobilindustrie und ihrer Protegés, die im Volkswagen-Skandal die Möglichkeit sehen, ihre technologischen Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen politischen Interessen wird deutlich, warum der Volkswagen-Fall eine solche mediale Aufmerksamkeit bekommt.