Kapitalmarkt unter Druck Die Probleme in Argentinien sind hausgemacht

Lutz Röhmeyer ist geschäftsführender Gesellschafter der Capitulum Asset Management.

Lutz Röhmeyer ist geschäftsführender Gesellschafter der Capitulum Asset Management. Foto: Capitulum Asset Management

Seit der Testwahl für die in zwei Monaten anstehenden argentinischen Präsidentschaftswahlen sahen wir innerhalb kürzester Zeit massive Verwerfungen am lokalen Kapitalmarkt, Verhandlungen über Laufzeitstreckungen der IWF-Hilfsgelder, Umstrukturierungen der Anleihen und die Wiedereinführung von Kapitalverkehrskontrollen zur Währungsstabilisierung – eigentlich alles Dinge, die wohl ohnehin mit einer neuen Regierung gekommen wären. All dies kam selbst für die argentinischen Wähler überraschend, obwohl Sie es buchstäblich selbst in Form des Wahlzettels in der Hand hatten und bis zur endgültigen Abstimmung immer noch haben. Aber der Reihe nach.

Das Ergebnis der landesweiten, verpflichtenden Vorwahlen für das Präsidentenamt und das nationale Parlament bestätigte den bereits erwarteten Sieg für das peronistische Wahlbündnis „Frente para Todos“ mit Präsidentschaftskandidat Alberto Fernández und der ehemaligen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner als seinem Stellvertreter. Überraschend war allerdings der deutliche Vorsprung vor dem eher markt- und wirtschaftsfreundlichen amtierenden Präsidenten Mauricio Macri. Der Kapitalmarkt schätzt dieses Ergebnis als praktisch uneinholbar ein und reagierte umgehend mit harschen Kursverlusten bei Aktien, Anleihen und Währung.

Anleger befürchten nun eine Rückkehr in die dunkle Vergangenheit Argentiniens, eine Zeit mit mehr als einem Jahrzehnt im Staatsbankrott unter der Ägide einer linksgerichteten Regierung. Präsident Macri hatte nach seiner Machtübernahme im Jahr 2015 ein Hilfsprogramm mit dem IWF ausgehandelt, Argentinien wieder kapitalmarktfähig gemacht und durch lehrbuchmäßige Reformen die wirtschaftlichen Ungleichgewichte adressiert. Bedauerlicherweise kommen die Wahlen nunmehr zu früh. Denn für viele Wähler waren vor allem der notwendige Abbau von Sozialausgaben und die gestiegenen Preise nach Aufhebung der regulatorischen Preisdeckelungen spürbar – aber noch keine Besserung in den allgemeinen Lebensverhältnissen.

Der rapide und gleichzeitige Verfall von Währung, Aktien und Anleihen auf ein faktisches Bankrottniveau hat aber auch sie verschreckt, wie die schlagartig einsetzende Kapitalflucht der scheinbar unvorbereiteten Bürger zeigt. Die Mehrzahl der globalen Anleger ist trotz der rationalen Erwartung eines Machtwechsels mit Übergewichtungen in Argentinien in die Wahlperiode hineingegangen. Das zeigen Statistiken.

Auch wenn nun die Kapitalmarktreaktion viele Wähler zu einem Umdenken bewegen sollte, ist eine Wiederwahl Macris derzeit weiter unwahrscheinlich, auch wenn dieser nun versucht, Kapital aus der Angst vor den Linkspopulisten zu ziehen. Wirtschaftlich ist der Vertrauensschaden bereits eingetreten, verkehrt die Wirkung der bisherigen Reformen ins Gegenteil und wirft das Land in der Entwicklung abermals um Jahrzehnte zurück.

Was Anleger nun beachten müssen 

Ausländische Investoren sorgten auch in diesem Jahr für konstante Zuflüsse in den Peso. Das Hauptproblem aber bleibt die – trotz rekordhoher Zinsen – beständige und durch Misstrauen getriebene Kapitalflucht der Inländer. Die Schulden des Landes sind überwiegend in harter Währung wie dem US-Dollar ausgestellt, während die Steuereinnahmen auf heimische Währung lauten.