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Fondsmanager-Interview „Wir wollen Abwärtsphasen nur gebremst mitmachen“

Boris Jurzyk ist Fondmanager des Berenberg European Equity Selection

Boris Jurzyk ist Fondmanager des Berenberg European Equity Selection

Wie hat der Fonds die Turbulenzen der letzten Wochen und Monate überstanden?

Boris Jurczyk: Im August nach der Währungsabwertung in China sind wir mit dem Markt eins zu eins nach unten gefallen. Dann hat unser Modell reagiert: Wir haben hochvolatile Werte reduziert und defensive Titel aufgestockt. Dadurch hatten wir eine schöne Outperformance in der zweiten Abwärtswelle im September. Im Oktober war es schwer, im Aufschwung mitzuhalten, da es einen großen Momentum-Wechsel am Markt gab. Bei plötzlichen Stimmungsumschwüngen am Markt benötigt unser Modell in der Regel etwas Zeit, bis sich ein neuer Trend in der Aktienselektion niederschlägt. Dieser Mechanismus ist vorteilhaft in anhaltenden Abwärtsbewegungen. Im Oktober haben die Werte mit zuvor besonders hohen Verlusten kräftig angezogen. Dazu zählen zum Beispiel deutsche Versorger, einige Automobilaktien oder Öl- und Gas-Werte. Jetzt wird es spannend, ob sich dieser Trend fortsetzt oder es nur eine Korrektur nach einem zuvor zu deutlichen Abverkauf war. Beispielsweise haben wir Automobilaktien aufgrund ihrer attraktiven fundamentalen Bewertung bereits Ende Oktober wieder deutlich übergewichtet.

Worauf achtet Ihr Modell?

Jurczyk: Es besteht aus sechs Indikatoren aus dem fundamentalen, technischen und dem Risikobereich. Wir versuchen so, aus europäischen Large Caps ein konzentriertes Portfolio aus unterbewerteten, vergleichsweise risikoarmen Titeln mit einem eher steten Kursverlauf herauszufiltern. Starke Einbrüche im Portfolio wollen wir möglichst vermeiden. Wir wollen in Aufwärtsphasen dabei sein und die Abwärtsphasen nur gebremst mitmachen.

Welches sind die wichtigsten Indikatoren?

Jurczyk: Das Modell ist so konzipiert, dass sich die Wichtigkeit der Indikatoren an den Markt anpasst. Das sichert seine Überlebensfähigkeit. In den vergangenen drei Jahren ging es vor allem aufwärts am Markt. Die zentralen Treiber waren die fundamentalen und technischen Indikatoren: Ist eine Aktie noch besonders günstig bewertet? Wo gehen die Gewinne hin? Seit August sind die Risikofaktoren deutlich in den Vordergrund getreten. Es ist wichtiger geworden, wie sich die Aktie in fallenden Märkten verhält. Hier gibt es jetzt wieder deutliche Unterschiede. Es muss stärker zwischen den einzelnen Aktien, auch innerhalb eines Sektors differenziert werden. In diesem Umfeld kann unser Ansatz seine Stärken ausspielen.

Wo finden Sie denn zurzeit interessante Werte?

Jurczyk: Deutlich übergewichtet sind wir nicht nur im Automobilsektor, sondern auch in den Bereichen IT- und Retail. Wir haben zum Beispiel Infineon und ASML aus dem Halbleiterbereich im Portfolio, aber auch die als defensiv geltenden Retailer Ahold und Carrefour. Zudem haben wir ein Übergewicht im Konsumdienstleistungsbereich. Die Fluglinie Ryanair ist seit Jahren im Portfolio. Der Kurs hat sich in den letzten Jahren verdreifacht.

Haben Sie jüngst etwas geändert?

Jurczyk: Relativ neu im Portfolio ist die Deutsche Post. Die Aktie hat einen Turnaround hingelegt, sie ist günstig bewertet und zeigt wachsendes Momentum. Und wir haben seit Langem wieder einmal im Versorgersektor investiert. Iberdrola aus Spanien und EDP aus Portugal haben sich im September exzellent entwickelt. Sie haben ein sehr defensives Verhalten gezeigt und sind günstig bewertet.

Wie beurteilen Sie den Automobilsektor nach dem VW-Skandal?

Jurczyk: Unsere Übergewichtung im Automobilsektor hat uns im August stark getroffen. VW war zwar nicht im Portfolio, aber alle Auto-Titel wurden in Sippenhaft genommen. Wir sind zum Beispiel weiterhin in Daimler investiert. Die Aktie ist durch den Kursrückgang sehr attraktiv geworden, die Gewinnaussichten haben sich nicht verschlechtert. Im Gegenteil: Im September legte das Unternehmen Rekordabsatzzahlen für Mercedes vor.

Der Fonds investiert nur in große Konzerne. Was ist der Vorteil von Large Caps?

Jurczyk: Sie sind wesentlich diversifizierter hinsichtlich ihrer Umsatzanteile. Es gibt wenige sehr große Unternehmen, die nur in einer Region aktiv sind. Der große Unsicherheitsfaktor für die weitere Gewinnperspektive der Unternehmen ist zurzeit die Entwicklung in den Emerging Markets. Und dieses Risiko ist bei Large Caps besser gestreut.

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