Fokus Neukundenakquise Wann sich Video-Ident-Verfahren im Private Banking auszahlen

Laura Pfannemüller ist Senior Consultant bei der Unternehmensberatung zeb

Laura Pfannemüller ist Senior Consultant bei der Unternehmensberatung zeb

„Das größte Wachstumshemmnis für uns heißt Post-Ident“, lautete einst die Antwort des Vorstands einer Direktbank auf eine Frage hinsichtlich der weiteren Entwicklungsaussichten der Bank. Mittlerweile hat sich hinsichtlich dieser Hürde etwas bewegt, im vergangenen Jahr eröffnete die Bafin die Möglichkeit der Online-Legitimierung von Neukunden einer Bank.

Seitdem haben die meisten Direktbanken und erste Filialbanken entsprechende Verfahren eingeführt, meist durchgeführt durch einen Dienstleister wie WebID oder IDnow. Doch kann die Kontoeröffnung auf dem heimischen Sofa auch für Privatbanken neue Türen öffnen?

Online-Legitimation in fünf Minuten

Grundsätzlich verläuft der Prozess zur Online-Legitimation in wenigen Schritten:
  1. Der Kunde trägt seine Stammdaten (Name, Adresse, Geburtsdatum, et cetera) in ein Formular ein.

  2. In einem Videotelefonat (an Laptop oder auf einem Smartphone/Tablet) hält der Kunde seinen Personalausweis in die Kamera.

  3. Ein Mitarbeiter des Dienstleisters prüft den Ausweis auf Echtheit und gleicht das Ausweisfoto mit dem Nutzer ab.
Insgesamt dauert dieser Prozess zirka fünf Minuten. Anschaulich dargestellt ist er in einem Video des Anbieters WebID.

Was zunächst einfach klingt, ist mit einigen Startschwierigkeiten behaftet und noch entfernt von einem als sicher und reibungslos einzustufenden Prozess. Das Formular ist rasch ausgefüllt, doch schon bei der Videoverbindung entsteht die erste Hürde: Bei Verbindungen von einem Laptop ist das Vorhandensein sowie die Aktivierung der Kamera der kritische Punkt, bei Verbindungen über mobile Geräte muss zunächst eine App installiert werden, beide Wege verlangen dabei nach einer stabilen Internetverbindung. Während der Prüfung besteht das Risiko, dass die vorherrschenden Lichtverhältnisse einen Fotoabgleich nicht sicher zulassen.

Zwar wird aktuell nur eine niedrige zweistellige Prozentzahl aller Legitimationen der das Verfahren anbietenden Banken über ein solches Verfahren vorgenommen. Nichtsdestotrotz ist zu erwarten, dass es sich, insbesondere in verbesserter Form, weiter durchsetzen wird – nicht zuletzt die Post selbst bietet neben dem bewährten Post-Ident-Verfahren mittlerweile eine Online-Variante an.

Potenzial fürs Private Banking?

Grundsätzlich gilt: Hat sich jemand dazu entschieden, bei einem Unternehmen Kunde zu werden oder ein Produkt zu kaufen, sollte ihm die Erfüllung dieses Wunsches so einfach wie möglich gemacht werden.

Bei Privatbanken ist der Prozess der Neukundenakquisition in der Regel jedoch etwas anders als bei Girokonten im regulären Privatkundengeschäft. Er beginnt nach meist persönlichen Kontakten mit der Eröffnung eines Kontos und eines Depots als erstem Schritt und dem nachgelagerten, schrittweisen Umschichten des Vermögens zugunsten der neuen Bankverbindung.

Dieser Prozess kann sich über mehrere Monate erstrecken, die technische Kontoeröffnung ist dabei ein vergleichsweise kleiner Meilenstein und erfolgt selten spontan. Aus diesem Gesichtspunkt erscheint es zunächst für eine Privatbank nicht essentiell, den Kundenwunsch einer Kontoeröffnung per Video-Identifikation sofort erfüllbar zu machen.

Auch verbergen sich hinter der Value Proposition, dem Nutzenversprechen von Privatbanken meist Stichworte wie Tradition oder Exklusivität und weniger Innovation. Von dieser Value Proposition erwarten Kunden nicht in erster Linie ein technisches State-of-the-Art-Angebot. Auch könnte der aktuell noch nicht vollständig sichere Prozess die Kundenerwartungen an ein hochpreisiges Angebot enttäuschen.

Bezogen auf die Bestandskundschaft sinken jedoch die Hürden, sich zum Beispiel bei einem neuartigen Angebot zur Vermögensverwaltung, sogenannte Robo Advisors, oder anderen Konkurrenten zu registrieren, für die der oben beschriebene Akquisitionsprozess so nicht gilt.

Für Privatbanken bedeutet dies, sich um möglichst enge und vertraute Kundenverbindungen zu bemühen, um einem Abzug von Volumen entgegenzuwirken. Insgesamt erscheint es im Status Quo für eine Privatbank nicht nötig, sich mit dem Thema Video-Ident näher zu befassen.

Die Neukunden von morgen

Wendet man den Blick auf die Kunden von morgen und damit auf das Thema Neukundenakquisition, ist diese Einschätzung jedoch zu hinterfragen.

Die heutige Erben- und Neukundengeneration ist durch die unsere (Konsum-)Gesellschaft prägenden, meist US-amerikanischen Unternehmen andere Standards gewohnt. Sie erwartet es zunehmend, dass die Erledigung von Dingen nicht mehr zwangsläufig das Aufsuchen eines bestimmten Ortes wie eine Postfiliale voraussetzt.

Unter diesem Aspekt sollte die Video-Identifikation in jedem Fall Teil des Möglichkeitenraums auch von Privatbanken sein, so wie viele weitere Angebote eines digitalisierten Banking-Erlebnisses.

Denn eines sollte man sich immer vor Augen führen: Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden. Und bis heute haben wir weniger als 5 Prozent dessen gesehen, was möglich ist und sein wird.


Über die Autorin:
Laura Pfannemüller ist bei der Unternehmensberatung zeb Senior Consultant in der Practice Digital Financial Services und beschäftigt sich mit Innovationen im Banking und ihren Auswirkungen auf die Branche. Zudem ist sie mitverantwortlich für die Weiterentwicklung von BankingHub.de.

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