Familienmanager und Berater sind gefragt Wie Konflikte bei Unternehmerfamilien ablaufen

Arist von Schlippe von der Universität Witten/Herdecke

Arist von Schlippe von der Universität Witten/Herdecke

Familienunternehmen sind bekanntermaßen eine sehr spezielle Organisationsform. Die besondere Verbindung zwischen den Sozialsystemen Familie und Unternehmen erzeugt ein besonderes Spannungsfeld, das sowohl für die besonderen Wettbewerbsvorteile steht, die Familienunternehmen zugerechnet werden können, das aber auch die besondere Verletzlichkeit unterstreicht, in der Familie und Unternehmen gemeinsam stehen.

Denn zum einen gibt es eine viel größere Zahl an möglichen Konfliktanlässen, die sich ergeben können. Zum anderen verlaufen Konflikte, wenn sie erst einmal in der Familie Platz genommen haben, oft mit sehr hoher affektiver Beteiligung aller Betroffenen.

Es geht nämlich um viel, um das Lebenswerk, um Loyalität sowie Aufopferung und um Gefühle von verratener Treue und gebrochenen psychologischen Kontrakten. Bei letzteren handelt es sich um unausgesprochene Vereinbarungen, die zwar als sehr verbindlich erlebt werden, aber von den verschiedenen Parteien sehr unterschiedlich erinnert und interpretiert werden.

Familien und Unternehmen „passen einfach nicht zusammen“, so lautet der Titel eines der Anfangskapitel meines jüngst erschienen Buches. Ausführlich wird beschrieben, wie Familien ticken und auf welchen Logiken die Kommunikation im Unternehmen basiert.

Familien sind an dem Wohlergehen der Einzelperson interessiert. Sie werden jeweils als ganze Persönlichkeit beachtet, während das Unternehmen an den Personen nur zu dem Teil interessiert sind, die für die Erfüllung von Aufgaben bedeutsam sind: Wer Kopfweh hat, wird in der Familie liebevoll umsorgt. Gleichzeitig wird im Unternehmen gefragt, ob er trotzdem in der Lage ist zu arbeiten oder ob man für ihn Ersatz beschaffen müsse.

Familien prozessieren Bindungskommunikation, Unternehmen Entscheidungskommunikation, die Rationalitäten sind teils konträr. Das eigentlich Erstaunliche ist daher, wie es kommt, dass es so vielen Unternehmensfamilien gelingt, diese Widersprüche und Paradoxien vergleichsweise gut zu bearbeiten. Sie schaffen es sogar oft das Unternehmen sehr gut für sich zu nutzen, um sich als Familie gut zu verstehen und dauerhaft ein guter Partner für das Unternehmen zu sein.

Doch eines ist auch klar: wenn es denn schiefgeht im Familienunternehmen geht es richtig schief. Die dann entstehenden Konflikte haben das Zeug, ein Unternehmen zu zerstören und mit ihm meist auch die Familie.

Es ist so, als ob in Familien wie in einem Vergrößerungsglas alle Mechanismen, wie Konflikte eskalieren können, schnell und stark greifen. Familienunternehmen sind emotionale Arenen, in denen sehr schnell heftige Gefühle entstehen können. Konfliktlagen, die noch aus dem Sandkasten stammen, verbinden sich mit aktuellen Auseinandersetzungen um Einfluss, Positionen und um Geld zu einer brisanten Mischung.

Es gibt dabei einige Sollbruchstellen, sicher die bedeutsamste ist die Nachfolge, in der vieles, was man über Jahre als ungeklärte Paradoxie in der Konsensfiktion („wir werden uns schon einig“, „das wird schon so laufen, wie ich denke, es gibt ja genug Andeutungen“) mitführen kann, nun mehr oder weniger plötzlich aufbricht.

Glücklicherweise ist die Bewusstheit für die Notwendigkeit von familienstrategischen Überlegungen gewachsen, so dass Situationen, in der die Erben völlig perplex vor dem Notar sitzen, der sie mit dem für sie überraschenden und völlig unerwarteten letzten Willen des Unternehmenslenkers (oft des Gründers) konfrontiert. Das Nachfolgethema bleibt dennoch eines der ganz heißen Eisen in Familienunternehmen.

Unaufhaltsame Kettenreaktion

Auf dieser Ausgangslage basierend sind nun die Anlässe vielfältig, aus denen heraus sich Konflikte entwickeln können. Es liegen sozusagen viele Nitroglyzerinfläschchen in der Gegend herum, gegen die man stoßen kann.

Wenn aber ein solches angestoßen ist, so die Kernthese des Buches, laufen psychologische Konfliktdynamiken ab, denen man völlig unterworfen ist, wenn man sie sich nicht bewusst macht. Es geht daher immer um „consciousness raising“, um die Herstellung von Bewusstheit. Wenn das nicht gegeben ist, neigen Konflikte dazu, sich selbständig zu machen.

Das Bild vom Konflikt als Parasit ist hier hilfreich: er tendiert dazu, sich in vorher unbelastete Kommunikationsbereiche hineinzusetzen und sie zu vergiften. Wer am Vorabend mit dem Ehepartner eine heftige und ungelöste Auseinandersetzung geführt hatte, antwortet vielleicht auf die Bitte am Frühstückstisch, das Salz herüberzureichen mit einem groben „Hol’s dir doch selbst!“ – eine Einladung zur Eskalation.

Wenn man nicht merkt, was da passiert, übernimmt der Konflikt die Macht und schränkt die Möglichkeiten der Beteiligten, sich konstruktiv zu verhalten, immer weiter ein: zunehmend werden die Auswege verbaut, den Konflikt zu verlassen.

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„Dämonisierte Zonen“ (Seite 122 im Buch)

So geraten die Beteiligten zunehmend auf einen Weg, der nach „Dämonistan“ führt. Das ist ein Land, in dem andere Regeln gelten als gewohnt. Der andere wird zunehmend dämonisiert, nur noch negativ beschrieben, das Verständnis füreinander nimmt ab und die eigene Position wird immer stärker verabsolutiert.

Zugleich wird die Verantwortung für eigene Eskalationsschritte abgelegt: wenn man nun in einer Weise handelt, die den anderen kränkt oder gar schädigt, hat dieser es „sich selbst zuzuschreiben“, man wurde ja schließlich provoziert.

Was tun? Das letzte Buchkapitel lässt die Leser nicht hoffnungslos mit dem Blick auf die Konfliktdynamiken allein. Aus verschiedenen Perspektiven, der des Betroffenen („Zehn Empfehlungen“), der des Familienmanagers und der des Beraters werden jeweils Möglichkeiten skizziert, wie man lernen kann, den Kontext des Konfliktes zu verstehen, die Lage zu entdramatisieren und Paradoxien zu verdeutlichen, in denen in der Regel alle Beteiligten feststecken.

Fazit des Buchs

Konflikte in der Unternehmensfamilie sind zum einen nichts Besonderes. Von daher ist es nicht nötig, sich Vorwürfe zu machen, wenn man in sie hineingerät – sie kommen halt in den besten Familien vor. Vorwürfe sollte man sich allerdings machen, wenn man sich der Dynamik der Konflikte blind überlässt, ohne sie zu reflektieren (Seite 188).


Über den Autor:
Arist von Schlippe ist ein deutscher Psychologe und Psychotherapeut. Seit 2005 ist der 1951 Geborene  Inhaber des Lehrstuhls „Führung und Dynamik von Familienunternehmen“ und akademischer Direktor des Instituts für Familienunternehmen (WIFU) an der Universität Witten/Herdecke. Er hat sich mit unterschiedlichen familientherapeutischen Fragen befasst und sieht den Übergang von Beratung zu therapeutischer Arbeit mit Familien als fließend an.

Sein jüngstes Buch:
Arist von Schlippe (2014). Das kommt in den besten Familien vor... Systemische Konfliktbearbeitung in Familien und Familienunternehmen. Stuttgart: Concadora-Verlag

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