Vermögensverwaltung „Die Kunst ist, Fehler zu vermeiden“

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private-banking-magazin.de: Legen Sie Ihren Anlegern ans Herz, über Short-Positionen auch von fallenden Märkten zu profitieren?

Borgsmüller:
Bei unseren Vermögensverwaltungskunden gehen wir grundsätzlich keine Short-Positionen ein. Wir haben einen Hedgefonds, den PSM Macro Strategy Fund, mit dem wir das zu gegebener Zeit tun werden.

Es ist interessant zu sehen, dass mittlerweile 60 Prozent der Neuemissionen in den USA keine Gewinne machen. Genau wie 1998, 1999 und 2000.

Und wir haben die Gelddruckmaschine der Fed, das ist neu. Wir sind damit im Land der Experimente.

In diesem Zusammenhang können die Bewertungen und Sentiments weiter überdrehen. Was das bedeutet, kann keiner wirklich wissen.

private-banking-magazin.de: Orientieren wir uns mal weg von Europa und den USA: Die Emerging Markets waren lange Hoffnungsträger auch für viele private Anleger – und boten eine veritable Salesstory. Dann sorgten sie, allen voran China, für schlechte Nachrichten.

Wie beurteilen Sie die jetzige Situation?

Riße:
Natürlich bietet China prinzipiell weiterhin beste Wachstumsaussichten, und man müsste dort eigentlich kaufen. Doch wird dort mit dem Versuch, die Schattenbanken auszutrocknen, immer noch viel Geld in der Realwirtschaft oder im Immobilienmarkt absorbiert, womit keine Überschussliquidität für Aktien gegeben ist.

Und welchen Zahlen kann man vertrauen? Wenn Wiesbaden sechs Wochen benötigt, um das Bruttoinlandsprodukt von Deutschland zu berechnen, und das riesige China dafür zwei Wochen braucht, ist das Ergebnis wenig glaubhaft.

Benner: Und wie sind denn die Emerging Markets genau definiert? Das ist ein extrem heterogenes Feld. Erst waren es die BRIC-Staaten, dann die Next-11, jetzt sind es die MIST-Staaten. Da beschleicht einen schon das Gefühl, dass es sich dabei auch um Marketing-Begriffe handelt.

Riße:
Und bitte generell beachten – immer wenn die Zertifikate-Industrie verstärkt Produkte für diese Märkte auflegt, auf keinen Fall mehr kaufen.

Meißner:
Die politische Dimension ist bei Schwellenländerinvestments nicht zu ignorieren. Schauen Sie etwa nach Brasilien: Dort gibt der Staat dem Ölkonzern Petrobras die Preise vor. Darauf haben wir als Anleger keinen Einfluss.

Oder nehmen Sie Argentiniens Zwangsverstaatlichung: für Investoren der absolute Super-Gau.

Unsere Aufgabe ist doch, immer auch die Risiken zu sehen. Denn wann hat der Anleger denn Emerging Markets, aber auch Währungen oder Gold gekauft? Immer beim Höchststand der Märkte.

Schmidlin:
Wir sollten aber auch einbeziehen, dass eine Investition in Schwellenländern nicht zwingend eine Direktinvestition in Unternehmen aus diesen Ländern bedeuten muss.

Investoren, die beispielsweise Lateinamerika ins Portfolio aufnehmen möchten, können sich genauso in Spanien und Italien umschauen.

Dort haben wir beispielsweise große Versorger und Telekoms, die einen Großteil ihrer Umsätze in Südamerika erzielen. Und Deutschland hat als Exportnation beispielsweise ein großes Exposure in Richtung Asien.

Bei direkten Investitionen in Schwellenländern erfordern vor allem Corporate-Governance-Themen häufig eine besonders tief gehende Analyse auf Einzeltitelebene.

Man muss sich die Frage stellen, ob die aktuellen Bewertungsabschläge in den Emerging Markets diese Risiken ausreichend kompensieren.

Borgsmüller:
Wir können es doch so festhalten: Wer mit großen Schwankungen leben kann und Zeit mitbringt, ist in den Emerging Markets gut aufgehoben.

Wer aber wie die meisten Vermögensverwalter aufgrund der Kundenpsychologie einen ein- oder zweijährigen Horizont hat, müsste versuchen, eine Investition vom Timing her hinzubekommen. Da wird es dann schwierig.

Ein weiterer Punkt: Die dramatische Abwertung des Yen gegenüber den wichtigsten Währungen auch in Asien setzt die dortigen Länder stark unter Druck.

Die Japaner exportieren über den Yen faktisch Deflation. Das trifft die Haupthandelspartner wie Taiwan und Korea, aber auch Deutschland.

private-banking-magazin.de: Eine Zeit lang wurde diskutiert, ob in vermögensverwaltende Fonds auch Real Assets wie Immobilien aufgenommen werden sollten.

Viele offene Immobilienfonds haben aber nicht gerade eine Erfolgsgeschichte hinter sich, und bei ihnen haben auch viele Experten danebengelegen.

Erdmann:
Das hatte weniger damit zu tun, dass sich die Experten verschätzt haben, sondern damit, dass offene Immobilienfonds als Geldmarktfonds missbraucht wurden. Und die Auffassung, ein illiquides Investment täglich liquide haben zu wollen, funktioniert nun mal eben nicht. Die Anlageklasse als solche halte ich nicht für schlecht.

Meißner:
Einspruch. Wird ein offener Fonds geschlossen und müssen die Immobilien im Portfolio verkauft werden, sind Abwertungen von 20 oder 30 Prozent schon fast die Regel.

Da stellt sich die Frage, ob die Manager so schlecht im Vergleich zu den Fonds waren, die immer noch offen sind – und bei denen die Objekte weiterhin regelmäßig von den Gutachtern höher bewertet werden. Da hat man doch den Verdacht, dass einiges schöngerechnet wird.

Riße:
Ich erinnere mich an ein Frankfurter Büroobjekt, bei dem man einen Fünf-Jahres-Mietvertrag bekam. In den ersten beiden Jahren musste man allerdings keine Miete zahlen. Aus einem einfachen Grund: Der Mietpreis für den Quadratmeter wäre gesunken, wenn man die Miete auf die fünf Jahre verteilt hätte. Der Besitzer war ein offener Immobilienfonds.

Schmidlin:
Zudem sollte man sich vor dem Hintergrund der Staatsschuldenkrise klarmachen, dass Immobilien ein nicht transportables Gut sind – wie der Name ja schon sagt. Das ist Kapital, das nicht fliehen kann. Daher könnten Immobilien frühzeitig Ziel von Steuererhöhungen oder Sonderabgaben sein.