Die aufregendste Geldanlage der Welt - Teil 2 Der Wert der Kunst

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2) Originale, Kopien und Fälschungen

Eine besondere Bedeutung bei der Wertbestimmung eines Kunstwerkes hat, dass es sich um ein Original handelt. Dies gibt ihm etwas spezifisches und einmaliges. Der Besitz verspricht Exklusivität. Vielfach wird aber auch davon ausgegangen, dass speziell der Besitz des Originals ein besonderes ästhetisches Erleben ermöglicht.

Die Abgrenzung zwischen wertvollem Original, einer geringwertigen Kopie oder einer auf geistigem Diebstahl beruhenden Fälschung ist jedoch bei genauerer Betrachtung sehr schwierig, was 2012 die Ausstellung „Déjà-vu? Die Kunst der Wiederholung von Dürer bis YouTube“ in der Karlsruher Kunsthalle thematisierte. Dies hängt nicht nur damit zusammen, dass in heutiger Zeit immer mehr Kunstwerke auf Technologien wie Foto oder Video basieren, bei denen Original und Kopie grundsätzlich nicht mehr unterscheidbar sind. Auch für traditionell hergestellte Kunst war dies oft problematisch, wie diese Beispiele zeigen:
  • Seit dem Mittelalter ist es üblich, dass erfolgreiche Künstler Werkstätten mit vielen Beschäftigten betreiben. Diese dienten zur Massenproduktion von Originalen. Von nicht wenigen berühmten Bildern gibt es verschiedene sehr ähnliche Varianten, bei denen zudem oft unklar ist, wie viel nun der Künstler selbst oder ein Assistent beigetragen haben. Auf die Spitze getrieben hat dieses Prinzip der umstrittene britische Künstler Damian Hirst mit seiner Art Factory, der inzwischen zur Serienproduktion seiner Werke übergegangen ist und damit angeblich der reichste zeitgenössische Künstler überhaupt geworden ist.

  • Ebenfalls seit dem Mittelalter ist gängige Praxis, dass Künstler selbst Kopien oder vereinfachte Versionen ihrer bekannten Werke anfertigten und diese an Kunstliebhaber verkauften. Dies geschah nicht zuletzt aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Die Erfindung des Buchdrucks ermöglichte die massenweise Verbreitung von durch den Künstler selbst vorgenommene oder durch ihn lizenzierte Reproduktionen. Mit der Einführung der Fotografie wurde der Abzug zu einem Original, das im Prinzip unendlich reproduzierbar ist. „Originalkopien“ wahren gegenüber Fälschungen zwar die Urheberrechte des Künstlers. Sind sie aber künstlerisch gesehen Originale oder Kopien?

  • Im Jahr 2008 wurde in Freiburg Wolfgang Beltracchi verhaftet. Er hatte über Jahrzehnte in einer bisher noch nicht bekannten Perfektion die Bilder deutscher Expressionisten gefälscht. Überführt werden konnte er erst, als eine chemische Analyse bei einem Werke modernes Titanweiß nachwies, das zu der angegebenen Entstehungszeit noch nicht existierte. Beltracchi war als Fälscher unter anderem deswegen so erfolgreich, weil er nicht nur die Bilder relativ perfekt nachempfand, sondern es ebenfalls gelang, durch eine erfundene Sammlungshistorie (inklusive gefälschter Galerieetiketten und Beweisfotos) renommierte Kunstexperten zu täuschen und so ihre Expertisen zu manipulieren. Von angeblich 300 Fälschungen sind bisher nur wenige identifiziert. Viele sind wahrscheinlich in Privatsammlungen und werden nach wie vor für wertvolle Originale gehalten.

  • Original und Fälschung zu unterscheiden fällt nicht nur Experten sehr schwer, sondern teilweise auch Künstlern selbst. Von Giorgio de Chirico ist beispielsweise bekannt, dass er mehrfach eindeutige Fälschungen als eigene Werke identifiziert hat.

  • Der Kunsttheoretiker Walter Benjamin hat mit in seinem Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts eine theoretische Begründung für die besondere ästhetische Bedeutung des Originals geliefert, indem er es mit dem Begriff der „Aura“ verknüpfte. In seinem Verständnis macht diese das spezifische eines Kunstwerkes aus. Sie wird durch die Kennzeichen Unnahbarkeit, Echtheit und Einmaligkeit geprägt. „Die Einzigkeit des Kunstwerks ist identisch mit seinem Eingebettetsein in den Zusammenhang der Tradition.“ Hieraus folgt für ihn: „Der einzigartige Wert des »echten« Kunstwerks hat seine Fundierung im Ritual, in dem es seinen originären und ersten Gebrauchswert hatte." Dies bezeichnet Benjamin als „Kultwert“. Im Gegensatz dazu stellt er den „Ausstellungswert“ der Kunst in unserer modernen Medienwelt, die durch Reproduktion vervielfältigbar ist, teilweise auf Schockeffekte setzt und vor allem Zerstreuung beabsichtigt. Dies stellt laut Benjamin die Aura infrage: Zum einen wird durch die Reproduktion der Kunst das ästhetische Empfinden vermindert. Zum zweiten aber – und dies ist für den gegenwärtigen Kunstmarkt im Grunde wichtiger – hat er in der Kunst die Tendenz identifiziert, vorwiegend der Unterhaltung zu dienen sowie lieber Skandale zu provozieren, um Aufmerksamkeit zu erreichen, als ästhetisch zu wirken. Insofern kann man in Anlehnung an Benjamins Gedanken festhalten, dass die heutige Kunst aus vielen Werken besteht, die nur aus technischen oder urheberrechtlichen Gründen als Original gelten, denen aber eine Aura fehlt, die sie auch aus ästhetischer Sicht interessant (und einzigartig) machen.