ANZEIGE

Bonds-Expertin „Schwellenländer-Anleihen machen einen Bogen um die Krisen Europas“

""

Im Interview mit Lisa Turk von Edmond de Rothschild Asset Management Foto: private banking magazin

Helge Rehbein: Die weltweite wirtschaftliche Entwicklung lässt aktuell sehr zu wünschen übrig, nicht wahr? Es ist also nicht gerade die beste Zeit für Anleihen, oder etwa doch?

Lisa Turk: Nun, es ist so: Sobald sich die weltweite Makroökonomie verbessert und der richtige Zeitpunkt zu investieren da ist, hat sich der Markt wahrscheinlich schon wieder erholt. Was ich sagen will: Die Erholung wird wahrscheinlich plötzlich kommen, man tut also gut daran, schon vorher zu investieren.

Anleihemärkte haben seit Anfang des Jahres stark gelitten. Ich gebe zu, dass noch große Herausforderungen kommen, insbesondere eine weitere Straffung der Geldpolitik. Aber ich glaube auch, dass wir uns in Erinnerung rufen sollten, dass Anleihemärkte zukunftsorientiert sind. In diesem Sinne glaube ich, dass ein erheblicher Teil der Risiken und dieser Herausforderungen bereits eingepreist ist. Sobald Investoren anfangen, über das Ende der Straffung der Geldpolitik in den USA nachzudenken, gehe ich davon aus, dass sich die Anleihen sehr schnell erholen. Sie tun gut daran, vorher schon zu investieren.

Helge Rehbein: Aber was ist mit den existierenden geopolitischen Risiken? Warum sollten Investoren aktuell in Emerging-Market-Anleihen investieren?

Lisa Turk: Ich bin wirklich davon überzeugt, dass Emerging-Market-Anleihen eine sehr gute Diversifizierung darstellen, eben wegen der geopolitischen Spannungen in Europa und der Energiekrise in Europa. Nehmen wir zum Beispiel Lateinamerika: Dort war man relativ immun gegen die geopolitischen Spannungen. Natürlich wurde man auch dort von der Inflation der Rohstoffpreise getroffen, aber als Exporteure und Produzenten haben sie sich dieses Jahr relativ gut geschlagen. Ich muss auch sagen, dass beispielsweise Brasilien aus diesem Grund einer unserer Favoriten ist. Daher denke ich, dass es für Anleiheinvestoren wirklich wichtig ist, diversifiziert zu sein, weil wir nicht wissen, wie sich die Geopolitik in naher Zukunft entwickeln wird.

Der andere Punkt ist, dass einer der Haupttreiber von Emerging-Market-Anleihen der US-Dollar ist. Wie Sie wissen, hat der US-Dollar dieses Jahr deutlich an Wert zugelegt und den höchsten Stand seit 20 Jahren erreicht. Das Potenzial für weitere Aufwertungen ist demnach relativ begrenzt. Auch hier: Sobald Investoren anfangen, eine Lockerung der Geldpolitik der Federal Reserve vorwegzunehmen, sollte sich der US-Dollar stabilisieren oder an Wert verlieren. Das sollte Emerging-Market-Anleihen deutlich stärken.

Helge Rehbein: Warum ist es so interessant, insbesondere Emerging-Market-Unternehmensanleihen in den Blick zu nehmen?

Lisa Turk: Ich glaube, dass Unternehmen in Schwellenländern besonders interessant sind, weil sie in den letzten Jahren ihre Bilanzen bereinigt haben. Man geht davon aus, dass ihr Verschuldungsgrad dieses Jahr sinkt. Der Nettoverschuldungsgrad soll nur das 1,2-Fache erreichen. Das ist für diese Unternehmen sehr, sehr niedrig. Andererseits sind die Bewertungen weiterhin äußerst attraktiv. Unser Fonds wirft eine Rendite von 12,5 % ab. Das ist sehr viel. Insbesondere das High-Yield-Segment ist, was die Bewertung angeht, äußerst interessant. Die Lücke zwischen den wirtschaftlichen Kennzahlen und den Bewertungen war bei Unternehmen aus Schwellenländern selten so groß wie jetzt. Das ist offensichtlich ein sehr guter Grund, in diese Asset-Klasse zu investieren.

Helge Rehbein: Interessant. Sie erwähnten Brasilien. Welche Regionen und welche Branchen sind interessant? Worauf legen Sie Ihren Schwerpunkt?

Lisa Turk: Lateinamerika ist aktuell eindeutig eine unserer bevorzugten Regionen, weil es weiter von den geopolitischen Spannungen entfernt liegt. Außerdem wurden dort in einigen Ländern im Gegensatz zu anderen Regionen der Welt die Zahlen zum BIP nach oben korrigiert. Die Inflation beginnt sich in einigen dieser Länder bereits abzuschwächen. Dadurch wird sich wohl die Geldpolitik in diesen Regionen auch ändern … zumindest wird der Zinserhöhungszyklus wahrscheinlich bald vorbei sein. Brasilien ist einer unserer bevorzugten Märkte, insbesondere weil Brasilien viele High-Yield-Chancen bietet. Wir mögen dieses Land besonders, weil Unternehmen, in die wir dort investieren, sehr solide sind.

Helge Rehbein: Sonst noch weitere Länder in Lateinamerika? Mexiko?

Lisa Turk: Aktuell bevorzugen wir Kolumbien und auch Peru. Mexiko weniger, weil Mexiko eher in Richtung Investment Grade geht. Die von uns verwalteten Fonds fokussieren sich eher auf High Yield. Das sind daher die Regionen, die wir bevorzugen. Ein Land, in dem wir aktuell ein bisschen weniger in Unternehmen investieren, ist die Türkei. Seit diesem Sommer haben wir unser Engagement in der Türkei wegen makroökonomischer Herausforderungen verringert, die sich deutlich am Horizont abzeichnen.

Helge Rehbein: Letzte Frage: Wie sieht es mit China aus?

Lisa Turk: Nun, China ist ebenfalls eindeutig ein Investment-Grade-Markt. Der mehr oder weniger einzige High-Yield-Bereich in China ist der Immobilienbereich. Wir haben uns schon vor Jahren aus dem Immobiliengeschäft zurückgezogen. Ich muss sagen, dass das eine gute Entscheidung war, weil es dabei immer um Unternehmen ging, zu denen der Zugang nicht einfach war. Es war schwierig, mit den Unternehmen, in die wir investierten, in Kontakt zu treten. Es war schwierig, eine enge Beziehung zu ihnen aufzubauen und zu wissen, wie ihre Geschäftszahlen wirklich aussahen, wie die Unternehmensführung abläuft. Daher wollten wir nicht im Immobilienbereich in China investieren. Natürlich stellte sich diese Entscheidung dieses Jahr als eine sehr gute heraus.

Hier erfahren Sie mehr zum Thema Schwellenländeranleihen und zum Edmond de Rothschild Fund Emerging Credit

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen