Oft vernachlässigt „Zur Nachlassplanung gehören auch digitale Vermögenswerte“

Wolfram Theiss (links), Caroline Picot und Frank Schuck von der Rechtsanwaltskanzlei Noerr LLP über die Notwendigkeit einer digitalen Nachlassplanung

Wolfram Theiss (links), Caroline Picot und Frank Schuck von der Rechtsanwaltskanzlei Noerr LLP über die Notwendigkeit einer digitalen Nachlassplanung

Ein verantwortungsvoller Mensch regelt bei Zeiten durch ein Testament, wer ihn im Fall seines Ablebens beerben soll. Sind damit wirklich alle relevanten Fragen der Nachfolgeplanung geregelt? In Zeiten fortschreitender Digitalisierung kann diese Frage leider nicht einfach mit Ja beantwortet werden.

Verstärkt vertrauen wir auf und sind abhängig von elektronischen Diensten, von E-Mail-Accounts, digitalen Speicherplätzen (Cloud Computing) und Geschäftsbeziehungen, die nur noch elektronisch gepflegt werden. Ein Facebook-Account wird nicht mehr nur von Teenagern genutzt, sondern dient Menschen aller Altersklassen zum Austausch, zur Kommunikation.

Was passiert mit all diesen Daten, wenn das Leben vorbei ist? Wer benötigt Zugang zu ihnen? Wer erhält Zugriff auf sie? Welcher Aufwand ist hiermit für die Erben verbunden?

Unter dem Schlagwort „digitaler Nachlass“ wird dieser Problemkreis verstärkt in der juristischen Beratung relevant. Insbesondere, weil Erben häufig zur Abwicklung des Nachlasses auf Daten angewiesen sind, die nur in digitaler Form vorhanden sind. Der Vorschlag, mal einfach den näheren Angehörigen das Masterpasswort mitzuteilen, ist schon im Hinblick auf den Datenschutz nicht empfehlenswert und kaum praktikabel. Schließlich sollen für verschiedene Konten unterschiedliche Passwörter verwendet und diese regelmäßig geändert werden.

Wer bereits zu Lebzeiten seine Passwörter kommuniziert, läuft das Risiko, dass Emails von den Angehörigen mitgelesen werden. Das ist kaum gewollt. Aber auch die Hinterlegung einer Liste mit den jeweils aktuellen Passwörtern an einer sicheren Stelle, an der die Erben sie nach dem Tod finden sollen, ist häufig nicht im Interesse des Erblassers. Nicht jeder möchte, dass seine sämtlichen E-Mails und digitalen Dokumente von allen Erben gelesen werden können.

In rechtlicher Hinsicht ist mit Blick auf den digitalen Nachlass noch vieles ungeklärt. Während in der juristischen Literatur weitgehend Einigkeit in der Frage herrscht, dass physisch beim Erblasser vorhandene Datenträger, samt den auf ihnen gespeicherten Daten wie Dokumente und E-Mails im Rahmen der Universalsukzession auf die Erben übergehen, ist dies hinsichtlich solcher Daten, die nur bei einem Provider gespeichert sind, umstritten.

Soweit E-Mails betroffen sind, ist bereits umstritten, ob ein Zugriff Dritter auf die im Postfach online gespeicherten E-Mails überhaupt rechtlich zulässig ist, oder ob dies abzulehnen ist wegen eines Verstoßes gegen § 88 des Telekommunikationsgesetzes, der das Fernmeldegeheimnis auf Dienstanbieter wie E-Mail-Provider erstreckt.

Solange insoweit keine Klarstellung durch Gerichte oder Gesetzgeber erfolgt, sollten E-Mails, die Informationen beinhalten, die der Erbe zur Fortführung eines Betriebs oder sonst zur Abwicklung des Nachlasses dringend benötigt, nicht nur online gespeichert, sondern zumindest auf den eigenen Computer heruntergeladen oder als Hardcopy aufbewahrt werden.

Erbschafts- versus Persönlichkeitsrechte

Soweit man den Zugriff Dritter auf online gespeicherte Emails als zulässig ansieht, gilt ebenso wie für sonstige nur online gespeicherte Daten Folgendes: Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die Auskunftsansprüche des Erblassers gegenüber dem Provider in Bezug auf die bei diesem gespeicherten Daten auf die Erben übergehen.

Einige bedeutende Stimmen in der juristischen Literatur berufen sich jedoch auf nachwirkende Elemente des Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen und sind der Auffassung, dass jedenfalls bei Dokumenten mit persönlichkeitsrechtlich relevantem Inhalt nicht die Erben, sondern nur die nächsten Angehörigen zur Wahrnehmung dieser Rechte berechtigt sind.

Würde man dem folgen, wären bei Dokumenten und E-Mails mit überwiegend vermögensrechtlichem Inhalt die Erben berechtigt, während hinsichtlich schwerpunktmäßig persönlichkeitsrelevanter Dokumente und E-Mails die – möglicherweise personenverschiedenen – nächsten Angehörigen berechtigt wären.

Die Abgrenzungsprobleme liegen auf der Hand. Richtig dürfte deshalb sein, nicht zwischen ideellen und vermögensrechtlichen Inhalten zu unterscheiden und einen Anspruch des Erben auf Herausgabe sämtlicher Daten und Emails zu bejahen.

Übertragung digitaler Vermögenswerte

Vielfach besteht aber nicht nur ein ideelles oder informatorisches Interesse an den Daten, vielmehr können auch digitale Vermögenswerte als solche vererbt werden – sei es ein populärer Blog mit Werbepartnern und „Followern“, sei es ein Ebay- oder Amazon-Marketplace-Account mit gutem Leumund oder eine einprägsame, bekannte Internetadresse.

Was physisch leicht übertragbar wäre, bedarf in der digitalen Welt aufwändiger Vorgedanken, soll der Transfer leicht und überhaupt möglich sein. Probleme können hier insbesondere auch daraus entstehen, dass viele beliebte online-Plattformen und E-Mail-Anbieter allgemeine Geschäftsbedingungen verwenden, die Sterbefälle überhaupt nicht regeln, oder – was meist problematischer ist – rechtlich zweifelhafte oder unwirksame Regelungen treffen. Auch hier empfiehlt es sich, als Erblasser durch eine klare letztwillige Verfügung vorzusorgen.

Zu bedenken ist auch, dass es durchaus Konstellationen geben kann, in denen der Erblasser einen Zugriff der Erben auf bestimmte online gespeicherte Daten ausdrücklich nicht wünscht. Genauso wie manches Tagebuch oder mancher Brief in vorgerückten Lebensjahren den Weg ins Feuer findet, sind auch nicht alle digital vorhandenen Informationen dazu bestimmt, den Erben in die Hände zu fallen.

Wer einen Zugriff seiner Erben auf online gespeicherte Daten verhindern möchte, kann dies nicht allein durch testamentarische Regelungen erreichen. In diesen Fällen bedarf es einer vertraglichen Vereinbarung mit dem jeweiligen Provider, dass der Account nach dem Ableben des Nutzers gelöscht wird. Mittlerweile wird diese Möglichkeit auch von einzelnen Providern in ihren Bedingungen angeboten.

Durch ausdrückliche Regelungen können Auseinandersetzungen darüber vermieden werden, ob und wenn ja von wem auf online gespeicherte Daten des Erblassers zugegriffen werden kann. Zugleich wird mit einer umfassenden rechtlichen Lösung auch sichergestellt, dass die Erben die Informationen, die sie dringend brauchen, um den Nachlass zu verwalten und abzuwickeln, rechtzeitig erhalten. Hier können Versäumnisse zu Haftungsproblemen und enormem Aufwand führen. Auch die digitale Nachlassabwicklung wird für die Erben immer wichtiger – die Pflicht zur rechtzeitigen Änderung des Impressums bei Internet-Homepages ist nur ein Beispiel.

Festgehalten werden kann somit, dass eine Nachfolgeplanung, die Fragen des digitalen Nachlasses außen vor lässt, nicht mehr zeitgemäß ist.


Über die Autoren:
Dr. Wolfram Theiss, Dr. Caroline Picot und Dr. Frank Schuck von der Rechtsanwaltskanzlei Noerr LLP beraten vermögende Privatpersonen und Unternehmerfamilien bei der Nachfolge zu Lebzeiten und von Todes wegen, bei der Gründung von Stiftungen, Familiengesellschaften und bei der Wohnsitzverlagerung sowie bei erbrechtlichen Auseinandersetzungen vor staatlichen oder Schiedsgerichten. Ferner beraten sie Privatbanken und Vermögensverwalter im Zusammenhang mit dem Estate Planning für deren Kunden.

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