Fortschritte der EU-Reformen „Der Showdown über die Bankenunion wird im Dezember stattfinden“

Markus Schuller von Panthera Solutions

Markus Schuller von Panthera Solutions

Wir beschäftigten uns in meinen letzten vier Beiträgen mit Europa. Alle guten Dinge sind fünf. In Gesprächen mit anderen Marktteilnehmern fiel mir zuletzt ein polarisierendes Interpretationsmuster auf, das ich heute thematisieren will. Entweder man sitzt im Lager der EU-Optimisten oder -Pessimisten. Ein fast dogmatisches Match, das den Nuancen im Nachrichtenfluss entwuchs.

Mit dem heutigen Beitrag will ich gegensteuern und aus der Vielzahl an Lösungsansätzen und gesetzten Schritten jene Substanz filtern, die eine Einschätzung ermöglicht, wieweit die EU tatsächlich einer Lösung näher kommt.

Hier wird bewusst die EU und nicht die Eurozone genannt, denn der Mangel an demokratischer Legitimation, Solidarität und einer gemeinsamen Vision – siehe UK – ist den den 27 Staaten der EU (EU27) gemein. Kurz gefasst: wo steht die EU in Ihrem Re-Launch Versuch?

Die große, die gute Idee von Europa

Vorweg sei auf meine oftmals artikulierte Position, quasi als Disclaimer, hingewiesen: Ich erachte die vertiefende Integration Europas als eine ökonomische sowie macht-, demokratie- und sozialpolitische Notwendigkeit. Ich will, dass Europa in 20 Jahren am Tisch der G3 sitzt – USA, EU, China. Ich vertraue dem historischen Erbe der oftmals blutig erkämpften Aufklärung in Europa, mein Wertegefüge in einer sich weiter integrierenden Weltgemeinschaft am besten zu vertreten.

EU und Euro sind nun jene Integrationsklammern, die Europa bisher am Dichtesten zusammenhalten. Um nationalistischen oder markt-induzierten Zentrifugalkräften Einhalt zu gebieten, sollte mit diesen Klammern auch weitergearbeitet werden.

Ein Wort zum Friedensnobelpreis und seiner Schmähung von so manchem Kommentator. Ich weise in Gesprächen gerne auf diese größte Errungenschaft der EU hin: der Befriedung weiter Teile des Kontinents seit mehr als 60 Jahren.

Oftmals unterschätzt, weil als selbstverständlich angenommen. Wenn wir an die Kriegsgeschichten unserer Großväter zurückdenken, sollte jeglicher Anflug an Geringschätzung dieser Errungenschaft weichen.

Wo steht nun die EU in ihrem Re-Launch Versuch?

Wir stehen an einem Punkt, an dem die Märkte, aufgrund der Symptombehandlungen durch die EZB und der ersten fixierten Institutionenreformen, bemerken, dass EU und Euro durchaus Chancen auf ein Weiterbestehen haben. Erkennbar am deutlichen Absinken der Yields:  

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Doch die Ruhe trügt. Sollten die Reformbemühungen abebben, würde auch eine EZB mit ausgeweiteten Symptombehandlungen das Gefüge nicht integriert halten können. Oder, wie ich es zuvor formulierte: „In einer Welt von epistemologischen Wahrheiten von einer letzten Chance zu sprechen, ist müßig.

Und doch nähert sich Europa einem Punkt, an dem es selbst nach Ausarbeitung des erwähnten Lösungsansatzes zu spät sein könnte, noch eine Umsetzungschance in gegenwärtiger Konstellation zu erhalten.“ Zusammengefasst: “the EU is destined to deliver”. Sehen wir uns nun an, was bereits als beschlossen abgehakt werden kann:  

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Beim Europlus Pakt wie auch beim ESM sind noch Fragen der Ausgestaltung zu klären – siehe die Junktimierung der direkten Banken-Rekapitalisierung via ESM, erst wenn eine gemeinsame Bankenaufsicht operativ tätig ist.

A propos Bankenaufsicht. Welche Themen stehen nun zur Ausarbeitung an: 

  • Bankenunion
  • EU-Budget 2014 bis 2020
  • Separates Eurozonen Budget
  • Wettbewerbsfähigkeit (Re-Industrialisierungskonzept, Abbau der Ungleichgewichte zwischen den Euroländern, Euro-Bonds)
  • Institutionenreform/Demokratiereform (Währungskommissar, separater Konvent)

Bankenunion

Womit kann die EU-Ratssitzung der vergangenen Woche aufwarten? Mit nicht viel Konkretem. Man verstand sich darauf, bis Ende des Jahres – die nächste Ratssitzung ist im Dezember – zu einer Einigung im Bereich der gemeinsamen Bankenaufsicht zu gelangen. Operativ tätig würde sie erst im Laufe des kommenden Jahres werden.

Geht es nach dem französischen Präsidenten Francois Hollande kommt die Bankenunion wohl in im ersten Quartal 2013. Geht es nach Angela Merkel, wohl erst nach der Bundestagswahl im Herbst 2013.

Wichtig ist die Einigung, dass nun die mehr als 6000 Banken des Euroraumes von der EZB letztverantwortlich kontrolliert werden und nicht, wie von Deutschland bis zuletzt verlangt, nur die system-relevanten Banken. Ein guter Schritt vorwärts.

Wenn auch nicht viel Konkretes bestimmt wurde, war es doch ein starkes Bekenntnis für eine vertiefende Integration. Viel wird über Nord- und Südländer geschrieben. Tatsächlich separiert die sich abzeichnende Bankenunion zwischen integrationswilligen und -unwilligen Ländern. Speziell Großbritannien steht zunehmend vor der Frage, ob ein Mitgliedsstatus 2. Klasse noch in seinem Interesse ist.

Noch sind wir nicht dort. Es bleibt viel zu tun.

  • Gingen Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und Irlands Enda Kenny davon aus, dass ihre Banken sich mit Start der gemeinsamen Bankenaufsicht direkt via ESM finanzieren können, um die toxischen Altlasten in den Griff zu bekommen, machten Merkel im dem Rat folgenden Pressegespräch ihre Position nochmals klar. Nach ihrem Verständnis wird es nicht zu einer „retroactive direct capitalization“ kommen, also lediglich künftige Problemfälle damit behandelt werden. Die Diskussion wird weitergehen…

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  • Auch sind die Aufgaben zwischen EZB und Europäischer Bankenaufsichtsbehörde (EBA) noch nicht klar verteilt. Großbritannien fürchtet, seinen Einfluss via EBA nicht ausreichend geltend machen zu können. Wird wohl auch so werden. Ein bisschen schwanger geht eben nicht.
  • Für Nicht-Euro-Mitglieder gibt es eine Opt-in Möglichkeit, mittels derer man der gemeinsamen EZB-Aufsicht beitreten kann. Wenn es denn nur legal wäre. Nach derzeitigem Stand widersprechen sowohl das Aufsichtsmandat, als auch die Opt-in Möglichkeit den EU-Verträgen. Nach einer Lösung wird gesucht.

    Wie in früheren Beiträgen von mir angeführt, muss eine echte Bankenunion nicht nur eine gemeinsame Aufsicht, sondern auch ein einheitliches Abwicklungsregime und eine gemeinsame Einlagensicherung beinhalten. Oder mit den Worten von Wolfgang Münchau formuliert („Warum die Bankenunion so wichtig ist“): „In einer echten Bankenunion würde die Nationalität einer Bank keine Rolle mehr spielen. Dann würden wir auch nicht mehr von deutschen und spanischen Banken reden, sondern nur noch von Banken in Deutschland und in Spanien.“ Sowie: „Mit einer echten Bankenunion braucht man sich um die europäischen Ungleichgewichte genauso wenig zu kümmern, wie man sich innerhalb Deutschlands darum schert. Kennen Sie etwa die Leistungsbilanz Bayerns?“
  • Wer kontrolliert die Kontrolleure? Wie kann die EZB in ihrer Geldpolitik unabhängig bleiben, bei gleichzeitiger Sicherstellung von demokratischer Legitimation im Aufsichtsmandat? Auch hier wird noch nach Lösungen gesucht.


Deutschland scheint sich, neben der gemeinsamen Aufsicht, auch für ein einheitliches Abwicklungsregime erwärmen zu können. Eine gemeinsame Einlagensicherung befindet sich im gleichen Topf der „no-go´s“ wie Eurobonds. Ein Konzept mit durchaus brauchbaren Vorschlägen zu allen drei Säulen einer Bankenunion wurden von Kommissar Barnier vorgelegt. Mit seinen Worten formuliert:

„The European Commission has proposed a single rulebook for banks’ capital requirements; mutual support between national deposit guarantee schemes; and Europe-wide rules for resolving failing banks that place the main burden on bank shareholders and creditors, not on taxpayers.“ Wie gesagt, besteht uns noch ein langer Weg bevor…

Zeitlicher Ablauf zum Beschluss der Bankenunion?

Für den November ist ein Haushaltsgipfel geplant, in dem eine Einigung zum EU-Budgetrahmen 2014 bis 2020 angestrebt wird. Damit verbunden die Absicht, den Ratsgipfel im Dezember für Themen zur Bankenunion frei zu halten.

Folgt man der kategorischen Veto-Drohung Camerons gegenüber dem Budget-Entwurf der Kommission und auch gegenüber jenem Kompromissangebots Deutschlands, könnte der Haushaltsgipfel platzen. Gute Vorzeichen für den Dezember-Gipfel.

Im Dezember darf dann ein Bankenunion-Showdown erwartet werden.    

Über den Autor: Markus Schuller ist Gründer von Panthera Solutions, eine Beratungsfirma für strategische Asset Allocation im Fürstentum Monaco. Zuvor war er über zehn Jahre lang als Asset Manager und Produktentwickler bei Banken und Asset Managern tätig. Er kommentiert für diverse Qualitätsmedien den Markt und referiert regelmäßig auf Konferenzen zum Thema Asset Allocation.

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