Die Schweiz ändert ihr Geschäftsmodell Bunker statt Banken

Bunker tief in den Bergen der Schweizer Alpen können Atomexplosionen standhalten und sollten Soldaten im Kalten Krieg vor einer Invasion aus dem Ausland schützen - die nie kam. Jetzt werden einige der unterirdischen Festungsanlagen zur Sicherung digitaler Daten benutzt.

Während sich die Schweiz dem Druck aus den USA und der Europäischen Union zur Lockerung des Bankgeheimnisses beugt, positioniert sich das Land neu: als Safe für Online-Identitäten.

Verbraucher und Unternehmen laden immer mehr vertrauliche Informationen hoch, um Online-Transaktionen durchzuführen. Das nährt die Nachfrage nach sicheren Rechenzentren, um die Datenbestände gegen den Zugriff von Dritten abzusichern - außer Reichweite von Kriminellen und Spionen.

„Das ist die Zukunft für dieses Land: Nicht noch mehr Geld zu lagern, sondern Daten zu lagern, die die nächste Währung sein werden”, sagt Carlos Moreira, der Gründer und Chef von Wisekey. Das Schweizer E-Security-Unternehmen verschlüsselt und speichert Informationen in einem Bunker, der etwa eine Autostunde von Zürich entfernt liegt. „Die Schweizer respektieren die Privatsphäre von Personen.”

Berichte über das Ausmaß der Spionage von Geheimdiensten haben dazu geführt, dass die Nachfrage nach den Wisekey-Dienstleistungen jeden Monat um 300 Prozent steigt, sagt er in einem geräumigen Bunkergewölbe mit Betondecke. Moreira will diesen Raum, dessen anderes Ende in düsterer Weite kaum auszumachen ist, reihenweise mit Computern füllen, die Daten von bis zu 6 Millionen Menschen speichern können.

Der Bunker nahe der Gemeinde Attinghausen ist darauf ausgelegt, ohne Versorgung von außen auszukommen. Er erhält Wasser aus einer Bergquelle und wird von einem Wasserkraftwerk in der Nähe mit Strom versorgt. Wisekey hat Server in vier Bunkern in der Schweiz und erbringt Dienste für 2000 Unternehmen und 2 Millionen Kunden.

„Das ist ein sinnvoller Schritt” für die Schweiz, „sich als sicheren Hafen für Daten neu zu vermarkten”, meint Analyst Rik Turner vom Marktforscher Ovum in London.

Auch andere Unternehmen springen auf den Zug auf. SIAG Secure Infostore aus Zug betreibt in Zusammenarbeit mit der Regierung zwei unterirdische Rechenzentren unter der Bezeichnung „Swiss Fort Knox”. Safe Host gehört ein 10.000 Quadratmeter großes Datencenter bei Genf und will im März einen weiteren nahe gelegenen Standort aufbauen.

Ein wichtiger Vorteil sei, dass „die Schweiz strenge Datenschutzbestimmungen” habe, sagt Safe-Host-Chef Gerard Sikias. Das sei der langjährigen Tradition als Zentrum für das Privatbankwesen geschuldet.

Im Zuge der Enthüllungen von Edward Snowden, dem ehemaligen Mitarbeiter der U.S. National Security Agency, über die Aktivitäten der Geheimdienste habe Wisekey eine höhere Nachfrage aus den USA verzeichnet, sagt Moreira. Das Privatunternehmen geht davon aus, dass der Großteil des Wachstums in diesem Jahr aus den USA kommen wird, so dass der Firmenchef über einen Börsengang an der Nasdaq im Jahr 2015 nachdenkt.

„Das ist wie bei einem Safe in einer Bank”, erklärt Moreira in dem Labyrinth-artigen Bunker mehrere hundert Meter unter dem Berggipfel. „Man braucht seinen Schlüssel und den der Bank, um den Safe zu öffnen. Bei uns ist das genauso, nur eben digital.”

Server in Bunker zu stellen sei „aus einer reinen Datencenter-Perspektive ein wenig exzentrisch”, sagt Steve Wallage, geschäftsführender Direktor von Broadgroup Consulting, einem Kundenberater für Datenspeicherung. Doch „einige Leute könnten sich davon beeindrucken lassen. Es ist so, als ob man zu einer Schweizer Bank geht.”

Während in einigen Bunkern Kunstwerke und andere Wertsachen aufbewahrt werden, ist die Datenspeicherung das am schnellsten wachsende Geschäft von Deltalis, sagt Konzernchef Stephan Grouitch. Seiner Firma gehört der unterirdische Bau in Attinghausen, der einst eine der größten Kommandozentralen in der Schweiz war. Deltalis kaufte den ehemaligen 50er-Jahre- Geheimbunker im Jahr 2007 von der Schweizer Regierung und eröffnete ihn 2010 als Lagerraum.

„Wir sind auf die Bedürfnisse aller Unternehmen ausgerichtet, die nach einem stabilen Standort in Europa suchen - außer Reichweite der USA”, sagt Grouitch, Karatekämpfer mit schwarzem Gürtel und ehemaliger Offizier der französischen Luftwaffe. „Das ist unseren Kunden wichtig.”

In dem Attinghausen-Bunker finden sich noch immer Hinweise auf längst vergangene Tage, beispielsweise das frühere Planungszentrum in einem Käfig, der Funksignale blockiert und für streng geheime Telefonate benutzt wurde, und verblichene Landkarten von der Schweiz und Europa mit einer Menge verschiebbarer Brigade-Figuren - wie bei der Nato.

„Angesichts des Wachstums des Unternehmens”, so Moreira, „werden wir 20 oder 30 weitere Räume wie diesen in den Schweizer Alpen brauchen.”

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