Analysten, Volkswirte & Co. Warum Dax-Prognosen nichts als Rauschen sind

Magnus Graf von Schlieffen

Magnus Graf von Schlieffen: „Wir haben keinerlei Verständnis dafür, dass man überhaupt versucht, einen Indexstand vorherzusagen.“ Foto: Breidenbach von Schlieffen & Co.

Am 2. Januar 2020 konnten die Leser des „Handelsblatt Finance Briefing“ folgenden Satz lesen:

„2020 wird die positive Stimmung an den Börsen – wenn auch etwas gebremst – weiter anhalten. Das erwarten zumindest die 30 Analysten und Volkswirte von Banken und Wertpapierhäusern, die das „Handelsblatt“ in seiner traditionellen Kapitalmarktanalyse befragt hat. Die Experten rechnen damit, dass der Dax bis Ende des nächsten Jahres auf 13.999 Punkte klettern wird. Das wäre noch einmal ein Plus von rund fünf Prozent – und ein neues Allzeithoch. Der heimische Leitindex würde den bisherigen Rekord-Schlusskurs von 13.559 Zählern aus dem Jahr 2018 übertreffen.“

Am 28. Dezember 2017 las sich die Überschrift des traditionellen Artikels wie folgt:

„Das Handelsblatt hat 32 Volkswirte und Analysten zu ihren Prognosen für das nächste Jahr befragt. Das Ergebnis: Der Dax wird weitere Höchststände erreichen. Die gute Konjunktur bleibt Treiber für höhere Gewinne.“

Was aus 2018 wurde, haben hoffentlich noch alle in Erinnerung. Es ist zwar richtig, dass 2018 Ende Januar Höchststände erzielt wurden. Von dort an ging es an den Weltbörsen bergab. Warum das so war, haben wir in den Blogs „Hochmut kommt vor dem Fall“ sowie „Nach der Party kommt der Kater“ weitgehend beschrieben.

Wir sind nicht daran interessiert, das „Handelsblatt“ zu kritisieren. Die Redakteure geben sich viel Mühe und sammeln die Daten der Analysten, stellen diese zusammen und erstellen daraus einen verständlichen Artikel.

Unsere Kritik gilt den Analysten, die ihre Schätzungen abgeben. Ende 2017 lag die Schätzung für den Dax-Index zum Jahresende bei 14.000 Punkten. Diese Prognose wurde um 3.500 Punkte beziehungsweise 25 Prozent verfehlt. Ende 2018 lag die Prognose der 30 Analysten für den Endstand 2019 bei 12.053 Punkten. Diese Prognose wurde um 1.300 Punkte beziehungsweise 10,6 Prozent verfehlt. Entsprechend ist das Eintreten der Prognose von 14.000 Punkten recht unwahrscheinlich.

Wir haben keinerlei Verständnis dafür, dass man überhaupt versucht, einen Indexstand vorherzusagen. Ein Index ist das Abbild der Entwicklungen vieler Aktien. In unseren Blogs haben wir schon mehrfach geschrieben, dass der wichtigste Treiber für Aktienkurse die erwarteten Gewinnentwicklungen beziehungsweise deren Revisionen sind. Wenn man als Analyst einen Indexstand vorhersagen will, muss man also die Gewinnerwartung kennen, die potentielle Abweichung der erzielten Gewinne von den erwarteten Gewinnen, muss dieses mit der Indexgewichtung des Unternehmens gewichten und daraus eine Prognose errechnen.

Es ist einfacher das Wetter vorherzusagen. Wir hatten noch nie den Eindruck, dass auch nur irgendein Analyst einen zukünftigen Indexstand tatsächlich berechnet. Das ist reine Kaffeesatzleserei. Wie beim Wetterbericht wird in der Regel das vorhergesagt, was gerade herrscht.