Kurz vor der Wahl zum 45. Präsidenten der USA sorgen die Umfragewerte noch einmal für Spannung: Ausgelöst durch die wieder hochgekochte E-Mail-Affäre der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton kann Rivale Donald Trump den Abstand noch einmal verkürzen, in einigen Umfragen liegen beide sogar wieder gleich auf. Durch das Ringen der beiden ungleichen Bewerber um die US-Präsidentschaft sind die Wahlen zum US-Kongress in den Hintergrund getreten.
Zu Unrecht, meinen Philippe Ithurbide, Leiter Research, Strategie und Analyse global bei Amundi und Didier Borowski, der bei dem Vermögensverwalter den Bereich Makroökonomie verantwortet. In ihren Augen ist die künftige Zusammensetzung des US-Kongresses für die Wirtschaft sogar noch bedeutsamer als der Ausgang des Duells Clinton gegen Trump. Daher haben beide folgende drei Szenarien entwickelt und deren Auswirkungen in untenstehender Tabelle dargestellt.
- „Clinton Light“
Hillary Clinton wird Präsidentin. Ihr Programm steht – abgesehen von einigen Zugeständnissen an den linken Flügel – mehr oder minder im Einklang mit der Haltung der Demokraten. Je nach Mehrheitsverhältnissen im Kongress ist zu erwarten, dass Clinton einige Anpassungen ihre Programms vornehmen muss – Wahrscheinlichkeit 80 Prozent.
- „Trump Light“
Donald Trump wird Präsident. Sein „unkonventionelles“ Programm findet auch bei vielen Republikanern keine Zustimmung – vor allem die extrem wachsende Staatsverschuldung. Es ist zu erwarten, dass er unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Kongress erhebliche Anpassungen seines Programms vornehmen muss – Wahrscheinlichkeit 19 Prozent.
- „Trump - volles Programm“
Donald Trump wird Präsident und kann sein Programm mehr oder minder unverändert umsetzen – Wahrscheinlichkeit 1 Prozent.
Die Auswirkungen der drei Szenarien im Einzelnen:
Szenario | Hillary Clinton wird zur US-Präsidentin gewählt | Donald Trump wird zum US-Präsident gewählt, muss aber sein Programm revidieren | Donald Trump wird zum US-Präsident gewählt und kann sein Programm umsetzen |
Vize-Präsident | Timothy Michael „Tim" Kaine |
Michael Richard „Mike" Pence |
Michael Richard „Mike" Pence |
Programm | Clinton „Light“ | Trump „Light“ | Trump „volles Programm“ |
Kommentar | Clinton kann nicht ihr vollständiges Programm durchsetzen. Selbst wenn die Mehrheit des Senats demokratisch wird, muss sie mit dem Kongress verhandeln. Ein „Clinton Lite" ist wahrscheinlich. | Trump ist gezwungen, einen Teil seines Programms aufzugeben – und zwar unabhängig von der neuen Zusammensetzung des Repräsentantenhauses. Das neue Programm ist realistischer und treibt das Defizit weniger in die Höhe. | Umsetzung des (annähernd) vollständigen Programms von Trump |
Wahrscheinlichkeit | 80 % | 19 % | 1 % |
Auswirkung auf die US-Wirtschaft | Clintons Wirtschaftsprogramm setzt Impulse für den Konsum und den Arbeitsmarkt durch höhere Ausgaben, die durch Steuererhöhungen bei sehr Vermögenden und Unternehmen finanziert werden. Das BIP wird moderat wachsen; wenn Clinton ihr Konjunkturprogramm umsetzen kann, sogar noch etwas mehr. | Leicht positiver Effekt auf das US-Wachstum; eine Rezession wird verhindert. | US-Wachstum sinkt; Rezession. |
Auswirkung auf das Defizit | Moderat. Auf Sicht der nächsten 10 Jahre sollten sich die Auswirkungen auf insgesamt $ 200 Mrd. belaufen. | Moderat. Mit Blick auf die unvermeidbaren Zugeständnisse an den Kongress. Die Auswirkung auf die Staatsverschuldung hängt vom Ausmaß der Zugeständnisse ab. Insgesamt sollte sie wie für das Programm von Clinton neutral sein. | Schwerwiegende Auswirkung infolge der Steuersenkung und der anfänglich negativen Folgen für die Konjunktur. Auf Sicht der nächsten 10 Jahre sollten sich die Auswirkungen auf insgesamt $ 5,3 Billionen belaufen. |
Auswirkung auf Welthandel | Keine beziehungsweise geringe Auswirkung; kein zusätzlicher Stimulus für die US-Wirtschaft durch globalen Handel. | Die Störung des Welthandels wäre limitiert, kein Schaden für den Welthandel. | Starke Störung des Handels mit betroffenen Staaten (USA, China, Mexiko). Erheblicher Schaden für den Welthandel. Weitere Globalisierung ist zwangsläufig. |
Auswirkung auf Inflation |
Sehr moderater Anstieg, Inflation unter Kontrolle. | Höhere Inflation mit letztlich leicht höherem Wachstum. | Höhere Importpreise infolge von Zöllen und den Auswirkungen auf das Preisniveau |
Auswirkung auf Arbeitsmarkt |
Für ein einfacheres Einwanderungsrecht ist die Zustimmung des Kongresses erforderlich. Programme für einen bezahlten Familienurlaub und Kleinkindunterstützung werden lange Verhandlungen erfordern. | Interesse der Industrie, die von günstigen ausländischen Arbeitskräften profitiert, und Trend zu mehr Nationalismus wird nach der Wahl weiter divergieren. | Mehr Nationalismus läuft dem Interesse der Industrie zuwider, die derzeit von günstigen ausländischen Arbeitskräften profitiert. |
Auswirkung auf Volatilität von Aktien- und Wechselkursen |
Keine spezifische Auswirkung | Zumindest anfänglich signifikant höher | Erheblich höhere Volatilitäten |
Auswirkung auf Geldmarktpolitik | FED sollte ihre lockere geldpolitische Haltung beibehalten. Kein spezieller Druck auf den Vorsitzenden der FED oder auf Mitglieder des Federal Open Market Committee. | Keine Erhöhung des Leitzinses im Dezember. Wiederaufnahme des Zinserhöhungszyklus in 2017. | Keine Erhöhung des Leitzinses im Dezember. Die FED würde die geldpolitische Straffung wegen der negativen Auswirkungen auf das Wachstum unterbrechen. Ein QE4 würde später in Betracht gezogen. |
Auswirkung auf US-Anleihen |
Langfristig keine spezifischen Auswirkungen; kurzfristig leichter Anstieg bei den langfristigen Zinsen infolge der Erhöhung der Leitzinsen im Dezember. | Anfänglicher Anstieg der langfristigen Zinsen wegen der Erwartung eines höheren Defizits; dann Rückgang. | Anfänglicher starker Anstieg der langfristigen Zinsen wegen der Erwartung eines deutlich höheren Defizits. Wegen der negativen Auswirkungen auf das Wachstum würde die FED die Geldpolitik lockern, was die langfristigen Zinsen erheblich unter Druck setzt. |
Auswirkung auf den US-Dollar |
Langfristig keine spezifischen Auswirkungen; kurzfristig negativ für den USD gegen den Mexikanischen Peso und den Kanadischen Dollar. Positiv gegenüber führenden Währungen infolge der Leitzinserhöhung im Dezember. | Mittelfristig positiv für den USD, wenn die Pläne zur fiskalischen Expansion nicht blockiert werden und der Nutzen der Repatriierung nicht abnimmt. Fertigstellung der Keystone XL Öl-Pipeline, die von Obama blockiert wird, sollte den Ölpreis drücken und dem USD Auftrieb verleihen. Kurzfristig positiv für den USD gegen den Mexikanischen Peso und den Kanadischen Dollar, negativ gegenüber führenden Währungen. | Kurz- und mittelfristig positiv für den USD, wenn die Pläne zur fiskalischen Expansion nicht blockiert werden und der Nutzen der Repatriierung nicht abnimmt. Fertigstellung der Keystone XL Öl-Pipeline, die von Obama blockiert wird, sollte den Ölpreis drücken und dem USD Auftrieb verleihen. Langfristig weniger positiver Effekt, vor allem wenn die Verschuldung dramatisch ansteigt und die FED zu einer Politik des QE zurückkehrt. Kurzfristig positiv für den USD gegen den Mexikanischen Peso und den Kanadischen Dollar, negativ gegenüber führenden Währungen. |
Auswirkung auf US-Unternehmensanleihen |
Kurzfristig (limitiert) von Vorteil (Ende der Unsicherheit) – kein dominanter Trend. Positiver Effekt auf Ausbildung und Infrastruktur. Zu beachten sind eine höhere Regulation von Finanzdienstleistern und die Besteuerung des Energiesektors (Wegfall von Steueranreizen auf fossile Energien); geänderte Besteuerung der von Konzernen (vor allem Tech-Giganten) im Ausland gehaltenen Cash-Reserven. Diese haben ein Rekordniveau von 2.5000 Milliarden US-Dollar erreicht. | Negative Reaktionen der Kreditmärkte, Underperformance des High-Beta-Segments. Wegen der starken Anfälligkeit der US-Wirtschaft für Zinserhöhungen ist Vorsicht geboten. Verschuldung von Unternehmen erreicht Allzeithoch. Unternehmen mit Produktionseinheiten in Mexiko sind Währungsrisiken und der USD-Aufwertung ausgesetzt. | Negative Reaktionen der Kreditmärkte, Underperformance des High-Beta-Segments. Wegen der starken Anfälligkeit der US-Wirtschaft für Zinserhöhungen ist Vorsicht geboten. Verschuldung von Unternehmen erreicht Allzeithoch. Unternehmen mit Produktionseinheiten in Mexiko sind Währungsrisiken und der USD-Aufwertung ausgesetzt. Signifikanter Anstieg von Ausfallraten. |
Auswirkung auf US-Aktien |
Positivere Reaktion der Finanzmärkte als bei einer Wahl von Trump wegen der geringeren Unsicherheit. Aber wegen Steuererhöhungen und strengerer Regulation der Finanzbranche kein generell positiver Effekt. Sektoren: Positiv für Bildung und Infrastruktur, negativ für Finanzdienstleister. |
Zumindest anfangs negative Reaktion wegen der höheren Unsicherheit bei der Wahl von Trump und der verbreiteten Risikoaversion. Sektoren: Selbst nach Verhandlungen mit dem Kongress sollte der Infrastruktursektor von höheren Ausgaben profitieren. Der überverkaufte Gesundheitssektor könnte auch profitieren. Fokus auf Binnenstrategien und Small-Cap-Aktien. | Zumindest anfangs negative Reaktion wegen der höheren Unsicherheit bei der Wahl von Trump und der verbreiteten Risikoaversion. Sektoren: Verteidigung und Infrastruktursektor sollten von höheren Ausgaben profitieren. Der überverkaufte Gesundheitssektor könnte auch profitieren. Fokus auf Binnenstrategien und Small-Cap-Aktien. |
Auswirkung auf Gold |
Keine spezifischen Auswirkungen, allenfalls leichter Preisrückgang infolge geringerer Unsicherheit. | Anfänglich ist eine steigende Nachfrage zu erwarten. | Steigende Goldkäufe als „Save Haven“ sind in einem Umfeld von wirtschaftlichem, geopolitischen und finanziellen Stress zu erwarten. |
Auswirkung auf Emerging Markets |
Recht positiv dank der lockeren FED-Geldmarkt-politik sowie der schrittweisen Verbesserung der Fundamentaldaten von Emerging Markets. | Anfängliche Schwächung infolge der Unsicherheit (Zölle, Diplomatie, globales Wachstum und globaler Handel) und der höheren Risikoaversion. Wegen Trumps Haltung zu Russland können russische Papiere und der Russische Rubel von der Lockerung der Sanktionen profitieren. | Schwächung wegen protektionistischer Maßnahmen und der höheren Risikoaversion. Negative Auswirkungen auf den Handel mit Mexiko und China. Erhebliche Abwertung des RMB mit erheblichen Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte. Russische Assets und der Rubel könnten die großen Gewinner gelockerter Sanktionen sein. |
Auswirkung auf Europa |
Keine spezifischen Auswirkungen | Anfängliche Schwächung aufgrund der Furcht vor einer protektionistischen Politik und der Unsicherheit | Schwächung wegen protektionistischer Maßnahmen und der höheren Risikoaversion. Die langfristigen US-Zinsen werden die europäischen langfristigen Zinsen moderat nach oben treiben. |