Das stärkste Argument für den Bau und den Betrieb von Atomkraftwerken lautet, dass diese ohne größere Emissionen von Treibhausgasen 24/7 Strom erzeugen. Vor diesem Hintergrund hatte die Internationale Energieagentur IEA schon 2022 festgestellt, dass sich die Kapazitäten der Atomkraftwerke weltweit verdoppeln müssten, um die für 2050 gesetzten Klimaziele zu erreichen.
Bei der UN-Klimakonferenz in Dubai, kurz Cop 28 genannt, haben sich im vergangenen Jahr 20 Länder dazu verpflichtet, ihre Kernenergie-Kapazitäten bis 2050 – verglichen mit dem Stand des Jahres 2020 – sogar zu verdreifachen. Zu den Unterzeichnern der Erklärung zählten unter anderem die USA, Frankreich und Großbritannien, aber auch das von der Nuklearkatastrophe von Fukushima gezeichnete Japan. Derzeit befinden sich weltweit 60 Reaktoren im Bau, weitere 110 sind geplant.
Falsche Annahmen
Beim Thema Kernenergie gilt es, einige Mythen richtigzustellen. Zwar emittieren AKWs bei der Stromproduktion tatsächlich kaum CO2. Allerdings entstehen beispielsweise beim Uranabbau, beim Kraftwerksbau oder -rückbau sowie bei der Lagerung der Atomabfälle Treibhausgase.
Gleichzeitig ist die Endlagerung des Atommülls weiterhin ungeklärt. Schon seit Jahren wird angekündigt, dass eine neue Generation von kleineren Kernkraftwerken künftig Strom produzieren könnten, ohne dass größere Mengen radioaktiven Abfalls anfallen würden. Bislang ist es bei diesen Ankündigungen geblieben.
Auch die Annahme, dass Kernenergie günstig sei, ist schlichtweg nicht richtig. Die geplanten Bauzeiten und Kosten neuer Atommeiler stimmen selten – und zwar nicht einmal annäherungsweise. Beispielsweise wird der erste von zwei Reaktoren des Kernkraftwerks Hinkley Point C im englischen Somerset nach dem derzeitigen Stand nicht wie geplant im kommenden Jahr, sondern frühestens 2031 den Betrieb aufnehmen. Und die Kosten explodieren. Mittlerweile steht ein Betrag von deutlich mehr als 30 Milliarden Euro im Raum. Geplant waren ursprünglich Kosten von 21 Milliarden Euro.
Dabei werden die Kosten von Kernkraftwerken regelrecht schöngerechnet. In Deutschland waren Atomkraftwerke beispielsweise haftpflichtversichert. Allerdings war die Versicherungssumme bei einigen Hundert Millionen Euro gedeckelt. Warum? Die Versicherungen, die so ziemlich alles versichern, wo es Geld zu verdienen gibt, mögen das Geschäft mit den Kernkraftwerken nicht, weil ihnen offenbar die Risiken zu wenig kalkulierbar und zu groß sind.
Die Folge ist, dass Kernkraftwerke unterversichert sind und die Risiken sozialisiert werden. Kommt es zu einem Gau, werden die Kosten der Schäden nur zu einem kleinen Teil von den Versicherern getragen. Der sehr viel größere Rest wird auf die Gesellschaft umgelegt. Außerdem lassen sich bislang die Kosten für die Endlagerung nicht kalkulieren, da überhaupt nicht klar ist, wo der Atommüll langfristig aufbewahrt werden soll. Sicher ist nur, dass die Endlagerung sehr teuer wird. Die Rückstellungen der AKW-Betreiber werden dafür wohl kaum reichen.
Eine weitere Kostenfalle zeigt sich am Beispiel des AKWs Hamm-Uentrop, das schon 1989 vom Netz ging. Dessen Betreibergesellschaft meldete jetzt Insolvenz an. Die Kosten für den Rückbau in Höhe von schätzungsweise einer Milliarde Euro soll jetzt der Bund und damit der Steuerzahler übernehmen.
Abgesehen von den Risiken, die Kernenergie mit sich bringt, und die hohen Belastungen für Menschen sowie Umwelt, die der Uranabbau, der Betrieb der Atommeiler und die Lagerung des Atommülls verursachen, handelt es sich bei AKWs einfach auch um wirtschaftlich schlechte Investments.
Über den Gastautor
Der Autor Oliver Fischer ist Partner und Präsident des Verwaltungsrates bei der Arete Ethik Invest und für das Relationship- und Solutions-Management tätig. Bevor der Diplom-Betriebswirt zur Arete Ethik Invest wechselte, arbeitete Fischer für das Privatbankhaus Hauck Aufhäuser Lampe.