Liberalisierung des Kapitalverkehrs
Weitere Reformen, die im Interesse von Chinas langfristigem Wachstum in Angriff genommen werden müssen, betreffen die Liberalisierung der Währung und die Öffnung der Kapitalbilanz. Um mehr ausländisches Kapital anzuziehen, will die Volksrepublik seinen heimischen Anleihemarkt vollständig für ausländische Investoren öffnen. Dies ist historisch gesehen einer der wichtigsten Schritte in Richtung Liberalisierung.
Gleichzeitig wissen die politischen Instanzen aber auch, dass Kapital weiterhin aus dem Land abfließen wird. Denn inländische Investoren wollen ihre Investments diversifizieren oder ihr Währungs- beziehungsweise Geschäftsrisiko absichern.
Einerseits müssen die Behörden die Zyklizität dieses Prozesses steuern und andererseits müssen sie einen Mechanismus schaffen, der die Abflüsse ausgleicht. Natürlich muss man davon ausgehen, dass das globale Portfoliokapital an solch einem großen Markt beteiligt sein wird.
Ende 2015 war Chinas heimischer Anleihemarkt mit ausstehenden Titeln im Wert von zirka 7,5 Billionen US-Dollar der drittgrößte Bondmarkt der Welt. Nur der amerikanische und der japanische Markt sind größer. Von Staatsanleihen abgesehen, ist Chinas Kreditmarkt mittlerweile der zweitgrößte der Welt.
Chinas erklärtes Ziel ist, bis 2020 Japan zu übertreffen. Die ausstehende Marktkapitalisierung soll dann 100 Billionen Renmimbi betragen. Das entspricht zu aktuellen Kursen in etwa 15 bis 16 Billionen US-Dollar.
Anleihemarkt: Spielraum für Wachstum
Damit die Öffnung des Anleihemarktes von Anfang an ein Erfolg ist, müssen die Entscheidungsträger eine jähe Abkühlung der Wirtschaftstätigkeit vermeiden. Denn dies könnte erneut eine Kapitalflucht auslösen.
Das würde nicht nur übermäßigen Druck auf die Währung bedeuten, sondern könnte die Behörden auch dazu zwingen, ihre Prioritäten im Hinblick auf die Liberalisierung der Kapitalbilanz zu ändern. Im Ergebnis könnte es zu einer Beschränkung der Portfolioabflüsse kommen. Etwaige neue Beschränkungen der Kapitalrückführung würden von ausländischen Investoren jedenfalls nicht gerne gesehen.
Von zyklischen und kurzfristigen Faktoren abgesehen, lässt sich nicht leugnen, dass der chinesische Anleihemarkt – trotz seines bereits beträchtlichen Umfangs und des jüngsten rapiden Wachstums – immer noch erheblichen Spielraum für weitere Zuwächse bietet. Was das Marktvolumen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt betrifft, könnte China noch gegenüber Industrieländern und auch einigen Wachstumsmärkten aufholen.
Angesichts des im Vergleich zu den Industrieländern und anderen Schwellenländern verschwindend geringen Anteils ausländischer Beteiligungen wird der chinesische Anleihemarkt künftig beträchtliche Kapitalströme anziehen. Die jüngste Öffnung des Anleihemarktes stellt insofern einen Paradigmenwechsel dar.