Zinsspezialist Mario Eisenegger Grüne Anleihen profitieren vom EU-Wiederaufbaufonds

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Aus der Sicht eines Anleihe-Anlegers müsste der Markt für Green Bonds jedoch breiter diversifiziert sein, denn für die Konstruktion eines Portfolios gibt es Grenzen, wie sich anhand des Merrill Lynch Green Bond Index darstellen lässt: Fünfzig Prozent der Anleihen im Index haben ein Rating von AA oder besser. Nach Branchen aufgeschlüsselt sind 49 Prozent der Schuldner entweder Staaten oder quasi-staatliche Emittenten. Versorgungsunternehmen und Banken beanspruchen 21 beziehungsweise 16 Prozent des verbleibenden Indexgewichts.

Das zeigt: Die entscheidende Aufgabe wird es sein, den Markt weiter zu vertiefen und zu diversifizieren. Aktuell ist es noch schwer, nur mit Green Bonds ein liquides und gut diversifiziertes Portfolio mit ausreichendem Kreditrisiko aufzubauen. Das belastet die Risiko-Rendite-Abwägung. Auch bei Bloomberg finden sich derzeit nur 55 hochverzinsliche Anleihen – von 36 Emittenten – mit einem Bloomberg-Composite-Kredit-Rating.

Insgesamt erkennen Unternehmen mehr und mehr die Möglichkeiten, die der Markt für Green Bonds bietet. So hat der spanische Finanzdienstleister BBVA erst dieses Jahr seine erste grüne Coco-Anleihe emittiert. Damit ist die Debatte eröffnet, ob eine Anleihe sowohl als Kapital- als auch als grünes Finanzierungsinstrument eingesetzt werden sollte. Meiner Ansicht nach kommt es vor allem auf die Verwendung der Erlöse und die Transparenz an. Und wir können erwarten, dass die EU-Taxonomie in diesem Bereich für mehr Klarheit sorgen wird.

EU Green Bonds schon 2021?

Im Moment steht noch nicht fest, ab wann Anleger die Green Bonds der EU in ihre Portfolios aufnehmen können, denn die Vereinbarungen zum Wiederaufbaufonds müssen noch einige parlamentarische Hürden zur Ratifizierung überwinden. Wenn alles gut geht, soll das erste Emissionspaket Anfang 2021 begeben werden. Ob dieses schon Green Bonds umfassen wird, ist noch unklar.

Da die Vorbereitung einer Anleiheemission typischerweise zwei bis drei Monate dauert, könnten wir also bereits im vierten Quartal dieses Jahres mit mehr Informationen rechnen. Zuvor könnte die EU schon im September mit der Ausgabe von Anleihen für das Programm zur Unterstützung zur Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Krise (Support to migating unemployment risks in an Emergency, Sure) beginnen. Diese Instrumente werden wahrscheinlich aber nicht als Green Bonds aufgelegt, denn mit Hilfe der Erlöse sollen die unmittelbaren Herausforderungen der Pandemie bewältigt, nicht jedoch umweltfreundliche Projekte finanziert werden. 

Last but not least: Die Technical Expert Group (TEG), die die EU-Kommission bei der Entwicklung der EU-Taxonomie sowie des EU-Standards für Green Bonds unterstützt, ist noch dabei, die Screening-Kriterien für bestimmte Marktsegmente zu definieren. Möglicherweise müssen wir also noch etwas länger warten, bis die EU grüne Anleihen in großem Umfang emittiert. Doch wenn alle Gelder voll ausgeschöpft und ausgezahlt werden, könnte die EU nach der Analyse von Morgan Stanley bis 2025 insgesamt zwischen 800 und 900 Milliarden Euro begeben. Und ein Teil dieser Neuemissionen wird mit ziemlicher Sicherheit als Green Bonds auf den Markt kommen.


Über den Autor:
Mario Eisenegger arbeitet seit 2015 für die britische Fondsgesellschaft M&G. Er ist Spezialist für festverzinsliche Anlagen. Sein Fokus liegt vor allem auf Hochzinsanleihen und nachhaltigen Anlagen. Vor seinem Einstieg bei M&G war Eisenegger Privatkundenberater bei der Schweizer Bank UBS.

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