Zeitgemäße Anlagerichtlinien ESG-Kriterien müssen verankert werden

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Eine dritte, eher technische Rahmenbedingung für die Integration von ESG-Kriterien in die Kapitalanlage ist das entsprechende Informationsangebot von ESG-Rating-Agenturen. Wer bei der Kapitalanlage die Nachhaltigkeitsleistungen von Emittenten berücksichtigen will, benötigt entscheidungsrelevante Informationen darüber, wie die einzelnen Emittenten mit ESG-bezogenen Standards und Herausforderungen umgehen. Diese Informationen stammen heute häufig von ESG-Rating-Agenturen wie MSCI ESG oder ISS ESG. Sie sind darauf spezialisiert, Unternehmen und Staaten im Hinblick auf eine Vielzahl von nachhaltigkeitsbezogenen Kriterien zu bewerten. Ausschluss- oder Positivkriterien, die durch die ESG-Rating-Agenturen nicht regelmäßig abgedeckt werden, sind in der Kapitalanlage nicht oder nur zu hohen Kosten abbildbar.

Strategien und Kriterien der nachhaltigen Kapitalanlage

Von zentraler Bedeutung für die Gestaltung der Anlagerichtlinien sind schließlich die individuellen Definitionen des Investors im Hinblick auf die zu berücksichtigenden ESG-Strategien und -Kriterien. In ihnen kann er konkret definieren, welche Branchen und Emittenten aus finanziellen oder ethischen Gründen nicht ins Portfolio gelangen sollen und in welche Branchen und Emittenten er bevorzugt investieren will. Damit sind zwei der insgesamt drei gängigen nachhaltigkeitsbezogenen Anlagestrategien bereits angesprochen, die man als „Triple A“ der nachhaltigen Kapitalanlage bezeichnen kann:

  • der Ausschluss von Emittenten auf der Basis von sogenannten Ausschlusskriterien,
  • die Auswahl auf Basis von Positivkriterien und Best-in-Class-Ansatz und
  • die Ansprache von Unternehmen im Rahmen bilateraler Dialoge oder durch Nutzung der mit Aktien verbundenen Rede- und Stimmrechte auf Hauptversammlungen.

Mit dem Einsatz von Ausschlusskriterien werden Unternehmen vom Investment ausgeschlossen, die ihr Geld mit aus Sicht der Investoren kontroversen Produkten verdienen, zum Beispiel der Herstellung von Waffen oder Tabakwaren, oder durch ein kontroverses Geschäftsverhalten, beispielsweise die Verstrickung in Arbeits- oder Menschenrechtsverletzungen, auffallen. Von normbasierten Ausschlusskriterien spricht man, wenn sich die Kriterien auf eine international anerkannte Norm oder ein entsprechendes Abkommen beziehen. Beispiele hierfür sind die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder die zehn Prinzipien des UN Global Compact.

Bei einigen Geschäftsfeldern sind die Übergänge zwischen finanziellen und ethisch-nachhaltigen Motiven für den Ausschluss von Emittenten fließend. So kann das aktuell populäre Divestment aus Unternehmen, die thermale Kohle abbauen oder verstromen, sowohl mit dem Hinweis auf die mit dem Kohleausstieg zahlreicher Staaten – in Deutschland bis spätestens 2038 – verbundenen finanziellen Risiken für die entsprechenden Unternehmen als auch unter Verweis auf die schädlichen Wirkungen der Kohle auf das Klima und die damit verbundenen ökologischen und sozialen Folgen begründet werden.

Durch die Nutzung von Positivkriterien werden Emittenten identifiziert, die die Anforderungen der Anleger besonders gut erfüllen. Bei der Auswahl von Aktien und Unternehmensanleihen wird dabei häufig der sogenannte Best-in-Class-Ansatz angewendet. Ziel ist es hier, die Nachhaltigkeitsleistungen der Unternehmen umfassend zu bewerten und innerhalb der einzelnen Branchen die Unternehmen zu identifizieren, die sich in besonderem Maße für eine nachhaltige Entwicklung engagieren beziehungsweise am besten mit den nachhaltigkeitsbezogenen Risiken und Chancen umgehen. In der Praxis kombinieren viele Investoren die Anwendung des Best-in-Class-Ansatzes mit der Nutzung von Ausschlusskriterien.

Umsetzung systematisch kontrollieren

Neben den inhaltlichen Vorgaben für die Bewertung und Auswahl von Anlageklassen und Emittenten sollten die Anlagerichtlinien auch Vorgaben für die Zuständigkeiten für die Kapitalanlagen innerhalb der Organisation sowie für Controlling und Reporting enthalten. Letztere haben dabei verschiedene Funktionen: Bei Institutionen, die unter die entsprechenden Regulierungen fallen, dienen sie dem Nachweis dafür, dass die jeweiligen Vorgaben eingehalten werden. Sofern mit den Regelungen – wie beispielsweise bei ARUG II und der Offenlegungsverordnung – auch Veröffentlichungspflichten verbunden sind, bilden sachgerechte Kontroll- und Überwachungstätigkeiten hierfür die Basis. Häufig greifen Vermögensträger hierbei aufgrund fehlender personeller, fachlicher und zeitlicher Ressourcen auf externe Fachleute zurück. 

Für Investoren, die ESG-Kriterien in ihrer Kapitalanlage insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Ziele und Werte berücksichtigen, beispielsweise kirchliche Anleger und Stiftungen, stellt ein Verstoß gegen die eigenen Satzungen ein Reputationsrisiko dar. Hier schützt ein systematisches Controlling vor Reputationsverlusten. Bei Institutionen, die wie Stiftungen und caritative Einrichtungen im Wettbewerb um Spenden, Sponsoring und Zustiftungen stehen, können ein systematisches Controlling und ein hohes Maß an externer Transparenz schließlich ein wichtiges Argument beim Werben um finanzielle Mittel sein. Aber auch die Einhaltung von Sorgfaltspflichten, um Haftungsrisiken zu reduzieren, sind für die Verantwortlichen Anforderungen, die es zu erfüllen gilt. 


Über die Autoren:
Rolf Häßler ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für nachhaltige Kapitalanlage (NKI) in München. In seiner bisherigen beruflichen Laufbahn arbeitete der Bankkaufmann und Diplom Ökonom für die Imug Beratungsgesellschaft für sozial-ökologische Innovationen, das Institut für Ökologie und Unternehmensführung an der European Business School und die Münchener Rückversicherung. Bei der Nachhaltigkeits-Rating-Agentur Oekom Research war Häßler für die Kommunikation und die Produktentwicklung verantwortlich.

Alexander Etterer ist Diplom-Betriebswirt (FH), Partner und Leiter des Geschäftsbereichs „Wealth, Reporting & Controlling“ bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Rödl & Partner. Etterer ist seit 1998 für Rödl & Partner tätig, seit 2015 ist er Partner. Zu seinen Beratungsschwerpunkten zählen die Planung, Steuerung und Kontrolle von Anlageportfolios semiprofessioneller Investoren, Performance-, Kosten- und Risikoanalyse von Wertpapierdepots- und Spezialfonds sowie das Vermögens-Reporting und -Controlling vermögender Privatpersonen.

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