Zehn Jahre nach dem Ende Nachruf auf die Dresdner Bank

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Die Beraterbank

Böse Zungen behaupten, die Beraterbank hieße nie der Beratung der Kunden wegen so, sondern wegen der paradiesischen Verhältnisse der Unternehmensberater in den Vorstandsetagen. Wenn man sich die Geschwindigkeit der Umstrukturierungen, der Umbenennungen von Vertriebseinheiten  und Geschäftsbereichen vor Augen führt, wird einem heute noch schwindelig.

Die Krönung aber war die Beauftragung einer amerikanischen Firma, die den Beratern, die Verkäufer werden mussten, das Finanzdoktor-Modell einimpfen sollte. Der alte Trick, dass durch die Befragung des Patienten schon ein gutes Gefühl einsetzt, sich aufgehoben zu fühlen. Während sich die verkaufbaren Produkte immer weiter reduzierten, wurde das themenbreite Verkaufsgespräch zum Cross-Selling-Schlüssel. Darüber hinaus wurden neue Vertriebsrunden eingeführt, und regelmäßige Schulungen auf Röhrenfernsehern angeschaut, in denen die beiden Erfinder des Finanzdoktor-Modells in einem Besprechungsraum darüber referierten, wie man sich motiviert und – aufgemerkt – warum man mit Kollegen, die weiterhin nur beraten und nicht verkaufen wollen, nicht zum Mittagessen gehen sollte.

Stilistisch erinnerten diese unsäglichen Videos an amerikanische Werbespots für Gemüseschneider, die in österreichischen Garagen billigst synchronisiert wurden, und erzeugten auch exakt die gleiche Glaubwürdigkeit. Natürlich war der ganze Spuk für die Beraterschaft, die ihr Handwerk wirklich gelernt hat, nie ernst zu nehmen. Natürlich war es den Führungskräften anzusehen, wie unsäglich peinlich sie selbst diese Infiltration fanden. Und natürlich hielt der Glaube der Bankführung an diese Gehirnwäsche genauso lange wie eine Phase zwischen zwei Umstrukturierungen: etwas mehr als ein Jahr.

Das Klima wurde derweil rauer: die sympathische Mitarbeiterzeitung „Wir“ hieß plötzlich „dresdner banker“ und glorifizierte jede Umstrukturierung frenetisch. Die Versuche, sich von Beratern, die auch weiter beraten wollten, zu trennen, läuteten an vielen Stellen eine goldene Ära des Betriebsrats ein.

Die Verkäufer erzeugten im Private Banking hohe Margen, die immer weiter stiegen. Zertifikate, Themenfonds aus der schlauen Produktwelt des Mutterkonzern, in der man beispielsweise entdeckte, dass die Chinesen uns die Milch wegtrinken, Garantien-Anleihen und erste Versuche, Privatkunden Vermögensverwaltungsstrategien zu verkaufen, steigerten die Bereicherung an der Substanz der Kunden. So richtig freuen konnten sich die Verkäufer darüber nie, schließlich war das Investment Banking immer vier Schritte im eigenen Konzern voraus – und wer fragte 2006 schon nach Risikokosten.

Die Kooperation mit dem Mutterkonzern sah vor, dass im Private Banking ein Allianz-Mitarbeiter ins Team kam. Das erzeugte merkwürdige Konstellationen: als würde man Pferde in einem Rotwildgehege aussetzen. Die Allianzer waren ausgezeichnete und unerschrockene Verkäufer. Menschlich nahbar versteckten sie ihre Verunsicherung nicht hinter Arroganz, wie wir Banker es zu oft tun.

Dem Verkauf der Versicherungsprodukte haben sich die Banker verschlossen – es behinderte ihren Verkauf, der als Beratung wahrgenommen werden sollte. Schnell war klar, dass die Allfinanz nur in den Produktschmieden des Mutterkonzerns lebte. Unter geringerem Zahlendruck hätte man diese Zusammenarbeit kulturell und geschäftlich erfolgreich gestalten können. Zu Zeiten der Dresdner Bank war das nur an wenigen Sandorten der Fall.

Der Schlusspunkt

Der letzte große Akt im gehobenen Privatkundengeschäft der Dresdner Bank war das Ausrollen des Private Wealth Management. Eine bislang sehr exklusive Abteilung, die bis dahin Private Banking hieß und tatsächlich beratend tätig war, bekam ein neues Gesicht und neue Mitarbeiter.

Schweizer Führungspersonal wurde engagiert, neue Standorte wurden eröffnet, Business Lounges wurden eingerichtet, die Berater bekamen individuell bedrucktes Ego-Briefpapier. In den ersten Monaten konnte durch kreative und ganzheitliche Beratung jeder beweisen, wie viel Beratung noch in der Beraterbank steckte.

Bis in der Vorstandsetage wohl mal jemand gefragt haben muss, wie sich die Marge dieses Ansatzes mit dem normalen Privatkundengeschäft vergleicht. Ab dann war alles anders. Es gab plötzlich Fokusprodukte – im Timbre dieses Wortes steckt alles, wofür ein Beratungshaus sich schämen muss. Geschlossene Beteiligungen wurden am Vorabend der Finanzkrise so verkauft, als hätten Leasing-Schiffe, schlecht finanzierte Londoner Wolkenkratzer und Flugzeugturbinen überhaupt nichts mit der Weltwirtschafft zu tun.

Wie die Geschichte der Dresdner Bank endet, wissen wir. Die ihrer Berater setzt sich in anderen Farben unter vielen verschiedenen Dächern fort. Und nach zehn Jahren darf unser Kulturkampf zwischen Beratern, jungen Wilden und den Interessen der Konzernmutter ein bisschen glorifiziert werden. Und man muss sich fragen, ob dieser Kulturkampf wirklich so sehr Vergangenheit ist, wie die Dresdner Bank selbst. 


Über den Autor:
Christian Hammes ist heutzutage Geschäftsführer des Eta Family Office in München. Zuvor war er von 2012 bis 2014 im Vorstand des Vermögensverwalters Do Investment tätig und blickt auf weitere Berufsstationen bei der BHF-Bank und der früheren Dresdner Bank zurück.

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