Wunschzettel für 2017 Ein Plädoyer für mehr Einfühlungsvermögen

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  • Freier Handel ist für alle Seiten vorteilhaft. Die Summe aller Teile ist positiv, nicht null. Doch ähnlich wie beim Kapitalismus oder einem hohen Innovationstempo kann freier Handel Arbeitsplätze zerstören und Gemeinschaften wirtschaftlichen Risiken aussetzen. Eine nachhaltige Freihandelspolitik muss daher Wege finden, wie der Nutzen gerechter verteilt werden kann, um Chancen für jene zu schaffen, denen der freie Handel schaden könnte.
  • Bei allen Errungenschaften der modernen Welt, höheren Lebensstandards und dem Zugang zu einer beispiellosen Masse an Informationen – Fehlwahrnehmungen liegen trotzdem in der Natur des Menschen. Daher sollte der Mensch immer im Mittelpunkt stehen. Die bereichernden Unterschiede des Gegenübers kann nur erkennen, wer sich auf andere Menschen einlässt und ihnen zuhört.

Kurzum: Sollen Ursachen für Spaltungen konstruktiv angegangen werden, müssen wir uns alle bemühen, Klischees abzustreifen, um die Diskussion wieder auf Basis von Fakten zu führen und zu vorurteilsfreien Schlüssen zu kommen. Wir müssen uns klarmachen, dass viele der Herausforderungen, vor denen wir stehen, nur gemeinsam bewältigt werden können. Öffentliche Güter wie der Schutz durch Polizei und Feuerwehr oder die nationale Sicherheit, aber auch die Erhaltung des globalen Ökosystems erfordern unbedingt gegenseitige Einigkeit und Zusammenarbeit.

Während ich diese Zeilen schreibe, herrscht an den Finanzmärkten Optimismus. Die Aktienindizes klettern auf neue Höchststände und die Anleiherenditen steigen in Erwartung eines erstarkten Wachstums. Der Optimismus der Anleger ist nicht unberechtigt. Steuersenkungen, höhere Staatsausgaben und eine stärkere Deregulierung, für die sich der künftige US-Präsident Trump ausspricht, dürften das Wachstum in den USA und weltweit stützen.

Die Volkswirtschaften in Nordamerika, Großbritannien, Nordeuropa, Japan und China haben sich als widerstandsfähig erwiesen. Auch die Volkswirtschaften der europäischen Peripherie legen wieder zu. Die Rezession in Russland und Brasilien scheint sich dem Ende zu nähern. Die Rohstoffpreise haben sich stabilisiert, was wiederum vielen Schwellenländern hilft.

Doch mehr Kapitalismus allein wird nicht genügen – dauerhafter Wohlstand setzt auch gesellschaftlichen Zusammenhalt und Chancen für alle voraus. Und er muss mit dem Schutz der Umwelt vereinbar sein.

Die Aussicht auf eine kurzfristige Verbesserung kann an den Märkten zwar zu Gewinnen führen – doch als langfristig orientierter Anleger bin ich gespannt, ob im Jahr 2017 ein gemeinsames Verständnis entwickelt werden kann, das uns Grund für dauerhaften Optimismus gibt. Und Empathie ist die Grundvoraussetzung für Verständnis – und daher mein einziger Wunsch für das nächste Jahr.

Über den Autor

Larry Hatheway ist seit September 2015 bei GAM und seit Mai 2016 Mitglied der Konzernleitung. Zuvor war er Geschäftsführer und Chefökonom bei der UBS Investment Bank. Von 2000 bis 2012 bekleidete der 58-Jährige die Position globaler Leiter Makrostrategie der UBS und war von 2008 bis 2012 in gleicher Position für die Asset Allocation zuständig. Hatheway hat einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften von der Universität Texas, ein Master of Arts von der Johns Hopkins Universität und ein Bachelor of Arts vom Whitman College.

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