Leider wurden nur wenige meiner letztjährigen Wünsche für 2016 wahr. Es besteht weiterhin Einkommensungleichheit. Unternehmen halten sich mit Investitionen immer noch zurück. Die Infrastruktur benötigt vielerorts nach wie vor sehr dringend finanzielle Impulse. Und über den gesunden Menschenverstand in der Politik brauchen wir gar nicht erst zu reden.
Aber wenigstens hat die Stärke des US-Dollar die Weltwirtschaft und die globalen Märkte dieses Jahr nicht aus dem Tritt gebracht. Natürlich sind Wünsche keine Vorhersagen. Doch nach reiflicher Überlegung kam mir der Gedanke, dass ich es möglicherweise übertrieben hatte. Ist weniger vielleicht mehr? Daher findet sich auf meinem Wunschzettel in diesem Jahr nur ein einziger Wunsch: mehr Empathie.
Die Welt steht vor gewaltigen Herausforderungen. Die Chancengleichheit nachhaltig zu verbessern, gewaltsame Konflikte zu bewältigen und Bedrohungen für das Ökosystem zu bekämpfen – das sind nur einige der Ziele auf der globalen Agenda.
Doch wie die diesjährigen politischen Entwicklungen in Großbritannien, den USA oder auch Italien zeigen, sind die Gräben, die uns trennen, deutlich größer und tiefer geworden. Die Gesellschaft ist so stark gespalten wie zuletzt in den 1960er oder vielleicht sogar in den 1930er Jahren.
Aufgrund dieser Spaltung fällt es zunehmend schwer, eine konkrete Vorstellung zu entwickeln, wie wir diese Herausforderungen meistern können. Doch die Unterschiede, die uns trennen, gehen häufig auf die Unfähigkeit zurück, über die Grenzen unserer eigenen abgeschotteten Welt hinauszublicken und die Dinge aus der Sicht anderer zu betrachten.
Nachfolgend daher ein paar Vorschläge aus Sicht eines Ökonomen und Anlegers, wie wir mehr Einfühlungsvermögen an den Tag legen können:
- Der Kapitalismus bleibt die beste Möglichkeit, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Er ist aber auch eine Kraft, die unnachgiebig Brüche und Risse verursacht, die nicht immer für alle gut sind. Diese Kraft zu bändigen – und sei es teilweise sogar auf Kosten der wirtschaftlichen Effizienz – bleibt der beste Weg für die Zukunft.
- Technischer Fortschritt ist die Grundlage dafür, dass der Lebensstandard weltweit steigt – doch Innovation bringt immer auch Zerstörung mit sich. Die den Menschen eigene Erfindungsgabe darf nicht eingeschränkt werden. Doch genauso wenig dürfen diejenigen übersehen werden, für die Innovationen negative Folgen haben.
- Bildung führt zu wirtschaftlicher und persönlicher Weiterentwicklung. Da die Kosten für dieses Gut jedoch steigen, ist zunehmend der finanzielle Status entscheidend dafür, wer in den Genuss von Bildung kommt und wer nicht. Dadurch verfestigen sich Klassenunterschiede und Chancenungleichheit. Doch Bildung hat auch positive externe Effekte – wer sie hat, profitiert davon, wenn auch andere sie erwerben. Daher profitieren alle, wenn der Zugang zu Bildung erleichtert wird.
- Zuwanderung ist nicht erst angesichts der aktuellen Weltlage ein besonders wichtiges Thema. Auch für die Zuwanderungsländer ist sie sinnvoll. Sie wirkt der Alterung der Bevölkerung entgegen und lindert so die Probleme des demografischen Wandels. Zudem fördert sie Pluralismus und Offenheit und verlangt uns ab, Unterschiede zu respektieren und wertzuschätzen. Daher stärkt Zuwanderung die gesellschaftliche und wirtschaftliche Vitalität. In Verbindung mit Ungleichheit, stagnierenden Lebensstandards für die Mittelschicht und Sicherheitsbedenken kann Zuwanderung aber auch Ängste verursachen. Eine unbegrenzte Zuwanderung ist nicht machbar. Doch Mauern zu errichten ist für alle Seiten schädlich. Bessere Lösungen lassen sich nur im konstruktiven Dialog finden.