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Worst- oder Best-Case? Drei Szenarien für die Weltwirtschaft

Bo Bejstrup Christensen, Chefanalyst von Danske Invest

Bo Bejstrup Christensen, Chefanalyst von Danske Invest

1. Das erwartete Szenario: keine Katastrophe

Die Weltwirtschaft, angeführt von den USA und von China, wird im zweiten Halbjahr weiter ansteigen. Allerdings wird das Wachstum an Tempo verlieren. Grund dafür ist der in China bremsend wirkende Wohnungsmarkt und ein Europa, das ein spürbar schwächeres Wachstum verzeichnen wird – sogar mit der Folge einer potenziellen Rezession.

Seit drei Jahren befindet sich die Eurozone grundsätzlich in einer positiven Wachstumsphase. Und das dank einer schwächeren Währung, einem niedrigen Ölpreis, günstiger Zinsen, einer nicht sehr straffen Finanzpolitik und nicht zuletzt wegen eines stärkeren Bankensystems. Doch dann stimmten die Bürger in Großbritannien über die EU-Zugehörigkeit ab – und entschieden sich gegen eine weitere Mitgliedschaft.

Nun liegt der gesamte Fokus auf Europa. Wir gehen davon aus, dass die Eurozone im zweiten Halbjahr stark an Tempo verlieren wird. Grund sind die gewaltigen politischen Folgen, die der Brexit ausgelöst hat.

Reaktionen der Unternehmen

Liegt das Wachstum in der Eurozone heute bei etwa 2 Prozent, könnte es vor dem Hintergrund des Brexit-Referendums auf unter 1 Prozent sinken – möglicherweise sogar negativ werden. Dieses Szenario erscheint insbesondere wahrscheinlich, wenn die Unternehmen angesichts des bevorstehenden EU-Austritts der Briten und der damit verbundenen enormen Unsicherheit insgesamt vorsichtiger agieren. Beispielsweise könnten Firmen ihre Lagerbestände reduzieren, die Kassenbestände erhöhen sowie Investitionen und Neueinstellungen zurückfahren.

Großbritannien wird im zweiten Halbjahr direkt in die Rezession rutschen. Das wäre jedoch keine Katastrophe. Denn das derzeitige politische Erdbeben ist zwar kräftig, doch es wird rasch überstanden sein, und danach werden wir uns an die neue Wirklichkeit anpassen. Auch wenn diese Wirklichkeit für lange Zeit große politische Unsicherheit bedeutet.

Für den Jahresbeginn 2017 prognostizieren wir ein langsam zunehmendes Wachstum. Dieses wird durch die Tatsache unterstützt, dass die Zentralbanken alles für die Stabilisierung des Bankensystems tun werden.

Ausblick für die USA und China

In den USA liegt das Wachstum heute bei 1,5 Prozent. Wir erwarten, dass ein solides Bankensystem und ein starker Immobilienmarkt zu einem Anstieg auf 2,0 bis 2,5 Prozent im zweiten Halbjahr führen werden. Sollte dies eintreten, wird sich die Zahl der Arbeitslosen verringern und dadurch einen Aufwärtsdruck bei der Lohn- und Preisinflation erzeugt. Und dann wird auch die US-Notenbank die Zinsen im zweiten Halbjahr 2016 oder im Laufe von 2017 anheben.

Anders sieht es in China aus. Dort wird das derzeitige Wachstum von etwa 6,5 Prozent bis Ende 2016 auf etwa 5 Prozent sinken. Chinas Wachstum ist bislang von einer expansiven Finanzpolitik und einer kräftigen Lockerung auf dem Wohnungsmarkt angetrieben worden, da die Regierung den Zugang zu Immobilienkrediten erleichtert hat. Doch diese staatlichen Anreize werden jetzt abnehmen.

2. Das Worst-Case-Szenario: eine kräftige Rezession

Das Negativ-Szenario für die globale Wirtschaft in den kommenden sechs Monaten würde in erster Linie von Europa aus angetrieben.

Sollte der Worst-Case eintreten, wäre der Schlag durch das Brexit-Referendum für die Weltwirtschaft so stark, dass es nicht nur zu einer milden, sondern zu einer kräftigen Rezession in Europa käme. Die Aussicht, dass Großbritannien die EU verlässt und die Unsicherheit in der Zukunft könnten die Unternehmen dazu veranlassen, bei den Investitionen kräftiger zu kürzen und mehr Mitarbeiter zu entlassen, als wir erwarten. In einem solchen Fall würde der Privatkonsum ernsthaft beeinträchtigt, woraufhin das Wachstum stärker sinken würde, als wir zum derzeitigen Zeitpunkt glauben.

In diesem Szenario wären die Auswirkungen auf die übrige Welt entsprechend spürbarer und würden auch die USA und China intensiver betreffen. Vor allem das Reich der Mitte würde durch die Kombination aus einem noch schwächeren Wohnungsmarkt und einem stark in Mitleidenschaft gezogenen Exportsektor noch mehr an Schwung verlieren als erwartet.

Die USA könnten auch ein Worst-Case-Szenario verkraften. Die Unternehmen würden aufgrund der Unruhe in Europa sowie der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im eigenen Land etwas vorsichtiger agieren. Das würde ein sinkendes Wachstum in den USA anstelle eines geringfügigen Anstiegs bedeuten.