Wolfgang Reittinger im Gespräch „Das Wealth Management von Commerzbank und HVB sind Hidden Champions“

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Mal angenommen, eine Bank baut sich ein Alleinstellungsmerkmal auf. Wie stark hilft das tatsächlich in der Kundenakquise?

Reittinger: Das ist der springende Punkt. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass die Verweildauer von Private-Wealth-Management-Kunden zwischen 10 und 15 Jahre beträgt. Zwar geben die Kunden bei Umfragen in nicht geringer Zahl an, dass sie wechselbereit wären, aber die wenigsten schreiten dann wirklich zur Tat. Es dürfte also schwierig sein, diese Beharrungskräfte zu überwinden, indem man allein den Mehrwert seines Leistungsangebots ins Schaufenster stellt.

Inwiefern spielen IT-Lösungen dabei eine Rolle?

Reittinger: Das Thema Internet Banking und Multikanal-Banking spielte im Private Wealth Management vor fünf Jahren noch überhaupt keine Rolle. So langsam tut sich bei einzelnen Häusern aber etwas. Das Thema wird künftig aufgrund der demografischen Entwicklung stärker in den Vordergrund rücken. Jüngere Kunden verlangen schlichtweg ein digitales Angebots- und Kommunikationsschnittstelle zu ihren Banken und Beratern. Allerdings wird das gerade in Deutschland noch etwas dauern. Momentan ist der klassische Kunde Anfang oder Mitte Sechzig und somit noch überwiegend der althergebrachten Beraterbeziehung vis-a-vis verhaftet.

Die jüngeren Kunden sehen das aber als selbstverständliche Voraussetzung neben dem Beraterkontakt. Man muss da aber auch unterscheiden. Im digitalen Kontakt wird es für die Privatbanken um Themen wie das Informieren über Marktentwicklungen und ähnliches gehen. Der Kanal ist also kein Vertriebsweg. Wenn ein Kunde über diesen Weg Order platzieren möchte, handelt es sich letztlich um einen Selbstentscheider. Und der landet bei einer Direktbank. Da haben die Privatbanken keine Chance.

Welche Trends in den Geschäftsstrategien erkennen Sie zurzeit denn noch?

Reittinger: Dass viele Banken erkannt haben, dass sie dem Kunden mehr als nur die Produkte anbieten müssen. Sie merken, dass sie ein reiner Produkt-Fokus auch angreifbar macht. Denn dann müssen sie sich stets anhand ihrer Performance messen lassen. Etwas das, wie gesagt, heutzutage zunehmend schwierig ist. Einige Häuser entwickeln sich daher vom Produktanbieter zum Produkt- und Beratungsdienstleister. Die HVB hat dafür schon länger Spezialistenteams zu einzelnen Themen wie Finanzplanung, Stiftungsgründung und -management oder Kunstberatung angeboten. Die Commerzbank nimmt mit dem Thema ganzheitliche Beratung seit ein paar Jahren auch wieder deutlicher Fahrt auf. Sie hatte zwischenzeitlich das Thema Financial Planning ganz abgeschafft.

Auch im genossenschaftlichen Bereich oder den großen Sparkassen wird das Thema ganzheitliche Beratung immer stärker eingesetzt. Für mich handelt es sich dabei um einen sehr positiven Branchentrend. Letztlich geht es dabei nicht nur um die Diversifizierung des Dienstleistungsangebots, sondern auch um ein gutes Beratungserlebnis für den Kunden.

Was halten Sie von Projekten wie UBS Advice, bei dem das Kundendepot jede Nacht von einem Algorithmus überprüft wird?

Reittinger: Das Problem war in der Vergangenheit, dass viele Berater im Private Wealth Management glaubten, dass sie gut sind und sogar besser als das zentrale Research oder die Wertpapierspezialisten ihres Hauses sind. Viele haben in der Vergangenheit ihren eigenen Stiefel gelebt. Bei einigen ging das gut, bei vielen waren die Ergebnisse aber fraglich. Insofern ist das Abgleichen der Kundendepots über Performance- und Risiko-Benchmarken eine gute und richtige Sache. Denn ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor im Private Wealth Management ist eine zentrale Hausmeinung.

Solche Strategiewechsel werden aber noch für einige Verstimmungen sorgen, da viele Berater ihre Unabhängigkeit geradezu geliebt haben. Übrigens spielt die Regulatorik den Banken in diesem Fall in die Karten. Jetzt können sie die Hausmeinung intern deutlich leichter umsetzen. Berät der Berater außerhalb der Hausmeinung und beschwert sich eine Kunde im Nachhinein, hat der Berater ein gewaltiges Problem. Letztlich führt das in den Häusern zum lange ersehnten Kulturwandel – die Regulierung hat hierbei eine sehr positive Rolle.


Über den Interviewten:
Wolfgang Reittinger ist seit 2011 Professor und Programmdirektor des Bereichs Private Wealth Management der Frankfurt School of Finance & Management. Vor seiner Lehrtätigkeit war er selbst im Private Wealth Management tätig: von 2007 bis 2010 als Leiter Produkte & Beratung bei der Hypovereinsbank und von 2003 bis 2006 als Leiter Wealth Planning bei der UBS Deutschland. Er ist Herausgeber der Fachbücher „Private Wealth Management“ und „Strukturierte Vermögensnachfolge“.


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