Vermögensübertragung Warum die steuerliche Begünstigung von Wohnungsunternehmen vor dem Aus steht

Felix Link, Vanessa Schäfers und Andreas Pilz (von links): Die Experten von Rödl & Partner

Felix Link, Vanessa Schäfers und Andreas Pilz (von links) von Rödl & Partner: Familien mit umfangreichen Immobilienbestand sollten überlegen, die Begünstigung für Wohnungsunternehmen zu nutzen, solange das noch möglich ist. Foto: Rödl & Partner

Die Nachfolgeplanung ist derzeit eines der beherrschenden Themen im deutschen Mittelstand. Viele Familienunternehmer wollen ihr Vermögen erbschaftsteuerbegünstigt übertragen. Doch die Betriebsvermögensbegünstigung steht – auch nach der Bundestagswahl, in deren Vorfeld sich die Reformdebatte im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht verschärfte – weiter im Fokus.

Eine Gestaltungsoption bei der Vermögensübertragung ist, ein Immobilienportfolio als Wohnungsunternehmen zu strukturieren, das unter bestimmten Voraussetzungen erbschaftsteuerbegünstigt übertragen werden kann. Ob das auch in Zukunft möglich ist, ist jedoch ungewiss. Ein Mitte Februar veröffentlichtes Urteil des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 10. Oktober 2024, Az. 3 K 751/22 F) stellt erhöhte Anforderungen, die für viele Betroffene nur schwer umzusetzen sein dürften.

In dem Verfahren ist derzeit die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig (Az. II R 39/24). Je nachdem, wie das Revisionsverfahren ausgeht, könnte sich das Fenster für Wohnungsunternehmen in absehbarer Zeit schließen.

Grundlagen der Steuerbegünstigung für Wohnungsunternehmen

Nach den §§ 13a bis c und 28a ErbStG kann Betriebsvermögen steuerbegünstigt – unter bestimmten Voraussetzungen sogar steuerfrei – auf die nächste Generation übertragen werden. Grundvoraussetzung ist, dass es sich bei den übertragenen Wirtschaftsgütern nicht um schädliches Verwaltungsvermögen handelt. Dieses ist voll mit Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuer zu versteuern. Denn der Gesetzgeber sieht das Verwaltungsvermögen als nicht betriebsnotwendig an.

Zum Verwaltungsvermögen gehören grundsätzlich auch Grundstücke, die Dritten zur Nutzung überlassen sind, insbesondere vermietete Immobilien. Handelt es sich dabei jedoch um Wohnungen, konnte bisher die Rückausnahme für Wohnungsunternehmen greifen. Danach gehören Grundstücke nicht zum Verwaltungsvermögen, wenn sie zum Betriebsvermögen eines Unternehmens zählen, dessen Hauptzweck die Vermietung von Wohnungen ist und dies wiederum einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert. In diesem Fall gelten die Grundstücke als betriebsnotwendiges Vermögen. Die Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen sollen dessen Substanz schützen.

 

Interessant an dieser Gestaltung ist zudem, dass die Vermietung von Wohnungen nur den Hauptzweck der betrieblichen Tätigkeit ausmachen muss. Ist diese Voraussetzung erfüllt, sind nach den Erbschaftsteuerrichtlinien unter bestimmten Voraussetzungen bislang auch andere vermietete Grundstücke des Unternehmens kein Verwaltungsvermögen, beispielsweise vermietete Gewerbeimmobilien.

Was bisher geschah: der BFH und das Wohnungsunternehmen

Zwischen der Finanzverwaltung und Rechtsprechung umstritten ist bislang die Frage, ab wann es einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert, um Wohnungen zu vermieten. Die Finanzverwaltung geht bislang davon aus, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb regelmäßig anzunehmen ist, wenn das betreffende Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält, die eine Mindestgröße von 20 m² haben und in denen ein eigenständiger Haushalt geführt werden kann. Heißt: Unter anderem müssen Küche und Bad vorhanden sein.

Dies gilt als Regelvermutung. Daher prüft die Finanzverwaltung den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht weiter. Aber auch unterhalb dieser Grenze können – bei entsprechender Strukturierung – die Voraussetzungen eines Wohnungsunternehmens erfüllt sein.

Für den BFH reicht es allein nicht aus, große Wohnungsbestände zu vermieten, um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb anzunehmen. Die geht aus einem Urteil aus 2017 hervor. Erforderlich sei, dass das Unternehmen neben der Wohnungsvermietung erhebliche Zusatzleistungen erbringt, etwa, dass die Wohnungen gereinigt oder die Objekte überwacht werden.

Die Finanzverwaltung reagierte auf das BFH-Urteil im Jahr 2018 mit einem Nichtanwendungserlass. Das bedeutet, die Verwaltung wendet die Grundsätze des BFH-Urteils nicht analog auf vergleichbare Fälle an und hält weiterhin an der quantitativen Betrachtung fest.

Das Urteil des FG Münster

In einem neuen Urteil hat sich das Finanzgericht Münster nun abermals mit den Voraussetzungen des Wohnungsunternehmens befasst. Gegenstand des Verfahrens: die Schenkung eines Kommanditanteils einer GmbH & Co. KG. Die KG hielt umfangreichen Grundbesitz – allerdings unterhalb der Schwelle von 300 Wohnungen – den sie an Dritte zu Wohnzwecken vermietete. Zusätzlich vermietete die Gesellschaft Küchenzeilen mit, stellte Gemeinschaftsräume und Hausanschlüsse für Satellitenanlagen und Internet zur Verfügung, lieferte selbst produzierte Energie, bot einen Hausmeister-, Gärtner- und Reinigungsdienst und kontrollierte regelmäßig Brennpunkt-Immobilien. Dafür beschäftigte die KG eigene Mitarbeiter.

Das Finanzamt lehnt eine Begünstigung als Wohnungsunternehmen mit dem Hinweis ab, dass das Erfordernis eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs fehle. Das Finanzgericht gab dem Finanzamt recht.

Zur üblichen Vermietungstätigkeit gehörten die Wohnungsverwaltung und deren Bewirtschaftung sowie damit zusammenhängende Tätigkeiten, wie die Suche nach Mietern, die Erstellung des Mietvertrags, die Wohnungsübergabe oder die Erstellung der Betriebskostenabrechnung. Auch die Reinigung von gemeinschaftlich genutzten Räumen, die Pflege der Außenanlagen und die Erfüllung der Räum- und Streupflicht sowie die Versorgung mit Strom, Wärme und Wasser gehöre dazu.

Einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordere die Vermietung nach Auffassung des Finanzgerichts Münster nur, wenn der Vermieter bestimmte Sonderleistungen erbringt, wie die Reinigung der Wohnungen, der Wechsel der Bettwäsche oder die Bewachung des Gebäudes. Auch einen Aufenthaltsraum mit Fernseher bereitzuhalten oder ein Krankenzimmer könnten diese Voraussetzungen erfüllen. Auf die Zahl der vermieteten Wohnungen komme es dagegen nach Auffassung des Gerichts nicht an. Hier schließt sich das Finanzgericht Münster dem BFH-Urteil aus 2017 an. Gegen das Urteil des FG Münster wurde Revision zum BFH eingelegt.

Einordnung des Urteils

Diese Revision hat nach Ansicht der Autoren aber wenig Aussicht auf Erfolg. Wie schon 2017 ist das Verfahren beim Zweiten Senat des BFH anhängig, der bereits damals zugunsten einer qualitativen Betrachtung entschied. Bereits im Jahr 2020 war abermals ein Urteil des Finanzgerichts Münster, das den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ablehnte zur Revision beim BFH. Dort handelte es sich um einen Firmenverbund mit mehr als 700 Wohnungen. Diese Revision wurde jedoch vom Steuerpflichtigen zurückgenommen.

In der Gesamtschau ist daher nicht zu erwarten, dass der BFH nun seine Meinung ändert und das Urteil des Münsteraner Gerichts aufhebt. Ob es nach einem BFH-Urteil einen weiteren Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung geben wird, ist ebenfalls unklar, aber nicht sehr wahrscheinlich. Die Steuerbegünstigung von Wohnungsunternehmen würde dann nur noch auf sehr wenige Fälle angewendet werden, zum Beispiel bei Kurzzeitvermietungen oder Boardinghouses.

Handlungsoptionen

Familien mit umfangreichen Immobilienbestand sollten daher überlegen, die Begünstigung für Wohnungsunternehmen zu nutzen, solange das noch möglich ist. Mit einer Entscheidung des BFH ist im Regelfall innerhalb von zwei bis drei Jahren zu rechnen. Zielgerichtete Gestaltungsoptionen ermöglichen es, auch langfristig die erbschaftsteuerliche Befreiung zu erhalten.

In jedem Fall zeigt das Urteil deutlich, dass das Vermögen vor einer Übergabe an die nächste Generation sorgfältig rechtliche und steuerlich strukturiert werden sollte. Gerade bei umfangreichem Immobilienbestand ist das entscheidend, damit die Nachfolge gelingt.


Felix Link berät bei Rödl & Partner nationale und internationale Familienunternehmen und -unternehmer bei der Nachfolge. Seine Schwerpunkte sind gesellschafts-, erb- und stiftungsrechtliche sowie erbschaftsteuerliche Beratung.

Vanessa Schäfers berät bei Rödl & Partner vermögende Privatpersonen und Familienunternehmen bei der Nachfolge. Ihr Fokus liegt dabei auf der erbrechtlichen und erbschaftsteuerlichen sowie stiftungsrechtlichen Beratung. 

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