Immer mehr Vermögensverwalter denken darüber nach, Chatbots in verschiedenen kundennahen Bereichen einzusetzen oder setzen sie bereits ein. Durch generative künstliche Intelligenz (KI) wird es nun möglich, niedrigschwellig und in bisher unbekannter Qualität entsprechende Bots zu nutzen – etwa um Prozesse zu automatisieren und Informationen aufzubereiten. Die Institute sollten sich daher unbedingt eingehend mit der Thematik beschäftigen: Welche Möglichkeiten eröffnen sich ihnen durch technische Assistenten? Wo ist dabei der Einsatz von generativer KI sinnvoll, wo vielleicht (noch) nicht? Und können Chatbots perspektivisch vielleicht sogar menschliche Anlageberater ersetzen? Fragen über Fragen, auf die zum heutigen Zeitpunkt nicht alle Antworten feststehen. Doch eins ist sicher: Die KI-Reise hat spätestens mit Chat GPT auch im Finanzsektor entlang der gesamten Wertschöpfungskette begonnen.
Um zu verstehen, an welchem Punkt wir heute auf dieser Reise stehen, hilft zunächst ein Blick zurück. Ganz neu ist die Thematik schließlich nicht, mag sich manch einer denken. Schon in den 1950er Jahren entwickelte der britische Informatiker Alan Turing einen Test, um die Intelligenz einer Maschine zu beurteilen. Nach Turings Auffassung wäre letztere – vereinfacht gesagt – intelligent und könnte selbstständig denken, wenn sie einen Menschen umfassend täuscht und gewissermaßen von ihrer „Menschlichkeit“ überzeugt. Mit diesem Anspruch setzte Turing vor mehr als 70 Jahren eine Messlatte, an der die meisten Maschinen noch bis vor Kurzem scheiterten: Eine fließende Konversation über einen langen Zeitraum war mit ihnen kaum möglich, von echter künstlicher Intelligenz konnte nicht die Rede sein.
Chatbot Next Level dank generativer künstlicher Intelligenz
Wer in der noch nicht allzu fernen Vergangenheit mit einem Chatbot zu tun hatte, wird davon sicher ein Lied singen können. Wenn die Frage nicht im sehr engen Rahmen der Möglichkeiten der Maschine – in diesem Fall also des Bots – richtig formuliert oder aus einer vortrainierten Liste gewählt war, verstand der Bot diese nicht und die erhoffte Antwort blieb aus. Ein flächendeckender Einsatz von Chatbots in der Kundenberatung war kaum möglich, außer in eng definierten Anwendungsfällen mit klar strukturierter Konversation. Unternehmen, die komplett auf Chatbot-Lösungen setzten, liefen Gefahr, Kunden frustriert zurückzulassen oder diese an die weniger technikaffine Konkurrenz zu verlieren.
Doch dann kam Chat GPT, kurz darauf gefolgt von Google Bard. Die sogenannten Large Language Models (LLMs), auf denen beide Tools basieren, und der Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz ermöglichen Konversation erstmals in menschenähnlicher Qualität, und das ganz einfach auf Knopfdruck. Die neuesten LLMs verfügen über ein bis dahin unbekanntes Sprachverständnis und bieten dadurch die Möglichkeit zu natürlicher Konversation per Freitexteingabe – genau das also, woran vorher Chatbots regelmäßig scheiterten. Darüber hinaus ist generative KI verglichen mit früheren Lösungen niedrigschwellig, intuitiv und einfacher zu implementieren – und somit ein echter Gamechanger, auch im Asset Management.
Vielfältige interne und externe Anwendungsmöglichkeiten
Viele Unternehmen testen mittlerweile Möglichkeiten, generative künstliche Intelligenz einzusetzen. Ihr Ziel ist es, deren Vorzüge – etwa Effizienzgewinn, Entlastung der Mitarbeitenden und eine verbesserte Kundenerfahrung – im eigenen Unternehmen zu nutzen. Generative KI können Unternehmen in verschiedenen Branchen entlang der gesamten Wertschöpfungskette einsetzen. Für Asset Manager beispielsweise können KI-basierte Lösungen sowohl in der internen Kommunikation mit den Mitarbeitenden als auch extern für Kundenbetreuung und -beratung eingesetzt werden.
Gerade jetzt in der anfänglichen Hochphase und Euphorie gilt es jedoch, die KI strukturiert einzuführen. Dabei bietet sich ein schrittweiser Prozess an. Gestartet wird mit kleineren Pilotprojekten, in denen Erfahrungen gesammelt und Rahmenbedingungen geschaffen werden können. Dadurch können Unternehmen KI-Anwendungen später skalieren. Den Anfang könnten interne Anwendungen machen, wie etwa ein automatisierter IT-Helpdesk zur Bearbeitung von Anfragen der Mitarbeitenden, bevor Asset Manager sich an einen Kunden-Chatbot für einfache Anwendungen wagen, etwa allgemeine Kundenanliegen zu bearbeiten. Je komplexer eine Angelegenheit, desto mehr sollte die Gesprächsführung durch vorgegebene Fragemöglichkeiten gestützt werden – wie bei den ersten Chatbot-Gehversuchen.
Derzeitige Grenzen und die richtige Absicherung von Chatbots
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es immer noch Anwendungsfälle, bei denen ein menschlicher Berater unersetzlich ist, etwa beim Portfoliomanagement. Zwar werden auch hier automatisierte Angebote Einzug halten, doch müssen diese folgende fünf beratungskritischen Faktoren erfüllen:
- Transparenz: Kunden möchten klare Informationen darüber, wie KI-Entscheidungen getroffen werden.
- Datenschutz: Sicherstellen, dass persönliche Daten geschützt und korrekt verwendet werden.
- Ethik: Einsatz von KI auf eine Weise, die fair und unvoreingenommen ist.
- Kompetenz und Vertrauen: Kombination aus menschlicher Expertise und KI, um Anlageentscheidungen zu optimieren
- Risikomanagement: Effektive Überwachung und Kontrolle der durch KI-gestützte Entscheidungen entstehenden Risiken.
Durch eine falsche Beratung, die eine vom Asset Manager integrierte KI vornimmt, könnte schließlich ein nicht unerheblicher Schaden beim Verbraucher entstehen, was wiederum ein hohes Risiko für die Finanzdienstleister selbst bedeutet – zum Beispiel Vertrauensverlust bei den Kunden, rechtliche Folgen, finanzielle Verluste oder Reputationsschäden. Nicht umsonst werden entsprechende Anwendungsfälle im geplanten EU-Gesetz über künstliche Intelligenz (EU AI Act) als Hochrisiko-Anwendungen klassifiziert, die die Unternehmen besonders absichern müssen. Zur sicheren Umsetzung bietet sich für Finanzdienstleister die Zusammenarbeit mit versierten Partnern an.
Neben dem Risiko falscher oder intransparenter Entscheidungen stellt viele Finanzdienstleister die Frage nach der Gewährleistung des Schutzes sensibler Daten vor Herausforderungen. Für jede Anwendung müssen sich die Institute daher fragen, welche Informationen dafür konkret benötigt werden und was mit diesen bei der Bearbeitung der Anfrage passiert. Und natürlich dürfen die Daten nicht in das der KI-Lösung zugrunde liegende, öffentliche System, beispielsweise GPT-4, eingespeist und somit indirekt für andere Anwender zugänglich gemacht werden.
Eine neue Art der Kundenansprache – Mensch und Maschine Hand in Hand
Dennoch gibt es viele Bereiche, in denen der Nutzen der Anwendungen deren Risiken deutlich überwiegt. Der Einsatz generativer künstlicher Intelligenz in der Kundenberatung ermöglicht schließlich eine völlig neue Art der Ansprache, individuell („Segment of One“) und auch auf digitalen Kanälen, die im klassischen Beratungsgeschäft bislang wenig erschlossen waren. So lässt sich neben dem bisherigen Kundenstamm eine jüngere Zielgruppe erreichen und mit modernen Angeboten überzeugen. Sind die dazu passenden Lösungen implementiert, stellt sich weiterhin – oder vielleicht sogar erst recht – die Frage: Können Chatbots menschliche Tätigkeiten komplett ersetzen? Das Gegenteil ist der Fall: In Zukunft werden an jedem Kontaktpunkt Mensch und KI Hand in Hand arbeiten, denn KI-Lösungen ergänzen die Arbeit der Mitarbeiter und leisten einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg. Auch Chatbots werden Menschen eher zuarbeiten als sie komplett zu ersetzen. Eine Entwicklung also, von der letztlich alle Beteiligten profitieren, statt darunter zu leiden. Wir sind erst am Anfang einer höchstspannenden Reise.