Analyse von Wisdomtree Institutionelle Investoren nehmen Gold ins Visier

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Institutionelle Investoren nehmen Gold ins Visier
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Nitesh Shah, Leiter der Abteilung Rohstoffe und Makroökonomie bei Wisdomtree

Nitesh Shah, Leiter der Abteilung Rohstoffe und Makroökonomie bei Wisdomtree: „Institutionelle Anleger weltweit sind zunehmend über globale Risiken – geopolitischer und finanzieller Art – besorgt und werden mehr Absicherungsinstrumente suchen.“ Foto: Wisdomtree

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Ausblicks erhielt Gold durch die geopolitischen
Anspannungen eindeutig Auftrieb. Der Krieg zwischen Israel und Gaza veranlasst viele Marktteilnehmer dazu, nach sicheren Anlagen zu suchen – und Gold steht diesbezüglich obenan.
In den Wochen vor dieser Veröffentlichung wurde Gold jedoch durch den doppelten Gegenwind eines aufwertenden US-Dollars und eines Abverkaufs von Anleihen begleitet. Das Edelmetall hielt diesem Druck relativ gut stand, begann jedoch zu schwächeln:

Gegen Ende September fiel der 50-DMA-Kurs (Day Moving Average - also gleitender Tage-Durchschnitt) unter den 200-DMA-Preis. Technische Analysten nennen das ein „Todeskreuz“. Trotz seines ominösen Namens bedeutet dieser technische Marker jedoch oft eine neue Basis. Tatsächlich hat sich Gold trotz des zunehmenden Gegenwinds bei Anleihen und Währungen deutlich erholt.

Auch wenn wir nicht wissen, wie lange und wie schwer der Krieg ausfallen wird, erinnert uns die
Destabilisierung im Nahen Osten daran, dass geopolitischer, finanzieller oder wirtschaftlicher Stress jederzeit wieder aufflammen kann und dass es am besten ist, eine „Versicherungsanlage“ zu haben, bevor das Ereignis eintritt.

Unterm Strich ist und bleibt Gold ein wertvoller strategischer Vermögenswert. Die institutionelle Nachfrage nach dem Edelmetall ist zwar seit Monaten gedämpft, doch die Nachfrage der Privatanleger, insbesondere in China und der Türkei, ist sehr stark. Auch die Zentralbanken waren in diesem Jahr auf den Goldmärkten sehr aktiv – wir gehen nicht davon aus, dass dieser Trend nachlassen wird. Obwohl die Nachfrage in diesen Bereichen vielleicht wie eine Reaktion auf lokale Bedenken erscheint, sind wir der Meinung, dass institutionelle Anleger weltweit zunehmend über globale Risiken – geopolitischer und finanzieller Art – besorgt sein und mehr Absicherungsinstrumente suchen werden.

Klar ist aber auch, dass der Kampf um die Aufmerksamkeit der institutionellen Anleger schwierig sein wird, wenn defensive Anlagen wie US-Treasuries eine Rendite (bis zur Fälligkeit) von über 5 Prozent für die zweijährige und von fast 5 Prozent für die zehnjährige Anleihe aufweisen, während Gold keine Rendite zahlt. Dennoch hat sich Gold als eine sehr wirksame Absicherung gegen finanzielle, geopolitische und inflationäre Risiken erwiesen.

 

Während einige Marktteilnehmer noch vor wenigen Wochen der Meinung waren, dass die Inflationsrisiken unter Kontrolle seien, hat der erneute Anstieg der Energiepreise viele dazu veranlasst, diese Annahme infrage zu stellen – was die Nachfrage nach
Absicherungsinstrumenten unterstützen dürfte.

Geopolitik und Gold

Gold gilt als „sicherer Hafen“, in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit oder erhöhter
geopolitischer Risiken, haben sich die Anleger in der Vergangenheit zum Schutz auf das Edelmetall gestürzt, was den Preis in die Höhe trieb. So kann Gold wie eine Portfolioversicherung wirken und dazu beitragen, bei Marktturbulenzen einen Schutz nach unten zu bieten.

Unserer Analyse zufolge hat Gold in den Monaten, in denen der GPR-Index (Geopolitical Risk) um eine Standardabweichung über seinen langjährigen Durchschnitt gestiegen ist – was auf erhöhte geopolitische Spannungen hindeutet – im Durchschnitt um 9 Prozent im Jahresvergleich zugelegt, während der S&P 500 Aktienindex in diesen Monaten um 8,6 Prozent gefallen ist.  Folgende Abbildung zeigt, wie sich Gold nach verschiedenen wichtigen finanziellen und geopolitischen Ereignissen entwickelt.

Anleihenmärkte und Gold

Die Märkte gehen davon aus, dass die Leitzinsen der Federal Reserve (Fed) „länger höher“ bleiben
werden. Im Gegensatz zu den meisten Zinserhöhungszyklen, bei denen Senkungen kurz nach der
letzten Anhebung ins Spiel kommen, erwarten die Anleihemärkte eine lange Pause an der Spitze.
Daher sind die nominalen zehnjährigen Treasury-Renditen auf den höchsten Stand seit 2007 und die realen Renditen auf das höchste Niveau seit 2008 geklettert. Gold behauptet sich jedoch gut, denn das Edelmetall trotzt weiterhin dem langfristigen Verhältnis zwischen Realrendite und Goldpreis (siehe Grafik). 

In früheren Ausgaben dieses Gold-Ausblicks wurde sich mit der Inversionen der Anleiherenditekurve (zehnjährige Renditen unter zweijährigen Renditen) und ihrer Prognosekraft für Rezessionen befasst. Gold entwickelt sich in Rezessionen tendenziell kräftig. Die Zeitspanne zwischen einer Inversion und einer Rezession kann lang sein und beträgt in der Regel mehr als ein Jahr. Die derzeitige Inversion besteht seit mindestens 15 Monaten und wir befinden uns noch nicht in einer Rezession. Die Märkte sind jedoch nervös und zeigen sich besorgt über das, was noch kommen wird. In den letzten Wochen ist die Renditekurve weniger invers geworden. Dies sollte jedoch nicht als positives Zeichen für die Wirtschaft gewertet werden.

Erstens haben wir in der Vergangenheit beobachtet, dass sich die Inversion der Renditekurve in der Regel um den Zeitpunkt herum zurückbildet, an dem eine Rezession beginnt. Zweitens sind in der Vergangenheit die meisten Rückbildungen einer Inversion (Dis-Inversion) aufgrund des Rückgangs von kurzfristigeren Renditen (Zwei-Jahres-Renditen) erfolgt, was als „Bull-Steepening“ bezeichnet wird. Aktuell verzeichnen wir die Dis-Inversion aufgrund des Anstiegs der längerfristigen Renditen (zehnjährige Renditen).

Dieses „Bear-Steepening“ aus einer invertierten Kurve ist nicht sehr häufig. Die wenigen Beispiele aus der Vergangenheit geben uns keinen guten Aufschluss darüber, was das für die Wirtschaft oder Gold bedeutet.

Die Goldnachfrage der Zentralbanken

Im Jahr 2022 erreichte die Goldnachfrage der Zentralbanken ein Allzeithoch – diese Dynamik ist
ungebrochen. Folgende Abbildung zeigt die jährlichen Goldkäufe des öffentlichen Sektors seit 1971 und die kumulativen Käufe in den ersten acht Monaten des Jahres 2023. Zwischen März und Mai 2023 verkaufte die türkische Zentralbank Gold auf den inländischen öffentlichen Märkten, um die starke Nachfrage nach Barren, Münzen und Schmuck nach einem vorübergehenden teilweisen Verbot für die Einfuhr von Goldbarren zu decken.

Dieses Verbot wurde verhängt, um die wirtschaftlichen Folgen des Erdbebens im Februar 2023 abzufedern. Seit der Aufhebung des Einfuhrverbots hat die türkische Zentralbank ihr starkes Kaufprogramm wieder aufgenommen und drei Monate in Folge Käufe getätigt (Juni–August 2023: Käufe von 43 Tonnen). Aufgrund der Verkäufe waren die kumulierten Ströme des
offiziellen türkischen Sektors jedoch negativ (Verkauf von 70,5 Tonnen im Zeitraum Januar–August 2023).