Wie können Investoren den Impact ihres Engagements messen? Um dieser Antwort ein Stück näher zu kommen, hat die Bank für Kirche und Caritas (BKC) kürzlich einen Ergebnisbericht zu ihrem Investoren-Engagement mit Brasilien zum Schutz des Amazonas Regenwaldes und der indigenen Bevölkerung veröffentlicht, der eine erste Messmethodik vorstellt. Wir möchten mit dem Modellentwurf zur Wirkungsmessung auch eine Fachdiskussion über dessen Weiterentwicklung anstoßen, um die Wirkkraft von Engagement-Aktivitäten noch besser zu erfassen. Gleichzeitig trägt die Messung von Engagement-Aktivitäten auch den „Eckpunkten glaubwürdigen Engagements“ Rechnung, die von uns, Union Investment und Shareholders for Change veröffentlicht wurden.
Ausgangspunkt war ein von uns angeführtes Engagement mit Brasilien, das weltweit erste Engagement katholischer Investoren dieser Größenordnung darstellt. In der Amtszeit des im Dezember 2022 abgewählten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro hat die Vernichtung des Amazonas-Regenwaldes und Verletzung der Rechte der dort lebenden indigenen Bevölkerung rasant zugenommen. Dies stand und steht im extremen Gegensatz zum christlichen Leitmotiv der „Bewahrung der Schöpfung“. Gleichermaßen stellen diese Entwicklungen auch ein finanzielles Risiko für Investoren in brasilianische Staatsanleihen und Unternehmen dar.
Experten prognostizieren, dass die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes ab einem bestimmten Kipppunkt dazu führt, dass sich das verbleibende Regenwaldgebiet in eine Savanne verwandelt. Dies hätte nicht nur dramatische Auswirkungen auf das globale, sondern vor allem auf das lokale Klima und in der Folge auf die brasilianische Wirtschaft. Aus diesen Gründen beschlossen wir im Jahr 2020, einen Engagement-Dialog mit der brasilianischen Regierung zu beginnen. Doch welche Aspekte müssen in der Planung beachtet werden, um ein im Finanzmarkt noch viel zu selten vorgenommenes Staaten-Engagement durchzuführen und messbar zu machen?
Klare Zielfestlegung notwendig
Zu Beginn ist eine klar formulierte Zieldefinition notwendig. Auch die Zeitdauer für das Engagement muss für die Erfolgsmessung festgelegt werden. Um den Zielerreichungsgrad eines Engagements kontinuierlich messen zu können, haben wir eine zehnstufige Scoring-Skala entwickelt (Abb.1). Der Score drückt aus, inwieweit das Engagement-Objekt Bereitschaft zeigt, sich mit den Forderungen zu beschäftigen und in welchem Umsetzungsstatus es sich befindet. Die Skala beginnt bei 0 „Keine Reaktion“ auf die Engagement-Forderungen und endet bei 10 „Vollständig umgesetzt“. Der Sprung in der Score-Verteilung von 5 auf 7 trägt dem Unterschied in der Güte der Erfüllung der Engagement-Forderungen zwischen den verschiedenen Verbindlichkeitsstufen der Umsetzungszusage und der tatsächlichen Umsetzung Rechnung.
Methodik zur Wirkungsmessung
Mit dem von uns entwickelten Bewertungsmodell zur Wirkungsmessung von Engagement-Aktivitäten betreten wir Neuland, insbesondere in Bezug auf Staaten. Das Modell fußt auf der in der Impactmessung etablierten IOOI-Wirkungslogik (IOOI = Input – Output – Outcome – Impact) und wurde von uns entsprechend übersetzt.
Die vier Dimensionen der IOOI-Wirkungslogik auf Engagement-Aktivitäten übersetzt:
- Input: Die eingesetzten Ressourcen und das Vorgehen bei der Engagement-Aktivität
- Output: Die aus dem Input erwachsene Leistung in Bezug auf deren Reaktionen
- Outcome: Die sich aus dem Input und Output ergebenden Handlungen beziehungsweise Wirkungen auf Ebene des Engagement-Objekts mit Blick auf den Zielerreichungsgrad der Engagement-Forderungen
- Impact: Die aus dem Outcome hervorgegangenen gesamtgesellschaftlichen (ökologisch-sozialen) Wirkungen hinsichtlich der Nachhaltigkeitswirkung und des Rendite-Risiko-Optimierungspotenzials
Wir sehen es als vervollständigend an, das Rendite-Risiko-Optimierungspotenzial im eigenen Portfoliokontext separat ausgewiesen unter Impact mit aufzuführen. Denn Engagement-Objekte, die die in den Forderungen thematisierten, finanziell materiellen Nachhaltigkeitsrisiken oder -chancen rechtzeitig vor Schadenseintritt angehen und nutzen, beeinflussen ihr Rendite-Risiko-Profil und damit auch das des Investments positiv. Dieser Zusammenhang hat somit nicht nur Auswirkungen auf das Investment im eigenen Portfoliokontext, sondern auch auf das Unternehmen selbst, seine Mitarbeiter und weitere Stakeholder.
Die Herausforderung der IOOI-Wirkungslogik bei Engagement besteht darin, aussagekräftige Kennzahlen und Bewertungsgrößen zu identifizieren und in die IOOI-Wirkungslogik zu übersetzen. Wir haben auf Basis unserer bestehenden Engagement-Richtlinie analysiert, welche Bewertungsgrößen und Kennzahlen ein aussagekräftiges Bild unseres Vorgehens ermöglichen und somit die Engagement-Aktivitäten messbar machen (untere Abbildung). Diese Impact-Messmethodik kann für jede Engagement-Aktivität der BKC angewendet werden, was künftig auch unser Anspruch ist.
Ist es bei Engagement-Aktivitäten noch relativ einfach, Input- und Output zu messen und zu bewerten, ist dies für den Outcome, vor allem aber den Impact um ein Vielfaches schwieriger. Die Wirkung auf gesamtgesellschaftlicher (ökologisch-sozialer) Ebene zu messen, ist mit verschiedenen Schwierigkeiten verbunden und meistens erst nach einem längeren Zeitraum möglich. Um diesen Problemen zu begegnen, nutzen wir ein Bewertungsmodell, das aus drei aufeinander aufbauenden Schritten besteht:
Schritt 1 - Vorbereitungsphase
Auf Basis von im Vorfeld zu prüfenden Faktoren werden entsprechende Engagement-Objekte und -Aktivitäten ausgewählt. Dabei stehen zwei Fragen im Fokus:
- Welche Nachhaltigkeitswirkung wird dem Nachhaltigkeitsthema und dem Engagement-Objekt zugerechnet?
- Welches Rendite-Risiko-Optimierungspotenzial bietet das Nachhaltigkeitsthema und das Engagement-Objekt im Portfoliokontext?
Bei der Festlegung des Engagement-Ziels und des -Objektes werden jeweils die angenommene Nachhaltigkeitswirkung sowie das angenommene Rendite-Risiko-Optimierungspotenzial mit einer von uns definierten Scoringverteilung bewertet.
Schritt 2 - Durchführungsphase
Der Zielerreichungsgrad der Engagement-Aktivität wird wie bereits beschrieben anhand eines Scores gemessen, der zeigt, in welchem Maße das Engagement-Objekt die Engagement-Forderungen umgesetzt hat.
Schritt 3 - Nachbereitungsphase
Die Wirkung der Engagement-Aktivität wird in dem entworfenen Modell auf Basis der Schritte 1 und 2 berechnet. Im Ergebnis werden dann die „Vermutete erzielte Nachhaltigkeitswirkung“ und das „Vermutete erzielte Rendite-Risiko-Optimierungspotenzial“ jeweils mit einem Gesamtscore zwischen Score 0 „nicht vorhanden“ bis Score 10 „sehr hoch“ ausgedrückt.
Schutz des Regenwaldes: Engagement mit Brasilien
Das Engagement mit einem Staat ist deutlich herausfordernder als mit einem Unternehmen, weshalb wahrscheinlich viele Investoren selten oder gar nicht ein Engagement mit Staaten anstrengen. Allerdings bleibt in diesen Fällen ein oftmals nicht unerheblicher Anteil ihres Portfolios von Engagement-Aktivitäten unberücksichtigt.
In der Planung des Brasilien-Engagements haben wir uns intensiv mit den verschiedenen Hürden bei einem Staaten-Engagement auseinandergesetzt. Erschwerend kam in diesem Fall hinzu, dass die Regierung Bolsonaro die Ressourcenausbeutung des Amazonas-Regenwaldes bewusst und aktiv vorangetrieben hat. Daher entschieden wir uns, weitere katholische Institutionen zu einer kollaborativen Engagement-Allianz zusammenzubringen.
Neben dem gebündelten finanziellen Druckpotenzial wurde so eine „hörbare katholische Investorenstimme“ geformt, die damit sowohl in kapitalmarktnahen Wirtschafts- und Finanzkreisen gehört wird als auch in vielen Gesellschafts- und Regierungskreisen im katholisch geprägten Brasilien. Diese Investoren-Allianz, bestehend aus 93 katholischen Institutionen aus 18 Ländern, ist bis dato das weltweit erste katholische Investoren-Engagement dieser Größenordnung.
Im März 2021 startete der Engagement-Dialog durch den Versand von Briefen an hochrangige brasilianische Regierungsvertreter und staatliche Entscheidungsträger. In den aus über einem Dutzend Forderungen bestehenden Engagement-Forderungskatalog drängte die katholische Investoren-Allianz darauf, dass die brasilianische Regierung einen konkreten Aktionsplan für einen stärkeren Schutz des Amazonas-Regenwaldes und der dort lebenden Bevölkerung aufstellt und umsetzt. Im Verlaufe des Engagements wurde hierüber ein intensiver Dialog mit einer großen Anzahl von hochrangigen brasilianischen Entscheidungsträgern geführt.
Mit Abschluss des Brasilien-Engagements im September 2023 bewerten wir den kompletten Forderungskatalog mit Ausnahme eines Teilaspekts als erfüllt beziehungsweise umgesetzt. Durch die nahezu vollständige Erfüllung unserer Forderungen bewerten wir den Zielerreichungsgrad der Engagement-Aktivität mit dem Score 9 „Mehrheitlich umgesetzt“.
Die eine noch nicht komplett umgesetzte Forderung bezieht sich auf den Themenkomplex des illegalen Goldabbaus im Amazonas und die Einführung eines Rückverfolgungssystems für Gold. Zwar wurde unsere Forderung dahingehend erfüllt, dass die brasilianische Steuerbehörde nun elektronische anstatt papierhafte Rechnungsquittungen für den Goldhandel vorschreibt und damit die Prüfung von Goldtransaktionen erstmals grundlegend ermöglicht. Jedoch stellt dies unserer Meinung nach noch kein umfassendes Rückverfolgungssystem dar. Wenngleich wir die Engagement-Aktivität als katholische Investoren-Allianz beendet haben, planen wir als Bank für Kirche und Caritas eine Engagement-Aktivität, die thematisch an diesem Punkt anknüpft.
Der Ergebnisbericht „Katholisches Investoren-Engagement mit Brasilien zum Schutz des Amazonas Regenwaldes und der indigenen Bevölkerung“ finden Sie hier zum Download.
Über den Autor:
Tommy Piemonte ist seit 1. Juli 2016 als Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei der Bank für Kirche und Caritas tätig. Dort verantworteter die Weiterentwicklung, operative Umsetzung und Überwachung der ethisch-nachhaltigen Anlagestrategie der Bank. Vor seiner Zeit bei der Bank für Kirche und Caritas war Tommy Piemonte Leiter der Nachhaltigkeitsratingagentur Imug aus Hannover.