Finvia-Gründer im Gespräch „Wir wollen Technologieführer sein“

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Verschwimmen die Grenzen damit komplett?

Murke: Nein, vollständig nicht. Beide haben zwar hohe Anforderungen an die Professionalität. Im Vergleich zu institutionellen Anlegern sind Family Offices und die durch sie betreuten Familienmitglieder aber noch emotional. Da spielen Menschen und Lebensmodelle eine Rolle. Der Institutionelle indes hat einen klaren Auftrag. Das darauf entstehende Spannungsfeld bilden wir in der Modernität ab, indem wir sagen: Wir haben die menschliche Komponente und die professionellen Prozesse bilden wir hochgradig digital von Anfang bis Ende ab.

Heißt konkret?

Neuhaus: Am Anfang steht ja immer die Frage „Was, lieber Kunde, willst du mit deinem Vermögen erreichen?“, anhand dessen dann eine individuelle strategische Asset Allocation, kurz SAA, erarbeitet werden sollte. Das Emotionale sind dann die Gegebenheiten des Kunden, wirtschaftliche Zwänge, Kenntnisse, Erfahrungen und seine emotionale Risikotragfähigkeit. Dazu sprechen wir mit den Kunden. Würde man sich selbstständig durch unsere zugehörige Beratungsstrecke durchklicken, hätte man in einer Viertelstunde die SAA. Bei anderen Anbietern ist das ein Prozess von vielen Wochen und dieser Zeitaufwand macht das für kleinere Vermögen unattraktiv.


Murke:
Und das ist nur der Initialaufwand. Wir dynamisieren zudem die strategische Asset Allokation, indem wir diese fortlaufend mit der Lebenssituation des Kunden und den Entwicklungen am Kapitalmarkt abgleichen. Die SAA ist damit nicht mehr statisch. Allerdings erfordert das eine gewisse Rechnerkapazität, denn im Grunde berechnen sie durchgehend eine ALM-Studie für jeden Kunden. Das Anlageziel ist für beispielsweise zehn Jahre mit dem Kunden festgelegt. Als Nebenbedingung gibt es dessen Liquiditätserfordernisse und Risikotragfähigkeit. Ertragserwartungen und Risikomaß bringt unsere Rechenmaschine aufgrund eines großen Datenkranzes zusammen. Verändert sich ein Parameter wesentlich, meldet sich die Maschine.

Beispiel Ausbruch der Corona-Pandemie und das Börsenbeben: Die Aktienkurse rauschten nach unten und damit stiegen deren Ertragserwartungen langfristig. Dann bekommen unsere Kundenberater sofort einen Hinweis, dass die Aktienquote hochgefahren werden sollte, und können das mit den Kunden durchsprechen.

Können denn auch andere Beratungsthemen digitalisiert werden?

Neuhaus: Wir sehen den Einsatz moderner Technik tatsächlich vor allem in der Kapitalanlage und der sich daraus ergebenden Beratung. Themen wie Familien- und Unternehmensnachfolgen, rechtliche und steuerrechtliche Fragen insgesamt, sind von Familie zu Familie zu verschieden, als dass sie sich momentan umfänglich sinnvoll digitalisieren lassen würden. Wo dies jedoch möglich ist, nutzen wir Expertise  auch im Rahmen unseres Partnerschaftsansatzes. So sind wir beispielsweise jüngst eine Kooperation mit Carl Finance eingegangen. Das Fintech bildet den gesamten Bereich des Unternehmensverkaufs digital ab und ergänzt unsere Leistungen und Expertise damit ideal.

Welche Anlageklassen stehen bei Ihnen im Fokus?

Neuhaus: Eine in heutigen Zeiten noch wichtigere Frage als ohnehin schon. Wir bilden nicht nur die liquiden Assets, sondern auch die illiquiden ab. Investmentthemen wie Private Equity sollten in der Vermögensallokation von Vermögenden eine zunehmende Rolle spielen – und wir bieten neben der Planungsphase auch den entsprechenden Zugang zu diesen Investments. Unser Gründerteam hat auch schon viele Jahre in diesem Bereich gearbeitet und entsprechende Netzwerke ausgebildet.

Uns geht es aber nicht nur darum, den Zugang zu ermöglichen, sondern diesen vor allem effizient anbieten zu können. Nicht nur über Dachfonds, sondern Einzelfonds. Unsere Gebühren sind dabei sehr wettbewerbsfähig, denn wir berechnen unsere Gebühren nicht auf die Kapitalzusage, dem Committment, sondern auf den NAV eines Fonds, also das echt investierte Kapital. Und da diese Anlagen ‚illiquide‘ sind, ist effiziente Liquiditätsplanung im Gesamtvermögen lebenswichtig, damit es kein böses Erwachen gibt. Das alles ist dann auch fortschrittlich zu nennen.


Murke:
Und man darf die Strukturierung nicht vergessen. Viele vermögenden Familien haben über die Jahre bereits ein Portfolio an Direktbeteiligungen und Private-Equity-Fonds aufgebaut. Aber das ist oft durch Zurufe entstanden: Willst du hier mit machen, willst du da mitmachen? Mit einer Struktur, die auf die strategische Vermögensallokation einzahlt, hat das dann häufig wenig zu tun. Wir hingegen erarbeiten in solchen Anlageklassen Zielportfolios. Inwiefern ist ein Private-Equity-Portfolio überhaupt diversifiziert, über Vintage-Jahre, Regionen, Branchen et cetera? Welches Investment ist überhaupt geeignet  und passt in den Portfoliokontext?