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Interview mit Marie Niemczyk „Wir setzen auf die Energiewende, faire Arbeit und Ethik“

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Immerhin ist der Trend eindeutig: Anlegerdialoge zielen darauf ab, die Praktiken der Unternehmen zu beeinflussen. Wenn es um wichtige Veränderungen in der Unternehmenspraxis geht, können jedoch kollektive Initiativen wirkungsvoller sein als individuelle Dialoge. Inwieweit gewinnen kooperative Initiativen aufgrund der Hebelwirkung, die sie den Aktionären bieten, bei Candriam an Bedeutung?

Niemczyk: Im Jahr 2021 haben wir im Rahmen unserer kooperativen Dialoge nicht weniger als 4.248 Unternehmen zu verschiedenen ESG-Themen angesprochen. Diese Emittenten machen 86 Prozent des von Candriam verwalteten Kapitals aus.

Könnten Sie den kooperativen Ansatz ebenfalls am Beispiel illustrieren?

Niemczyk: Im vergangenen Jahr starteten wir unsere erste gemeinsame Initiative zu den Risiken, die mit der Entwicklung und Nutzung von Gesichtserkennungstechnologien verbunden sind. Unserer Einschätzung nach, die viele Branchenpartner teilen, lässt das Verständnis für die Risiken und Herausforderungen im Zusammenhang mit neuen Technologien, insbesondere der Biometrie, generell noch zu wünschen übrig.

Der Hintergrund: Die Regulierungsbehörden sind nicht in der Lage, mit dem rasanten Tempo der Innovationen und den vielen Fragen, die sich stellen, Schritt zu halten. Wir hielten es für notwendig, in diesem Bereich eine Vorreiterrolle zu übernehmen, um die Diskussion zu fördern, die Probleme zu benennen, die Unsicherheit zu verringern und letztlich zur Festlegung bewährter Verfahren in diesem Bereich beizutragen.

Ein wichtiges Thema, ja. Wie sieht der kooperative Ansatz am Beispiel eines konkreten Unternehmens aus?

Niemczyk: Erinnern Sie sich an den Grenfell Tower, ein Hochhaus mit Sozialwohnungen im Westen von London? Er geriet 2017 in Brand. Mit 70 Toten und mehr als 70 Verletzten war dies der verheerendste Brand eines Wohngebäudes in Großbritannien seit dem Zweiten Weltkrieg.

Die Kingspan Group, ein Unternehmen mit Sitz in Irland, das Lösungen für Gebäude-Isolierung und -verkleidung anbietet und in das wir investiert sind, ließ daraufhin ihre Dämmplattensparte von externen Beratern genau untersuchen. Als führender Hersteller von Isolierungslösungen ist das Unternehmen in einem Sektor tätig, der eine äußerst wichtige Rolle in der raschen Entwicklung von Lösungen zur Verbesserung der globalen Energieeffizienz spielt.

Speziell für Kingspan hat die Tragödie im Grenfell Tower erhebliche Mängel in der Risikokontrolle, in der Compliance und Unternehmenssicherheit im Dämmplattensektor im Vereinigten Königreich zu Tage getragen. Das ordnungsgemäße Funktionieren dieser drei Sicherheitsstufen zur Steuerung des Risikomanagements auf Konzernebene wurde ganz allgemein in Frage gestellt. Kingspan gab „eine Reihe von nicht akzeptierbaren Prozessmängeln im Dämmplattengeschäft im Vereinigten Königreich ... [und] der Unternehmenskultur, die nicht dem allgemeinen Unternehmensgeist der Gruppe entspricht“ zu. Eine Beratungsgesellschaft wurde um Vorschläge für Abhilfemaßnahmen gebeten, die zusätzlich zu den bei Kingspan bereits durchgeführten Änderungen umgesetzt werden sollten.

Der Dämmplattenhersteller „isoliert“ sich, salopp gesprochen, seither nicht mehr gegenüber Share- und Stakeholdern?

Niemczyk: Wir bei Candriam sind der Meinung, dass sinnvolle Corporate-Governance-Praktiken zu einer Unternehmenskultur führen, die auf eine echte Berücksichtigung des Risikomanagements und der Compliance beruhen, was letztendlich langfristige Unternehmenswerte schafft.

Man sollte gewiss aber nicht erst dann reden, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Man muss frühzeitig auf die Unternehmen zugehen, oder?

Niemczyk: Wir haben bereits lange vor der Tragödie gemeinsam mit Kingspan an Governance-Themen gearbeitet. Die durch den Grenfell-Brand zu Tage getragenen Themen und festgestellten Mängel führten dazu, dass wir uns noch aktiver engagiert haben: Wir nahmen mit den wichtigsten Aktionären von Kingspan Kontakt auf, um mit ihnen unsere Bedenken zu diskutieren. Letztendlich haben wir beschlossen, unsere Kräfte mit einem von ihnen zu vereinen und gemeinsam mit dem Unternehmen an den drei genannten Themen der Betriebsführung zu arbeiten.