Umfrage Wie verschieden Private Banking und Vermögensverwalter Zertifikate nutzen
Nassauische Sparkasse
Setzen Sie Zertifikate bei der Geldanlage ein?
Ralf Ruhwedel: Ja! Zertifikate sind sogar unser wichtigstes Instrument zur Risikoreduzierung und -steuerung im (Aktien-)Portfolio. Während Investoren mit einer zyklischen Steuerung des Investitionsgrades dem Markt immer hinterherlaufen oder bei der taktischen Asset Allocation das Risiko von Fehlentscheidungen tragen müssen, können Zertifikate Ruhe und Stabilität ins Portfolio bringen. Denken Sie beispielsweise an ein klassisches Bonus-Zertifikat mit hohem Abstand zur Barriere. Durch den Sicherheitspuffer besteht keine unmittelbare Notwendigkeit, den Investitionsgrad in einem fallenden Markt zu reduzieren.
Welches Gewicht nehmen Zertifikate im Schnitt in einem Portfolio ein?
Ruhwedel: Wie sagt der Jurist: Es kommt darauf an. In den letzten Jahren lag der Anteil von Zertifikaten meist zwischen 30 bis 50 Prozent unseres Aktienportfolios. Vor allem volatile Marktphasen bieten oftmals besonders attraktive Konditionen. Solche Phasen nutzen wir gerne aus, indem wir dann vermehrt Zertifikate kaufen. Dabei achten wir sowohl auf eine breite Streuung der Anbieter als auch auf deren Bonität. Zu knapp 15 Emittenten pflegen wir einen regelmäßigen persönlichen Kontakt, kennen deren Stärken – auch aufgrund meiner Tätigkeit in der Jury der Zertifikate-Awards – und können somit immer die wettbewerbsstärksten Anbieter ins Rennen schicken, wenn wir Konditionen für Naspa-exklusive Emission einholen.
Hatten früher Zertifikate ein höheres Gewicht bei der Vermögensverwaltung?
Ruhwedel: Wenngleich Zertifikate gedanklich meist mit dem Aktienportfolio verknüpft sind, erfolgte unser Einstieg in die Welt der Derivate vor rund 20 Jahren mit kapitalgarantierten Produkten für das Rentenportfolio. Nach und nach kamen chancen-/risikoreichere Anlageprodukte im Aktienportfolio hinzu. Daran haben wir auch während der Finanzkrise – mit der Lehman-Pleite als negativem Höhepunkt – konsequent festgehalten. In Gesprächen mit unseren Kunden erläutern wir immer wieder die Funktionsweise der eingesetzten Produkte und unsere vorsichtige Herangehensweise mit dem Fokus auf Risikoreduzierung. Dafür erhalten wir mehrheitlich eine hohe Bestätigung und haben folgerichtig auch den Portfolioanteil der Zertifikate über die letzten Jahre peu à peu erhöht. Auch außerhalb unserer Vermögensverwaltung beobachten wir in den vergangenen Jahren eine weiter steigende Akzeptanz für Zertifikate. Dazu tragen auch die Emissionsplattformen/-rechner bei, mit denen sich jeder Anleger Konditionen und Szenarien auf Knopfdruck anzeigen lassen kann.
Welche Bedeutung haben Zertifikate bei der Absicherung der Portfolios?
Ruhwedel: Der Einsatz von Zertifikaten orientiert sich an der Investmentphilosophie unserer Vermögensverwaltung, die wiederum von den Kundenerwartungen abgeleitet ist: „Eine Reduzierung des Risikos sehen wir grundsätzlich wichtiger an als eine überdurchschnittliche Performance in steigenden Marktphasen.“ So kommt es, dass sich zu Jahresbeginn fast immer Discount-Zertifikate in unserem Portfolio wiederfinden. In einem fallenden oder moderat steigenden Markt ist uns damit eine Outperformance zum Basiswert sicher. In einem Bullenmarkt erzielen wir einen positiven Ertrag, der jedoch gedeckelt ist.
Um weiter Aktienmarktrisiken zu reduzieren, finden sich durchgängig auch verschiedene Bonus-Zertifikate auf große Indizes in unserem Bestand. Die Risikopuffer zur Barriere bieten Sicherheit bei sinkenden Kursen, nach oben erfolgt eine 1:1-Partizipation (ex Dividende). Vorrangig nutzen wir Bonus-Zertifikate, um entweder hohe Kursniveaus abzusichern oder bei einem fallenden Aktienmarkt frühzeitig einen Einstieg zu finden, ohne schutzlos ins berühmte fallende Messer greifen zu müssen.
Für nicht investierte Liquidität müssen Minuszinsen gezahlt werden. Dies vermeiden wir durch sehr defensive Express-Zertifikate, mit denen wir Kupons zwischen 2 bis 4 Prozent p.a. anstreben.
Nutzen Sie Hebelzertifikate?
Ruhwedel: Wie schon erläutert liegt unser Fokus auf der Risikoreduzierung. Daher möchten wir mit dem Einsatz von Zertifikaten kein erhöhtes Kursrisiko gegenüber dem zugrundeliegenden Basiswert eingehen. Aus diesem Grund setzen wir keine Faktor- oder Knock-Out Zertifikate ein.
Mit Sprint-Zertifikaten nutzen wir jedoch gerne einen „Aufwärtshebel“, der die Basiswertentwicklung in einem festgelegten Bereich hebelt, ohne bei fallenden Notierungen ein erhöhtes Downside-Risiko zu haben. Eine klassische Jahresendrallye lässt sich damit beispielsweise verstärkt im Portfolio abbilden.
Welche Themen sind derzeit bei thematischen Zertifikaten besonders relevant?
Ruhwedel: In den letzten Jahren wurden Zertifikate mit interessanten Feature“ entwickelt, zum Beispiel integrierte Einstiegssteuerung, automatische Gewinnsicherung oder bedingter Kapitalschutz. Speziell für uns in der Vermögensverwaltung ist das stetig zunehmende Angebot von ESG-konformen Basiswerten seitens der Emittenten sehr erfreulich. Hier bleibt es spannend, welche dieser „nachhaltigen“ Indizes sich durchsetzen werden.
Wie beurteilen Sie die Entscheidung zur Verlustrechnung von Termingeschäften?
Ruhwedel: Grundsätzlich, insbesondere nach der ganz aktuell durch den BFH nicht als verfassungskonform bewerteten eingeschränkten Verrechnung von Aktienverlusten, ist dieser zusätzlich geschaffene neue Verrechnungskreis für Termingeschäfte abzulehnen. Im Gegensatz zur ursprünglichen Intention des Gesetzgebers zur Steuervereinfachung durch die Einführung der Abgeltungsteuer erhöht dies – wie viele Regelungen der letzten Jahre – die Komplexität. Mit singulärem Blick auf Zertifikate ist zumindest das jüngste BMF-Anwendungsschreiben erfreulich, da laut diesem weder Anlage- noch Hebelprodukte unter den Begriff „Termingeschäfte“ fallen und somit in der Gewinn-/Verlustbetrachtung keinen steuerlichen Einschränkungen unterliegen.