Praxisfall vom Deutsche Oppenheim Family Office Wie treffgenau Kapitalmarktprognosen sind – und was das für die SAA bedeutet

Stefan Freytag und Vladislav Gounas

Stefan Freytag (links) und Vladislav Gounas vom Deutsche Oppenheim Family Office haben ihre Kapitalmarktprognosen mit der tatsächlichen Entwicklung der Märkte verglichen. Foto: Deutsche Oppenheim Family Office

Vor einigen Jahren analysierte der Bloomberg-Kolumnist Nir Kaissar eine Reihe von Kapitalmarktprognosen von Marktforschern über einen Zeitraum von 17 Jahren von 1999 bis 2016. Er stellte fest, dass zwischen der durchschnittlichen Prognose und dem Jahresendpreis des S&P 500-Index zwar eine bescheidene Korrelation bestand. Im jeweiligen Jahr erwiesen sich diese Vorhersagen bei großen Marktveränderungen jedoch als überraschend unzuverlässig.

Man sollte sich über diese Ergebnisse nicht allzu sehr wundern, da sie eine direkte Implikation der Effizienzmarkthypothese sind. Die Hypothese eines effizienten Marktes hat einige Schwächen, aber um die Marktmacht auf der Grundlage der Marktpsychologie zu schlagen, ist ein besseres Verständnis der massenpsychologischen Auswirkungen auf den Finanzmärkten erforderlich, die von einzelnen Prognostikern, geschweige denn von einzelnen Anlegern, kaum angenommen werden können.

Kapitalmarktprognosen sind essenziell für die SAA

Vor diesem Hintergrund klingt es etwas grotesk, trotzdem ein Plädoyer für längerfristige Prognosen am Kapitalmarkt zu halten. Sie sind essenziell für die Vorbereitung der wichtigsten Entscheidung im Investmentprozess: die Festlegung einer langfristigen strategischen Asset Allocation (SAA). Als eines der größten Multi-Family Offices in Deutschland berät das Deutsche Oppenheim Family Office seit mehr als 10 Jahren Mandanten zur strategischen Asset Allocation (SAA). Dies haben wir als Anlass genommen, um unsere Annahmen und Erwartungen in 2013 mit der tatsächlichen Kapitalmarktentwicklung der darauffolgenden 10 Jahre zu vergleichen.

In der SAA arbeiten wir mit einem proprietären quantitativen Modell, das eine Szenarioanalyse für Kapitalmärkte erstellt. Für die Modellierung einer Assetklasse befassen wir uns im Wesentlichen mit drei Fragen:

  1. Welche Rendite wird in einem durchschnittlichen Kapitalmarktszenario erwirtschaftet?
  2. Welche Abweichungen vom Durchschnitt können in positiven und negativen Szenarien eintreten?
  3. Welche (nicht-)linearen Zusammenhänge bestehen zu anderen Assetklassen?

Frage 1 widmet sich der erwarteten Rendite. In der folgenden Tabelle vergleichen wir für ausgewählte Assetklassen unsere langfristigen Renditeerwartungen per 2013 mit der realisierten Rendite nach 10 Jahren:

Annahmen per 2013 in %

Erwartete Rendite p. a. nach 10 Jahren

Realisierte Rendite p. a. nach 10 Jahren

Erwartetes Risiko anhand Volatilität p. a.

Euro Staatsanleihen

2,8

0,9

4,7

Unternehmensanleihen

4,4

1,3

6,4

Aktien Industrieländer

7,3

11,0

18,5

Aktien Schwellenländer

9,4

5,0

29,0

Rohstoffe

5,8

1,1

18,5

Gold

5,2

7,9

15,8


Wir erkennen sofort, dass bei keiner Assetklasse die Rendite perfekt prognostiziert wurde – und das ist wenig verwunderlich. Um 2013 die korrekte annualisierte Rendite für 2023 vorherzusagen, hätten wir wissen müssen, dass in den kommenden Jahren ein negatives Zinsumfeld herrschen, Donald Trump US-Präsident werden, eine globale Pandemie ausbrechen und Russland die Ukraine überfallen würde, um nur einige wenige Großereignisse zu nennen.

Da die Zukunft nicht vorhersehbar ist, ist deshalb Frage 2 umso relevanter. Kapitalmärkte sind von Schocks geprägt, die sich in der Volatilität manifestieren. Volatilität ist der Grund, warum Punktprognosen für Renditen keinen Sinn ergeben. Stattdessen zeichnet sich eine gute SAA-Modellierung dadurch aus, dass sich die Marktentwicklung innerhalb der vorab ausgewiesenen Renditebandbreiten beziehungsweise Risikogrenzen bewegen sollte. Werden Risikogrenzen im Nachgang signifikant gerissen, so wurden Chancen oder Risiken vorab unterschätzt.

Aufschluss über die Güte unserer Modellierung liefert ein Blick auf unsere in 2013 generierten Szenarien. Werfen wir den ersten Blick auf die Euro-Anleihenmärkte:

Quelle: Deutsche Oppenheim Family Office AG und Bloomberg Finance L.P., Stand: Dezember 2023
Wertentwicklungen der Vergangenheit sind keine geeigneten Indikatoren für die zukünftige Wertentwicklung.

Die gelbe Linie stellt unsere kumulierte erwartete Rendite per 2013 dar und die schwarz gestrichelte Linie die empirische kumulierte Jahresrendite der Assetklasse. Der graue beziehungsweise rote Bereich symbolisiert sehr positive beziehungsweise sehr negative Szenarien. Die blaue Fläche können wir als „normale“ Szenarien interpretieren.

Ein Jahrzehnt der Extreme für Staatsanleihen

Während die empirische Entwicklung von Unternehmensanleihen bis 2021 nahe an unserem Renditeerwartungswert lag, haben sich die Euro Staatsanleihen in zweierlei Hinsicht interessant entwickelt. Zum einen war die Entwicklung lange Zeit als „überdurchschnittlich“ positiv zu bewerten. Ein extrem niedriges Zinsumfeld, das über Jahre hinweg negativ war, spiegelte sich in einer überdurchschnittlichen Rendite (wesentlich bedingt durch Kurssteigerungen) wider.

 

Folglich weist das Modell korrekt auf, dass das Niedrigzinsumfeld nicht als „normal“ anzusehen war. Zum anderen erkennen wir, dass Risiken sich erst langfristig materialisieren können. Im langfristigen Kontext hat der Anleihen-Crash in 2022 unser Risikobudget (Konfidenz 95 %) zwar kurzfristig unterschritten, jedoch den roten Bereich nicht verlassen. Somit wurden auch langfristige Risiken realistisch eingefangen.

Zusammengefasst war das letzte Jahrzehnt für Euro Staatsanleihen ein Jahrzehnt der sehr positiven und negativen Extreme. Die empirische Entwicklung hat nicht unserem erwarteten Basisszenario entsprochen. Der Unterschied zu herkömmlichen Prognosen jedoch ist, dass wir in der SAA Investoren über Chancen und Risiken aufklären, falls Kapitalmärkte sich anders entwickeln sollten als erwartet. Blicken wir nun als Nächstes auf Aktien.

Quelle: Deutsche Oppenheim Family Office AG und Bloomberg Finance L.P., Stand: Dezember 2023
Wertentwicklungen der Vergangenheit sind keine geeigneten Indikatoren für die zukünftige Wertentwicklung.

Während die Entwicklung von Aktien aus Schwellenländern bis einschließlich 2021 nahezu wie erwartet verlief, war das letzte Jahrzehnt für Aktien aus Industrieländern überdurchschnittlich positiv. Einen signifikanten Anteil an dieser Entwicklung hatten amerikanische Technologiewerte, die ein zunehmend hohes Gewicht im MSCI World einnahmen. Zusätzlich erzeugte die Aufwertung des US-Dollars für positive Performanceeffekte für Euro-Investoren. So hat der MSCI Europe von 2013 bis 2023 eine Rendite von 6,5 % p.a. erzielt, was knapp unter unserer Erwartung von 7,3 % p. a. lag. Der MSCI USA in Euro hingegen hat im gleichen Zeitraum eine Rendite von 13,9 % p. a. erwirtschaftet und somit eine Outperformance gegenüber unseren Erwartungen generiert. Nichtsdestotrotz kann die Entwicklung an den Aktienmärkten im Rahmen unserer Szenarien als „normal“ bezeichnet werden.

Abschließend bewerten wir unsere Modellierung von Rohstoffen:

Quelle: Deutsche Oppenheim Family Office AG und Bloomberg Finance L.P., Stand: Dezember 2023
Wertentwicklungen der Vergangenheit sind keine geeigneten Indikatoren für die zukünftige Wertentwicklung.

Im Gegensatz zu Aktien haben wir bei Rohstoffen durchgängig eine unterdurchschnittliche Rendite beobachtet. Lediglich im Jahr 2022, als Russland die Ukraine überfallen hat und dadurch die Öl- und Gaspreise in die Höhe schossen, gab es einen kurzfristigen Gleichklang zwischen langfristiger Erwartung und Realisation.

Auf Bandbreiten statt auf Punktprognosen setzen 

Umgekehrt verhielt es sich für Gold, das vom Niedrigzinsumfeld und positiven Währungseffekten in Euro profitieren konnte. Zudem zeigt sowohl unsere Modellierung als auch die empirische Entwicklung gut auf, dass Gold unter den Rohstoffen im Rahmen der SAA eine Sonderrolle einnimmt.

Finanzmärkte sind von Unsicherheit geprägt und den genauen zukünftigen Verlauf vorherzusagen ist für Mensch und (wahrscheinlich auch) Maschine ein unmögliches Unterfangen. Selbst die rollierenden 10-jährigen Durchschnitte der Renditen des S&P 500 Index bewegten sich in den letzten 85 Jahren zwischen den Extremwerten von -7 % p. a. und +20 % p. a. Für die rollierenden 20-jährigen Durchschnitte verengt sich die Spannbreite zwischen 0 % p. a. und +18,5 % p. a., bleibt aber immer noch vergleichsweise groß.

Statt auf Punktprognosen zu setzen, sollten Investoren bei der langfristigen Anlage in Szenarien beziehungsweise in Bandbreiten für Renditen denken. Vor allem aber sollten sie sich nicht von der jüngsten Vergangenheit beeinflussen lassen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Vergangenheit in der Zukunft wiederholt, ist gleich null.


Über die Autoren:

Stefan Freytag ist seit 2013 Vorstandsmitglied und seit Januar 2020 Sprecher des Vorstands des Deutsche Oppenheim Family Office. Sein besonderer Verantwortungsbereich ist die Family-Office-Beratung und das Investmentconsulting.

Vladislav Gounas Abteilungsleiter Quantitative Investment Solutions (QIS) und Teil der erweiterten Geschäftsführung des Deutsche Oppenheim Family Office. In dieser Funktion leitet er die Strategische Asset Allokation und ist für das operative Management der Passiv-Plus-Dachfonds verantwortlich.

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