Vor einem Vierteljahrhundert, im Jahr 1998, hat das damalige Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (Bawe) die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Branche der unabhängigen Vermögensverwalter in Deutschland geschaffen. Dabei wurden zum Start insgesamt 1.429 Institute registriert, die über eine Zulassung als Finanzportfolioverwalter verfügten. Im Folgejahr hat sich der Markt stark konsolidiert, und durch zahlreiche Rückgaben der erteilten Übergangslizenzen sind schließlich circa 500 Adressen übriggeblieben, die unabhängige Finanzportfolioverwaltung in Deutschland angeboten haben.
Spätestens mit Einführung der Mifid I im Jahre 2007 herrschte allseits die Meinung vor, dass es zu einer umfassenden Konsolidierung kommen und zahlreiche Anbieter vom Markt verschwinden würden. Ist es tatsächlich so gekommen? Hat die vorhergesagte umfangreiche Marktkonsolidierung stattgefunden, und was waren die Entwicklungen hinter den Zahlen?
Finanzportfolioverwalter: Verschiedene Dynamiken bestimmen den Markt
Im Zeitraum seit 2014 hat sich die Anzahl der unabhängigen Wertpapierinstitute mit einer Zulassung als Finanzportfolioverwalter um knapp 9 Prozent verringert. Eine umfassende Marktkonsolidierung sieht anders aus. Interessant ist auch die Bruttoveränderung im Beobachtungszeitraum: Seit 2014 sind immerhin 126 Unternehmen neu an den Markt gekommen, während 151 vom Markt verschwunden sind. Es scheint also, als würden verschiedene Dynamiken den Markt bestimmen.
Die Daten für die vorstehende Erhebung stammen aus der Marktdatenbank von Pro Boutiquenfonds, die auf den Veröffentlichungen der Bafin basiert und unabhängige Marktteilnehmer enthält, an denen weder eine Bank noch eine Versicherung maßgeblich beteiligt ist und die ihren Hauptunternehmenssitz in Deutschland haben.
Das sind die Gründe für Lizenzrückgaben
Zunächst sollte die Frage beantwortet werden, warum Gesellschaften überhaupt vom Markt verschwinden. Bei näherer Betrachtung der Gründe für Lizenzrückgaben fällt auf, dass mit mehr als 58 Prozent eine Veränderung des Geschäftsmodells oder ein Scheitern des Businessplans der häufigste Grund ist. Die altersbedingte Rückgabe oder die oftmals ins Feld geführte nicht geregelte Nachfolge folgt auf dem zweiten Platz mit einem Anteil von 28 Prozent. Eine
Übernahme (9 Prozent) und die strengere Regulierung (5 Prozent) belegen die Plätze 3 und 4. Die Zahlen zeigen also, dass Übernahmen als Grund für eine Lizenzrückgabe nicht oft vorkommen.

Ein maßgeblicher Grund hierfür ist, dass derartige Transaktionen komplex und deshalb nur für größere Einheiten wirtschaftlich sinnvoll durchführbar sind. Zudem muss der Käufer umfangreiches Knowhow mitbringen, um eine Übernahme erfolgreich abwickeln zu können. Gerade in den vergangenen Jahren haben sich einige Marktteilnehmer aus dem Private-Equity-Bereich den Markt der unabhängigen Vermögensverwalter als Investitionsziel ausgesucht, um die Konsolidierung voranzutreiben und an dem Wachstumspotenzial des Marktes teilzuhaben.
Aufgefallen ist in jüngster Vergangenheit die Gesellschaft Cinerius Financial Partners, die einige Mehrheitsbeteiligungen und Übernahmen an unabhängigen Vermögensverwaltern eingegangen ist. Ebenso am Markt aktiv ist die Private-Equity-Gesellschaft J.C. Flowers, die Beteiligungen an den Gesellschaften Lunis und Huber, Reuss & Kollegen unterhält, die zur HRK Lunis fusionieren. Daneben gibt es noch weitere Marktteilnehmer, die Vermögensverwalter unter ihrem Dach bündeln, aber nicht dem Private-Equity-Lager zuzuordnen sind und auch andere Strategien verfolgen. Zu nennen sind hier insbesondere die Unternehmen Amauris und Laiqon.
Die oft diskutierte Regulierung scheint indes ein weniger starker Konsolidierungstreiber zu sein als häufig angenommen oder von Marktteilnehmern betont. Für Gesellschaften, die die Hürde der Lizenzierung überwunden haben, ist es offenbar in den allermeisten Fällen noch darstellbar, die Lizenz aufrechtzuerhalten. Die aufsichtsrechtliche Regulierung für Vermögensverwalter dürfte jedoch weiter an Dynamik gewinnen und dazu führen, dass steigende Provisionserlöse und zunehmende verwaltete Assets immer wichtiger werden, um langfristig am Markt bestehen zu können.
Steigende Mitarbeiterzahlen in der Vermögensverwalterbranche
Die Organisationsstruktur und das Geschäftsmodell müssen es zulassen, dass Skaleneffekte erzielt werden können. Nur so ist es möglich, einen positiven Deckungsbeitrag zu erzielen. Gesellschaften, die das nicht schaffen, werden langfristig am Markt eigenständig nicht
bestehen können. Dass die meisten bestehenden Unternehmen dies erkannt haben, zeigt sich daran, dass die Mitarbeiterzahlen in der Branche steigen.
In einer Untersuchung konnten wir feststellen, dass die Branche in den vergangenen vier Jahren ein Mitarbeiterwachstum von knapp 20 Prozent verzeichnen konnte und mittlerweile mehr als 4.800 Personen beschäftigt. Vermutlich wäre das Wachstum noch stärker ausgefallen, wenn es den Unternehmen gelungen wäre, noch mehr geeignetes Personal zu finden.
Unabhängige Vermögensverwalter professionalisieren Geschäftsmodelle
Insgesamt zeichnet sich in den vergangenen Jahren ab: Unternehmen, die mit einer eigenen Lizenz neu in den Markt der unabhängigen Vermögensverwaltung ein treten, agieren deutlich professioneller, als dies noch zu Beginn der gesetzlichen Regulierung vor 20 Jahren zu beobachten war. Die Gründer haben in der Regel eine klare Vorstellung von ihrem Geschäftsmodell und ein Team, das über die notwendigen Kompetenzen in Vertrieb, Portfoliomanagement, Regulatorik und IT verfügt, um die Herausforderungen des Marktes und des Regulators zu meistern. In den vergangenen Jahren konnten sich zahlreiche neue Gesellschaften etablieren, die nach kurzer Zeit Vermögen im Milliardenbereich betreuten.

Weitere Veränderungen stehen dem Markt bevor, wie ein Blick auf die Altersstruktur der Geschäftsleiter verrät, die häufig auch die Unternehmensgründer sind. Nach Erhebungen von Pro Boutiquenfonds ist fast ein Drittel der Geschäftsleiter unabhängiger Vermögensverwalter mittlerweile älter als 60 Jahre. Daraus leitet sich dringender Handlungsbedarf ab, um die Weichen für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge zu stellen: entweder durch den Aufbau junger Mitarbeiter, die geeignet sind, künftig das Unternehmen zu führen, oder durch externe Lösungen in Form eines Zusammenschlusses mit anderen Marktteilnehmern oder aber durch die Hereinnahme eines externen Investors.
Die Möglichkeiten sind vielfältig, sollten aber frühzeitig angegangen werden, da eine Umsetzung häufig mehr Zeit in Anspruch nimmt, als zunächst vermutet. Ansonsten bleibt am Ende vielleicht nur eine ungeordnete Lizenzrückgabe, und die langjährig betreuten Kunden müssen sich selbstständig einen neuen Berater suchen. Ein Vermögensverwalter, der selbst Kunden bei der Vorsorge und strategischen Vermögensplanung berät, sollte als gutes Beispiel für seine Kunden vorangehen und auch im eigenen Unternehmen rechtzeitig für seine eigene Nachfolge vorsorgen.
Markt wird weiter wachsen, Zahl der Anbieter aber sinken
Der Markt der unabhängigen Vermögensverwalter wird in den nächsten Jahren insgesamt wachsen, die Anzahl der lizensierten Finanzportfolioverwalter aber vermutlich weiter zurückgehen. Hauptgründe hierfür sind die umfassende und zunehmende Regulierung, die Altersstruktur der Unternehmen und die steigende Wettbewerbsintensität sowie der anhaltende Margendruck. Zudem wird das Haftungsdach eine immer beliebtere Alternative, um einen Markteintritt zu wagen, ohne eigene Lizenz zu beantragen.
Allerdings gibt es auch einen großen Wachstumstreiber der Branche: ein dynamisches Mitarbeiterwachstum bei den am Markt tätigen unabhängigen Gesellschaften. Obwohl es für Vermögensverwaltungen – ähnlich wie für Banken – nicht leicht ist, qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren, verzeichneten die Unternehmen wie erwähnt zwischen 2017 und 2020 ein beachtliches Personalwachstum. Im privaten Bankgewerbe ging die Mitarbeiterzahl im gleichen Zeitraum hingegen um 5 Prozent zurück. Hält dieser Trend an, dürften unabhängige Vermögensverwalter ihren Marktanteil in Zukunft weiter ausbauen.

Über den Autor:
Frank Eichelmann ist einer von drei Geschäftsführern der Beratungsgesellschaft Pro Boutiquenfonds. Er berät seit 1998 unabhängige Vermögensverwalter. Zuvor betreute er für Berenberg, Hauck & Aufhäuser sowie die UBS das Geschäft mit Vermögensverwaltern.