EY-Spezialistin Wie sich Anbieter von ESG-Daten unterscheiden

Natalie Brandau, EY-Managerin im Wealth- und Asset-Management-Team

Natalie Brandau, EY-Managerin im Wealth- und Asset-Management-Team: Die steigenden Anforderungen an die ESG-Datenintegration erfordern von Unternehmen eine genaue Kenntnis des ESG-Datenanbieter-Marktes. Foto: EY

Überblick

  • Die Auswahl des richtigen ESG-Datenanbieters beginnt damit, die eigenen Datenanforderungen zu kennen und zu verstehen.
  • Die von uns durchgeführte Analyse von mehr als 100 Datenanbietern und deren Datendienstangeboten zeigt, wie diese die ESG-Kernthemen unterschiedlich abdecken.
  • Finanzdienstleister sollten vier konkrete Schritte unternehmen, um aus externen ESG-Daten den größtmöglichen Nutzen zu erzielen.

Wenn es um Daten geht, gilt die Regel „garbage in, garbage out“ für grüne Investitionen genauso wie für andere Investitionsstrategien. Investoren benötigen in bestimmtem Umfang standardisierte Daten, um Relevanz, Objektivität und Vergleichbarkeit herzustellen. Allerdings stehen sie fragmentierten Daten aus zahlreichen Quellen gegenüber – Unternehmensberichten, Zeitungsartikeln, von Datenanbietern und Rating-Agenturen.

Angesichts immer ausgereifterer Berichtsstandards für Unternehmen und der Vielzahl von Taxonomien und Methodiken, auf die die ESG-Datenanbieter zurückgreifen, stellt die Qualität und Konsistenz der ESG-Daten aktuell eine echte Herausforderung dar.

Da Investoren gleichzeitig aber präzisere und transparentere Informationen für ihre Investitionsentscheidungen fordern und zunehmend Bedenken wegen Greenwashing haben, ist es geboten, dass die ESG-Datenintegration schnell vorangeht. Wir bei EY sind davon überzeugt, dass die ESG-Berichterstattung dieselbe Bedeutung haben sollte wie die Finanzberichterstattung. Entsprechend sollte sie auch reguliert werden - dann können Investoren die wirtschaftliche Auswirkung unterschiedlicher ESG-Strategien und -Ziele besser beurteilen.

Unsere Recherchen ergaben, dass führende Finanzdienstleistungsunternehmen damit begonnen haben, ESG-Teams in ihre Systeme und Prozesse einzubinden. Außerdem setzen sie zunehmend umfangreiche Daten- und Technologielösungen ein. Diese ermöglichen es Portfoliomanagern, ESG-Kennzahlen genauso schnell wie herkömmliche Finanzkennzahlen abzurufen. Viele dieser führenden Unternehmen verlassen sich nicht länger ausschließlich auf ESG-Datenanbieter. Vielmehr kombinieren sie Daten externer Dienstleister mit unternehmenseigenen Daten, um einen tieferen Einblick zu gewinnen. Auch kleinere Finanzdienstleister sind mittlerweile dazu übergegangen, mehrere Datensätze zu erwerben und diese in ihre eigene Analyse einzubinden.

Diesen signifikanten Investitionen in Daten, Systeme und Spezialisten steht eine komplexe und uneinheitliche Struktur bei ESG-Ratingagenturen und ESG-Datenanbietern gegenüber. Das Problem: Finanzdienstleister können Anbieter und Lösungen nur schwer miteinander vergleichen. Denn die zugrunde liegenden Datenquellen sind untereinander wenig konsistent. Hinzu kommt die Herausforderung, herauszufinden, welche der unterschiedlichen Lösungen auf dem Markt am besten für die speziellen ESG-Datenerfordernisse der Finanzdienstleister geeignet sind.

Vergleich der ESG-Datenanbieter

Unsere Untersuchung von mehr als 60 der größten Finanzdienstleister in Europa und den USA hat ergeben: Die meisten Unternehmen greifen auf zwei bis fünf Anbieter zurück, um ihren Bedarf an ESG-Daten zu decken. Einige wenden sich an bis zu zehn externe Dienstleister. Eines ist offensichtlich: Eine universelle ESG-Datenlösung, die alle Bedürfnisse befriedigt, gibt es nicht.

Um unsere Kunden bei der Integration von ESG-Daten in ihre Prozesse und Systeme zu unterstützen, analysieren wir regelmäßig den Markt der ESG-Datenanbieter und untersuchen dabei über 100 Anbieter und deren Datendienstangebote. Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Analyse sind:

  • Lösungsangebote für die wesentlichen ESG-Regulierungen variieren stark. Einige Dienstleister bieten zwar eine Reihe von Tools an, die gleichzeitig verschiedene Anwendungsfälle abdecken. Oft liegt der Fokus aber nur auf bestimmten ESG-Aspekten. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Zahl der Anbieter, die bei der Erfüllung der wesentlichen ESG-Regulierungen Unterstützung leisten – zum Beispiel bei der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR), der EU-Taxonomie und den Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD). Dargestellt werden außerdem die Datenabdeckung bei Angeboten wie ESG-Scorings und -Indizes, ESG-Rohdaten und Stimmungsanalyse sowie die unterschiedlichen klimarelevanten Modellierungsfähigkeiten.
  • Alle Modelle verwenden vereinfachte Annahmen, wodurch sich die Ergebnisrelevanz verringert. Eine präzise Erfassung von Extremrisiken („Tail-Risiken“) und unkoordinierten oder verzögerten politischen Maßnahmen ist bei Standardmodellen nicht möglich. Es gilt, ein Modell zu finden, das die Geschäftstätigkeit, die Branche oder den Markt des Investitionsobjekts am besten abbildet. Dieses Modell sollte dann an die spezielle Situation des jeweiligen Unternehmens angepasst werden, um bessere Ergebnisse erzielen zu können.
Tabelle: ESG-Datenlieferanten bieten eine große Bandbreite an ESG-Datenlösungen

  • Es bleibt häufig intransparent, wie Daten erfasst werden. Um Ergebnisse beurteilen zu können, muss jedoch ein Verständnis der Inputdaten, Annahmen und Einschränkungen vorliegen. Einige Ratingunternehmen legen zum Beispiel zu viel Gewicht auf bestimmte ESG-Themen. Finanzdienstleister müssen dann entscheiden, ob diese Themen für sie wesentlich sind. Zudem kalibrieren manche Ratingunternehmen ihren Score mit einer Stimmungsanalyse. Andere wiederum tun das nicht.
  • ESG-Scores korrelieren nur wenig untereinander. Für Investoren, die Äpfel nicht mit Birnen vergleichen möchten, stellt die mangelnde Konsistenz der ESG-Daten ein echtes Problem dar. Viele wenden ein, dass es nicht immer zielführend sei, Scoring-Methoden zu standardisieren. Denn welche Risiken jeweils wesentlich sind, unterscheide sich von Unternehmen zu Unternehmen. Der einzige Bereich, in dem die Konsistenz der Daten sichergestellt ist, ist die Berichterstattung für aufsichtsrechtliche Meldezwecke.
  • Eine Lösung, die alle Anlageklassen abbildet, gibt es nicht. Mit den meisten Datenlösungen werden Aktien und Unternehmensanleihen abgedeckt. Immobilien und Infrastruktur werden eher durch physische Risikomodellierung erfasst. Ein großer Teil der Vermögenswerte wird also nicht berücksichtigt – wovon insbesondere Private-Equity-Unternehmen und Kreditinstitute betroffen sind, die viele nicht börsennotierte Werte im Portfolio haben.
  • Dass ESG-Daten nur unzureichend verfügbar sind, ist für Datenanbieter wie für Finanzdienstleister gleichermaßen eine große Herausforderung. Zwischen den Branchen gibt es große Unterschiede: So liegen für Sektoren mit höheren Treibhausgasemissionen wie die Öl- und Gasindustrie Daten von besserer Qualität vor. Für andere Branchen hingegen – etwa die Land- und Forstwirtschaft, bei der der Schwerpunkt bislang nicht auf dem CO2-Ausstoß lag – mangelt es noch an Daten. Hier besteht aufgrund mit den neuen Regelungen ein Nachholbedarf. Für weniger bedeutende Industriezweige werden mittlerweile Datensätze entwickelt. Diese sind jedoch noch nicht ausgereift.