Noch nie hat eine Generation so viel Vermögen an die nächsten Generationen weitergegeben wie derzeit. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes waren es im vergangenen Jahr 121 Milliarden Euro – ein neuer Rekordstand. Doch das sind nur die steuerlich veranlagten Fälle. Schätzungen wie die des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gehen davon aus, dass das insgesamt vererbte und verschenkte Vermögen hierzulande jedes Jahr bei rund 400 Milliarden Euro liegt. Dazu kommt, dass die vererbten Vermögen immer komplexer werden. Denn längst geht es nicht allein um Barmittel, sondern auch um Wertpapierdepots, Immobilien oder die Weitergabe von Unternehmen an die nächste Generation.
Das bedeutet auch, dass der Bedarf an einer umfassenden Nachfolgeplanung zunimmt und die Anforderung an ein professionelles Generationenmanagement des Vermögens steigt. Und damit wird Estate Planning zunehmend wichtiger.
Im FPSB Deutschland ist das Estate Planning klar definiert: Der Verband versteht darunter, alle wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des Vermögensübergangs seitens des Erblassers, seiner Erben und der nachfolgenden zweiten Generation zu planen und transparent zu machen. Aspekte wie die Liquidität- und Vermögensentwicklung, bezogen auf die individuelle Situation des Vermögensinhabers, stehen im Fokus. Das Estate Planning kann dabei im Rahmen des Financial Planning, also der ganzheitlichen Finanzplanung, erbracht werden oder isoliert als Themenberatung und damit als eigenständige Dienstleistung. Estate Planning wird auch als „Financial Planning zu Ende gedacht“ bezeichnet.
Berührungspunkte mit der Rechts- und Steuerberatung
Doch ein umfassendes Estate Planning bringt es mit sich, dass dabei auch rechtliche und steuerliche Themen mitzuberücksichtigen sind. Ohne Zweifel gibt es zwischen dem Nachfolge- und Generationenmanagement einerseits und der Rechts- und Steuerberatung andererseits viele potenzielle Berührungspunkte und klare Grenzen. Und damit stellt sich beim Nachfolgemanagement die Frage nach möglichen Haftungsrisiken für den Estate Planner. Soweit es die CFP- und die CFEP-Zertifikatsträger des FPSB Deutschland betrifft, sind diese grundsätzlich den Standesregeln des FPSB Deutschland verpflichtet.
Verstöße gegen diese Regeln, bei denen es sich um reines Innenrecht des Verbandes handelt, können für ein Mitglied verbandsrechtliche Sanktionen zur Folge haben, die bis zur Aberkennung des Rechts zur Führung des Zertifizierungszeichens und zum Ausschluss aus dem FPSB Deutschland führen können. Doch auch wenn diese Standesregeln die in weiten Teilen ohnehin bestehenden zivilrechtlichen Verhaltens- und Haftungsstandards widerspiegeln, so lohnt es sich dennoch, einen genaueren Blick auf die haftungsrechtlichen Aspekte der Finanzplanung und des Estate Planning zu werfen.
Rechtsdienstleistung darf nur Nebenleistung sein
Da die Berücksichtigung rechtlicher und steuerlicher Aspekte im Rahmen eines umfassenden Estate Planning unumgänglich ist und diese bei der Vermögensübertragung eine besondere Rolle spielen, können sich daraus Fallstricke für den Estate Planner ergeben. Hier spielt das 2008 eingeführte Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), das regelt, wer überhaupt außergerichtliche Rechtsdienstleistungen erbringen darf, eine wichtige Rolle. Definiert ist hier, dass Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit nur erbracht werden dürfen, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Das Berufsbild des Generationenberaters und des Estate Planners ist klar definiert.
Für das Estate Planning, das als eine ganzheitliche Beratung für den Vermögensübergang interpretiert werden kann, bedeutet das, dass rechtliche Aspekte im Estate Planning nicht mehr als eine Nebendienstleistung sein dürfen. Es gilt also zu klären, ob dies beim Estate Planning der Fall ist. Aus der oben dargestellten genauen Definition des Estate Planning durch den FPSB Deutschland geht hervor, dass das Generationenmanagement in diesem Sinne über die reinen steuerlichen oder rechtlichen Aspekte der Vermögensnachfolge hinausgeht. Estate Planning kann als ganzheitliche Beratung für den Vermögensübergang definiert werden. Von der klassischen Rechtsberatung unterscheidet sich Estate Planning durch seine interdisziplinäre und ganzheitliche Sichtweise.
Das heißt: Für den Kunden eines Estate Planners muss klar erkennbar sein, worin die Hauptleistung liegt, und dass eine Abbildung allgemeiner rechtlicher Aspekte nicht mehr als eine Nebendienstleistung ist. Anders ausgedrückt: Soweit die Verwaltung und Optimierung des Kundenvermögens sowie die finanzielle Absicherung des Vermögensinhabers im Vordergrund stehen und nicht der Entwurf und die Umsetzung von Nachfolgelösungen – zum Beispiel unter anderem die eigenständige Aufsetzung von Testamenten oder Vollmachten, dann ist die Betrachtung des Rechtsrahmens im Estate Planning nicht mehr als eine Nebenleistung. Estate Planning ist somit letztlich eine Abbildung der Nachfolgegestaltung im Zusammenhang mit dem Gesamtvermögen.