Eine Frage des Vertrauens Wie man Familie und das unternehmerische Lebenswerk absichert

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Konkrete Behandlungswünsche

Moderne Medizin ermöglicht es heute mehr denn je, eine Vielzahl von Krankheiten und körperlichen Symptomen zu behandeln. Auf die Frage, ob es auch immer gewünscht und gewollt ist, den Körper möglichst lange am Leben zu erhalten, findet jeder Mensch seine eigene Antwort.

Innerhalb einer Patientenverfügung können die persönlichen und individuellen Wünsche zur ärztlichen Behandlung festgelegt werden. Die Patientenverfügung ist eine Anweisung an den behandelnden Arzt. In ihr wird bestimmt, welche Maßnahmen durchgeführt und ebenso welche Maßnahmen nicht durchgeführt werden sollen. Anders als bei einer Vorsorgevollmacht beinhaltet die Patientenverfügung konkrete Behandlungswünsche, die sich direkt an den Arzt oder das Pflegepersonal richten. Mit ihr kann und sollte bereits in „gesunden“ Tagen vom Selbstbestimmungsrecht Gebrauch gemacht werden, indem festgelegt wird, wie die medizinische Behandlung in bestimmten Situationen erfolgen soll.  

Diese Situationen müssen in einer Patientenverfügung gemäß Rechtsprechung des Bundegerichtshofes möglichst eindeutig und konkret benannt sein. So muss zum einen die jeweilige Behandlungssituation konkret beschrieben werden („…Wenn ich mich im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit befinde, soll…“ oder „Wenn ich mich aller Wahrscheinlichkeit nach unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde, soll …“). Ebenso können Regelungen für den Fall eines dauerhaften Verlusts von Kommunikations- und Einsichtsfähigkeit (Koma, Gehirnschädigung, et cetera) mit aufgenommen werden.

Zum anderen sind die ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen, die konkret durchgeführt oder nicht durchgeführt werden sollen (künstliche Ernährung, Linderung von Schmerz- und Angstzuständen, Flüssigkeitszufuhr, Organspende, Bluttransfusionen, Wiederbelebung, Verabreichung von entzündungshemmenden Medikamenten, Wiederbelebung, et cetera) zu beschreiben. Weniger konkrete Formulierungen sind hingegen nicht umsetzbar („ich möchte in Würde sterben.“, et cetera).

Fragen, ob das absehbare Lebensende im Krankenhaus, einem Hospiz oder in gewohnter häuslicher Umgebung verbracht werden soll sowie die Einstellung zum Thema Organspende sind weitere wichtige Bestandteile der Patientenverfügung. Insbesondere die Frage nach der Organspende sollte inhaltlich in der Patientenverfügung behandelt werden. Dabei kann die Zustimmung zur Organspende zu einem möglichen Konflikt in der Umsetzung führen, wenn zugleich keine lebensverlängernden Maßnahmen gewünscht sind. Diesbezüglich ist dann eine differenzierte Regelung erforderlich.

Ob und welche lebensverlängernden Maßnahmen in den genannten Situationen gewollt sind oder nicht, muss ganz persönlich entschieden werden. Beispielsweise sollten Ehepaare jeweils separate Verfügungen erstellen, damit die individuellen Wünsche, eigenen Erfahrungen und Wertvorstellungen sowie religiöse Wünsche entsprechend berücksichtigt werden können. Da somit sehr private Details in einer Patientenverfügung geregelt werden, ist es empfehlenswert die Verfügung separat von der Vorsorgevollmacht zu erstellen. Sonst besteht die Möglichkeit, dass Geschäftspartner, die für ihre Dokumentation beispielsweise eine Kopie der Vollmacht benötigen, ebenfalls in Kenntnis dieser Regelungen kommen.


Um den Angehörigen in einer derart emotionalen Situation eine Form der Unterstützung zu bieten, empfiehlt es sich, unbedingt im Vorfeld oder im Rahmen der Erstellung mit den nahestehenden Personen über die Wünsche, Erwartungen, religiösen oder spirituellen Vorstellungen zu sprechen. Auch wenn die Fragen der Patientenverfügung ein unangenehmes Thema sind, so wird das Vorhandensein von den Angehörigen häufig als große (seelische) Erleichterung empfunden. Denn mit dieser Verfügung werden sie weitestgehend von der Last befreit, gegebenenfalls selbst eine „finale Entscheidung“ treffen zu müssen. Die Angehörigen können sich darauf konzentrieren, den in der Patientenverfügung festgehaltenen Wünschen Geltung zu verschaffen.

Der Weg zur Patientenverfügung

Der Ersteller einer Patientenverfügung muss volljährig und einwilligungsfähig sein. Einwilligungsfähigkeit bedeutet, dass der Ersteller in der Lage sein muss, die Tragweite der Patientenverfügung und die hieraus möglicherweise resultierenden Risiken zu beurteilen und dementsprechend zu entscheiden. Geschäftsfähigkeit ist im Fall der Patientenverfügung nicht konkret gefordert. Somit besteht beispielsweise auch für demenzkranke Menschen theoretisch die Möglichkeit, eine Patientenverfügung zu verfassen. Möglicherweise wird hierzu allerdings ein ärztliches Gutachten erforderlich sein.

Der Gesetzgeber sieht vor, dass die Patientenverfügung schriftlich erstellt werden muss (Paragraf 1901a Absatz 1 BGB). Eine notarielle Beurkundung oder öffentliche Beglaubigung ist nicht erforderlich. Die Akzeptanz in der Praxis zeigt allerdings immer wieder, dass beglaubigte oder beurkundete Patientenverfügungen beim jeweiligen Gegenüber (Arzt, Pfleger, et cetera) zu einer schnelleren und höheren Akzeptanz führen. Da die Gebühren im Fall der Beglaubigung oder Beurkundung gedeckelt sind, ist dies sicherlich eine lohnenswerte Investition.

Wie alle Verträge oder persönlichen Dokumente sollte auch die Patientenverfügung regelmäßig auf die Passgenauigkeit zu den aktuellen Lebensumständen überprüft werden. Das gilt insbesondere dann, wenn eine medizinische Diagnose oder Prognose vorliegt, die den Gebrauch der Patientenverfügung erforderlich machen könnte. Damit die Patientenverfügung im Ernstfall auch Anwendung findet, empfiehlt es sich die Notfallkarte stets bei sich zu führen und die Verfügung ebenfalls im zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registrieren zu lassen.

Die Möglichkeit, all diese Regelungen und Vorkehrungen bereits in guten Zeiten treffen zu können, ist ein großes Geschenk. In welchem Umfang jeder einzelne davon Gebrauch macht, richtet sich nach den persönlichen Familien- und Vermögensverhältnissen sowie den hieraus resultierenden individuellen Anforderungen. Am Ende ist und bleibt die Vergabe von Vollmachten und Verfügungen eine Frage des Vertrauens.

 


Über die Autoren:
Hubert Hoffmann ist Financial und Estate Planner mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung. Seine Schwerpunkte liegen in der strategischen Finanzplanung sowie der Nachfolgeberatung für vermögende Privatkunden, Unternehmer und Stiftungen. Seit Juli 2020 arbeitet er als Family Officer bei der National-Bank Vermögenstreuhand, dem Multi Family Office der National-Bank aus Essen.

Jörg Plesse ist Unternehmerberater sowie Financial und Estate Planner mit mehr als 20 Jahren Berufspraxis. Seine Schwerpunkte liegen in der Nachfolgeberatung für Unternehmer und vermögende Familien sowie im Stiftungsmanagement. Er hat aus seiner Tätigkeit bei mehreren Banken langjährige Erfahrung in den Bereichen Family Office, Wealth Management und Unternehmernachfolgeberatung. Daneben arbeitet er als freiberuflicher Dozent und Fachautor.

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