In einer Zeit des tiefgreifenden demografischen Wandels und einer zunehmend fragmentierten Kundenerwartung ist das Generationenmanagement in vielen Banken dabei, sich vom Nischenthema zum strategischen Beratungsansatz zu entwickeln. Kaum ein Institut, das sich im Private Banking oder Wealth Management positioniert, kommt heute noch an dem Thema vorbei. Dabei ist festzustellen: Während einige Häuser noch mit den Grundlagen ringen, gehen andere bereits den nächsten Entwicklungsschritt zur generationenverbindenden Beziehungskultur.
Generationenwechsel als Chance und Herausforderung
Über 400 Milliarden Euro werden laut Schätzungen des Bundesverbands deutscher Banken jährlich in Deutschland vererbt oder verschenkt. Ein beträchtlicher Teil dieses Vermögens liegt in den Händen von Kunden, die sich im Ruhestand befinden oder diesen planen.
Wie in der Grafik zu erkennen ist, sind bei einer Regionalbank typischerweise rund 67 Prozent der Kunden mit einem liquiden Volumen von mindesten 500.000 Euro älter als 65 Jahre und zusätzlich sind knapp 28 Prozent der Kunden über 500.000 Euro in Alter zwischen 50 und 64 Jahren (siehe Abbildung 1).

Doch mit dem Vermögensübergang ist nicht nur Kapital, sondern auch die Beziehung gefährdet: Schätzungen zufolge verliert eine Bank rund 70 Prozent der nachfolgenden Generation, wenn kein aktiver Kontakt besteht.
Diese Erkenntnis hat viele Häuser aufgerüttelt. Generationenübergreifender Beratungsansätze sollen die Antwort auf eine Herausforderung geben, die weit über Produktlösungen hinausgeht. Es geht darum, Familien in ihrer Gesamtheit zu betreuen – strategisch und über mehrere Generationen hinweg. Die Zielsetzung: Kundenbeziehungen nicht nur zu erhalten, sondern generationenübergreifend auszubauen.
Ein emotional aufgeladenes Thema
Die Veränderung im Rollenverständnis der Berater ist dabei ein zentrales Element des Generationenmanagements. Gefragt ist nicht mehr der rein technische Finanzexperte beziehungsweise Anlageberater, sondern ein lebensphasenübergreifender Partner, der versteht, dass Vermögen nicht nur eine Größe in verschiedenen Assetklassen ist, sondern ein emotional aufgeladenes Thema, das alle Mitglieder der Kernfamilie betrifft.
Ob vermögende Privatiers, Immobiliensammler, Familienunternehmer oder Patchwork-Familien, die generationenübergreifenden Herausforderungen in diesen Konstellationen sind zahlreich – juristisch, steuerlich und kommunikativ und es braucht einen Orchestrator, der sich aktiv um Lösungen kümmert. Generationenmanagement erfordert also neue beziehungsweise andere Fähigkeiten im Kundenkontakt. Berater müssen heute zusätzlich zu Ihrem Finanzwissen moderieren können, Konflikte antizipieren und sensibel mit emotionalen Dynamiken umgehen.
Neue Konzepte für eine neue Realität
Banken, die sich bereits früh mit dem Thema auseinandergesetzt haben, befinden sich inzwischen in der Phase der Weiterentwicklung. Wo früher Workshops zu Basiswissen in Nachfolge- und Vollmachtsthemen dominierten, entstehen heute ganzheitliche Konzepte: Generationendialoge, Netzwerkpartnerschaften und moderierte Gesprächsformate.
Einige Häuser setzen dabei auf spezialisierte Generationenmanager, andere integrieren das Thema in die DNA des Beratungsteams. Entscheidend ist: Es genügt nicht mehr, punktuell aktiv zu sein. Generationenmanagement verlangt eine klare Konzeption, und systemische Integration – in Prozesse, in die Steuerung der Kundenbeziehung und in die Qualifikation der Berater (siehe Abbildung 2).

Übergeordnetes Ziel im Beratungsprozess: Nicht die Arbeit von Rechtsanwälten und Steuerberatern machen zu wollen (was rechtlich auch gar nicht erlaubt ist), sondern als Kurator Lösungen für generationenübergreifende Themen mit Kunden gemeinsam zu erarbeiten und in diesem Zusammenhang Vertriebspotenziale zu nutzen, die automatisch entstehen.
Technologie als Enabler – nicht als Ersatz
Einige Banken setzen bereits auf unterstützende Instrumente, die Nachfolgesituationen transparent machen und die Optimierung des Familienvermögens unterstützen. Die Herausforderung liegt dabei weniger in der Technik als im Mindset: Technologie ersetzt nicht den Menschen, sondern unterstützt in der Analyse. Die zentrale Leistung des Generationenmanagement liegt in der Begleitung der Kunden, um gedankliche Klarheit kombiniert mit einer juristisch und steuerlich guten Lösung zu finden.
Vom Projekt zur Haltung: Die nächste Stufe des Generationenmanagements
Banken, die sich bereits seit mehreren Jahren mit dem Thema beschäftigen, gehen heute einen Schritt weiter: Sie verstehen Generationenmanagement nicht mehr als Projekt oder Produkt, sondern als Haltung. Diese Entwicklung zeigt sich in mehreren Dimensionen:
Kultur: Der generationenübergreifende Vermögenserhalt und Kontinuität prägen zunehmend die Haltung in der Begleitung der vermögenden Kunden – und auch den internen Blick auf die Kundenverbindung.
Organisationsentwicklung: Diese Art der Kundenbetreuung führt zu neuen Formen der Zusammenarbeit in den Teams – verschiedene Berater der Kundenfamilie kollaborieren in Teams gemeinsam, um die Brücke zwischen Generationen zu schlagen.
Kooperationen: Banken öffnen sich für externe Experten und bilden Netzwerke mit Rechtsanwälten, Steuerberater und Notaren, um die Komplexität der Kundenbedürfnisse abzubilden.
Best Practice: Drei Modelle aus der Praxis
- Die integrierte Beratungsphilosophie:
Ein Private Banking Anbieter mit Fokus auf Unternehmerfamilien hat das Thema in alle Phasen des Kundenprozesses integriert – von der Kundensegmentierung bis zur Leistungsdarstellung im Reporting. Jede Kundenbeziehung wird auf ihre generationsübergreifende Dimension geprüft und entsprechend gesteuert. - Die fokussierte Spezialabteilung:
Eine große Genossenschaftsbank hat ein Kompetenzzentrum Generationenmanagement etabliert, das als Inhouse-Beratungsboutique für alle Vermögenskunden agiert. Berater werden projektweise hinzugezogen, Workshops mit Familien finden regelmäßig statt – sowohl zu rechtlichen als auch zu emotionalen Themen. - Das Ökosystem-Modell:
Ein innovatives Fintech im Wealth-Bereich hat ein Netzwerk aus Anwälten, Steuerberatern, Coaches und Vermögensverwaltern aufgebaut. Über eine digitale Plattform können Familienbedürfnisse erfasst und passende Experten eingebunden werden. Die Bank agiert als kuratierender Partner.
Für alle drei Modelle gilt hierbei: Klarheit in Rollen- und Aufgabenzuordnung ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg am Kunden
Herausforderungen bleiben – Chancen überwiegen
Trotz aller Fortschritte bleibt Generationenmanagement ein anspruchsvolles Terrain. Fragen der Sensibilität im Umgang mit Familienkonflikten oder auch der Aufwand in der Umsetzung fordern die Organisation und die Grenzen des Rechtsdienstleitungsgesetz sind zu beachten. Doch die Mehrwerte sind evident: Enge Kundenbindung über Jahrzehnte, Sicherung der Vermögenswerte vor Abflüssen, zusätzliche Vertriebschancen und Differenzierung im Wettbewerb.
Fazit: Den Menschen wirklich in den Mittelpunkt nehmen
Generationenmanagement ist mehr als ein Beratungsansatz – es ist Ausdruck eines veränderten Verständnisses von Kundenbeziehung. In einer Welt, die zunehmend von Komplexität und Unsicherheit geprägt ist, suchen Menschen nach Orientierung, Stabilität und Vertrauen. Banken, die sich als Begleiter ihrer Kunden über Generationen hinweg positionieren, können genau das bieten.
Über die Autoren
Alexander Morof verfügt über gut 25 Jahre Erfahrung im Management Consulting und in Veränderungsprojekten im Private Banking und im Generationenmanagement. Er ist Director bei der Awado Bankenberatung.
Angelika Buchem begleitet zahlreiche Häuser in der Umsetzung der Weiterentwicklung im Private Banking und im Generationenmanagement. Sie ist Senior Managerin bei der Awado Bankenberatung.