Vergleichen wir uns mit dem Spitzenreiter der ZEW-Studie, den USA, dann müssen wir berücksichtigen, dass viele US-Unternehmen kleinerer und mittlerer Größe oftmals vor allem den heimischen Binnenmarkt bedienen. Während in Europa und Deutschland viele kleinere Unternehmen globale Hidden Champions sind, die oftmals Spezialprodukte in alle Welt liefern. Sie müssen Produktionskosten und Rahmenbedingungen in Deutschland oft hinnehmen und mit diesen im globalen Wettbewerb bestehen.
Eine zu große Lücke ist nur schwer wieder zu füllen
An einer Stärke von Familienunternehmen können wir uns klar machen, warum das Ganze ein schleichender Prozess ist. Familienunternehmen sind besonders stark bei der permanenten – mitunter kleinsten – Verbesserung von Produktionsprozessen. Nehmen wir an, dass Dinge, wie zum Beispiel die Umstellungen von Schichten, des Produktionsablaufs oder das bessere Management von Instrumenten, eine Effizienzsteigerung von 3 Prozent im Jahr bringen.
Dann ist das kurzfristig recht wenig. Nach 10 Jahren sind das mit Zinseszins aber etwa 35 Prozent. Das kann man sinngemäß auf die Entwicklung und andere Unternehmensbereiche übertragen. Kurzfristig ist es nicht schlimm, wenn man das verpasst. Über mehrere Jahre und Jahrzehnte aber kann eine Lücke entstehen, die mitunter nur noch schwer aufzuholen ist.
Für uns als Investoren in Aktien von Familienunternehmen wird die Standortbewertung somit in bestimmten Fällen also wichtiger. Doch Kapital ist international einsetzbar und wir können uns Standorte aussuchen. Bei dieser indirekten Standortauswahl müssen wir aktuelle Probleme vor dem Hintergrund von Covid und dem Ukraine-Krieg von strukturellen Problemen unterscheiden. Wir befinden uns nach wie vor in einer Ausnahmesituation und können in den nächsten Monaten auf eine weitere Normalisierung hoffen.
Die aktuelle Personalknappheit und die hohen Energiekosten zeigen uns eben auch strukturelle Schwächen auf. Für diese Warnung sollten wir dankbar sein und nicht einfach so weitermachen wie bisher. Auf dem in der Vergangenheit Erreichten können wir uns nicht zu lange ausruhen. Das ist leider einfach und der Abstieg ein schleichender Prozess eines negativen Zinseszinses. Eigentlich sollte es recht einfach sein: Weniger Staat und Regulierung, mehr Selbstverantwortung.
Über den Gastautor:
Andreas Lesniewicz hat sich auf Investments in Aktien von europäischen Familienunternehmen spezialisiert. Er ist unter anderem Fondsmanager des Conren Generations Family Business Equity. Als Geschäftsführer des Salmuth‘schen Family Investment Office hat er die Investmentgesellschaft Conren im Jahr 2004 mit aufgesetzt. Er betreut seit über 15 Jahren Unternehmerfamilien bei Investmentthemen.