EU-Regulierung Wie ein konsequenter ESG-Wandel im Private Banking aussehen sollte

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ESG-Portfolios: Zurück zu den Grundlagen

Vor dem Hintergrund der hohen Nachfrage nach ESG-Investitionsmöglichkeiten sollte man folgende Regeln für die Strukturierung der Portfolios bedenken:

  • Verbessern der Portfolio-Struktur unter der Nebenbedingung, Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen. Das heißt, dass Grundlagen des Portfoliomanagements wie Diversifikation von Asset-Klassen, Regionen und Branchen weiterhin Gültigkeit haben.
  • Daraus folgt: Vermeiden von Klumpenrisiken hinsichtlich Regionen und Branchen. Plastisch formuliert, sollte ein ESG-Portfolio nicht aus einem norddeutschen Windfonds bestehen, auch wenn dieser dem Kunden leicht zu vermitteln ist.
  • Anwendung von Core-Satellite-Strategien. Damit ist gemeint, im Kern-Portfolio ein breit diversifiziertes „Weltportfolio“ zu nutzen, das Mindestanforderungen an ESG-Kriterien genügt. Im Satelliten kann man dann themenspezifische Angebote unterbreiten, ohne die Gesamtstruktur des Portfolios in Schieflage zu bringen. Diese konkreten themenspezifischen Angebote – Solarenergie, E-Mobilität oder Wasserstoff – haben den Vorteil, dass sie dem Kunden eingängig und daher gut zu vermitteln sind. Hier könnte man auch Strategien anbieten, die – wenn auch nicht von der Mehrheitsmeinung in Deutschland aber international – als grün anerkannte Technologien investieren wie Kernenergie oder CO2-Abscheidung und -Speicherung.

Nachhaltige Pricing-Modelle ermöglichen höhere Margen

Nachhaltig gemanagte Anlagestrategien sind wie geschildert inhärent aktiv, da eine Auswahl von Investitionszielen anhand qualitativer Kriterien erfolgen muss. Dadurch entstehen zusätzliche Kosten in zwei Richtungen: einerseits in der Leistung der Auswahl von Investitionszielen, die die gesetzten Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, andererseits in der Beratung des Kunden über die mit nachhaltigen Anlagen verfolgten Ziele und die Eigenschaften der gewählten Instrumente.

Ziel eines nachhaltigen Pricing-Modells sollte nicht nur sein, diese Kosten aufzufangen, sondern die neuen Angebote offensiv zu präsentieren und auch entsprechend zu bepreisen. Die Bedingungen hierfür sind aus zwei Gründen aktuell günstig. Zum einen lassen sich über ESG-Themen emotionale „Mehr-Werte“ vermitteln, die eine klassische Finanzanlage üblicherweise nicht besitzt. Zum anderen sind ESG-Angebote eben noch nicht der Marktstandard, was eine eigene Positionierung, Differenzierung und damit auch Bepreisung ermöglicht.

Eine mögliche vierteilige Preisdifferenzierung bei Vermögensverwaltungen könnte etwa wie folgt aussehen:

  • Es gibt weiterhin eine klassische Vermögensverwaltung ohne besonderen Fokus auf Nachhaltigkeit auf Basis der heutigen Kosten / Preispunkte.
  • Zusätzlich bietet man eine ESG-Vermögensverwaltung Standard an (das oben beschriebene „Core“), die ihre Investitionsziele nach zu definierenden Nachhaltigkeitskriterien auswählt und die einen etwas höheren Kostensatz hat als das klassische Schwesterprodukt.
  • Schließlich nimmt man als nachhaltiges Premium-Produkt eine ESG-Vermögensverwaltung Individuell ins Angebot, bei der der Kunde die Möglichkeit hat, individuelle Einstellungen nach seinen persönlichen Nachhaltigkeitspräferenzen vorzunehmen. Diese könnten zum Beispiel in einem über die Standard-Kriterien hinausgehenden Ausschluss oder einer Übergewichtung bestimmter Branchen, Länder oder Technologien bestehen. Hier erfolgt die Umsetzung in „Satelliten“. Letztere Variante ließe sich auch preislich als Premium-Produkt positionieren.
  • Zusätzlich könnten Optionen in Form „dunkelgrüner“ Fonds bzw. eine „engagierte ESG Vermögensverwaltung“ angeboten werden. Hier engagieren sich die Portfoliomanager aktiv mit Unternehmen, um deren ESG Qualität zur erhöhen oder die Wirkung auf die Nachhaltigkeitsziele zu verbessern. Dieser Mehraufwand ist entsprechend zu entlohnen.

Eine solche Preisdifferenzierung ermöglicht einen im Durschnitt höheren Preispunkt als den des heutigen Standardprodukts. Damit gelingt es Banken und Vermögensverwaltern, zusätzliche Einnahmen aus den neuen Portfoliomanagement- und Beratungsleistungen zu erwirtschaften.

Fazit

Ein Zitat von Bill Gates lautet sinngemäß, dass Menschen in der Regel die Veränderungen in den kommenden zwei Jahren überschätzen und die in den nächsten zehn Jahren unterschätzen. Übertragen auf das ESG-Thema bedeutet das: heute zu handeln, um in 10 Jahren weiter erfolgreich zu sein – auch mit ESG-Themen. Oder als Thesen formuliert: 

  • ESG ist hier, bleibt und wird in allen Dimensionen mächtiger werden als erwartet. Das gilt auch für die zugehörige Regulatorik.
  • ESG ist aktuell der leichteste Weg zur Steigerung der Assets under Management.
  • Die Marktentwicklungen für ESG-Anlagen inklusive der rasanten Kursanstiege bergen die signifikante Gefahr von Rückschlägen, die es zu managen gilt – im Portfolio wie in der Beratung.
  • ESG hebt die Regeln des Portfoliomanagements nicht auf, sondern ergänzt sie.
  • Neue Preismodelle können die Kosten für zusätzliche Aufwände abfedern und gleichzeitig verborgene Erträge heben

 

Über die Autoren:
Christoph Klein, CFA, CEFA, ist Gründer und Managing Partner der ESG Portfolio Management. Er ist Mitglied der DVFA-Kommission Sustainable Investing und des CFA ESG Technical Committee. Zudem ist Klein Referent bei Moody’s Analytics und DVFA.

Gösta Jamin lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Zudem begleitet er als Berater Banken, Fintechs und andere Finanzdienstleister bei Projekten der digitalen Transformation.

Norbert Paddags ist Geschäftsführer der Dr. Paddags Consulting, die Banken und Dienstleister in Financial Services zu allen Fragestellungen des Digital Wealth Managements berät.

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