Diskussion um Staatsverschuldung Wie ein Fondsmanager die Modern Monetary Theory erfand

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In den meisten entwickelten Volkswirtschaften ist Inflation seit den späten 1980er Jahren kaum noch ein ernsthaftes Problem. Es ist daher verlockend, für jene Staaten, die ihr eigenes und nicht an Waren- oder andere Währungen gekoppeltes Geld emittieren, zu proklamieren, dass es für sie im aktuellen Umfeld keine Budgetbeschränkung gibt. Die MMT hat so die Büchse der Pandora geöffnet und unter anderem zu der Forderung geführt, dass die Staatsausgaben so lange erhöht werden sollen, bis Vollbeschäftigung herrscht. Mosler ist einer der wenigen Hedgefondsmanager, den die Linken in ihr Herz geschlossen haben.

Die große Mehrzahl der Ökonomen lehnt solche Ideen allerdings mit guten Argumenten ab. Staatliche Job-Garantien wecken Erinnerungen an gescheiterte sozialistische Wirtschaftssysteme und die praktischen Erfahrungen, die in Japan in den vergangenen 20 Jahren mit gigantischen staatlichen Fiskalpaketen gemacht wurden, sind keineswegs ermutigend. Ökonomen wie der Financial Times-Kolumnist Martin Wolf, die der MMT nicht grundsätzlich abgeneigt sind, warnen daher zu Recht vor einer zu naiven Einschätzung der wirtschaftspolitischen Folgen: „Es wird sich als unmöglich erweisen, eine Wirtschaft vernünftig zu führen, wenn die Politiker glauben, dass es keine Haushaltsbeschränkungen gibt.“

Stunde der Modern Monetary Theory schlägt vor allem in Krisen

Mit Blick auf die aktuelle Reaktion der Fiskalpolitik zur Bekämpfung der Corona-Krise könnte man allerdings den Eindruck gewinnen, dass die MMT längst akzeptiert und handlungsleitend geworden ist. Mit einem gewaltigen Fiskalimpuls von rund 12 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts wurden in diesem Jahr die Pandemie-Folgen bekämpft. Damit scheint sich das zu bestätigen, was Warren Mosler als sein Gesetz formulierte: „Es gibt keine Finanzkrise, die so tief ist, dass eine ausreichend große fiskalische Reaktion sie nicht bewältigen kann“. Die Stunde der MMT schlägt also vor allem in Krisen, in denen Inflationsgefahren keine Rolle spielen und die Arbeitslosigkeit hoch ist.

In solchen Situationen befürworten allerdings die meisten Ökonomen staatliche und geldpolitische Interventionen. Im Gegensatz zur MMT sehen sie diese Maßnahmen aber als temporär, betonen die Nebenwirkungen und verweisen auf die Ausnahmesituation der aktuell sehr niedrigen Zinsen. Die MMT gilt bestenfalls und ohnehin nur für Länder, die ihre eigene Währung emittieren und unterausgelastete Ressourcen aufweisen. Und selbst dann sind die Risiken hoch. Wenn eine rapide steigende Verschuldung bei den Käufern der Staatsanleihen zu steigenden Risikoaufschlägen führt, kann dies eine Schuldenkrise auslösen. Die rein monetäre Finanzierung der Staatausgaben gefährdet den Außenwert der inländischen Währung und kann über eine massive Abwertung zu importierter Inflation führen.

Die aktuelle wirtschaftspolitische Reaktion auf die Corona-Krise ist also keineswegs der Beweis dafür, dass sich die Ideen der MMT weltweit durchgesetzt haben. Doch bei aller berechtigten Kritik gebührt der MMT dennoch das Verdienst, die Diskussion über die  Grenzen der Staatsverschuldung neu entfacht zu haben.

 
Über den Autor:
Christoph Kind ist Investmentchef beim Family Office Marcard, Stein & Co.

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