Entwurf unter der Lupe Wie ein Gesetz den Fondsstandort Deutschland stärken soll

Seite 2 / 2

Bisher ist die Änderung von Anlagebedingungen bei Immobilien-Publikumsfonds oftmals sehr schwierig. Sollen beispielsweise die erwerbbaren Vermögensgegenstände und Anlagegrenzen geändert werden, mussten Anleger die Möglichkeit erhalten, ihre Fondsanteile in die eines vergleichbaren Fonds umzutauschen. Einen solchen Zwillingsfonds haben Fondsverwalter jedoch regelmäßig nicht zur Hand. Wie bei den anderen Fondstypen soll es nach dem Gesetzentwurf zukünftig ausreichen, wenn Anlegern – statt des Umtauschrechts – ein kostenloses Anteilsrückgaberecht gewährt wird.

Die Produktpalette wird ferner auf geschlossene Master-Feeder-Strukturen erweitert und geschlossene Spezialfonds dürfen künftig auch in der Vertragsform des Sondervermögens aufgelegt werden. Letzteres wird als vorteilhaft gesehen, weil das administrative Fondsmanagement und beispielsweise Zeichnungsprozesse nicht so aufwendig sind wie bei einer Investmentgesellschaft.

Start-up-Branche

Das geplante Fondsstandortgesetz fördert darüber hinaus die Startup-Branche: Junge Unternehmen setzen mit viel Risikobereitschaft und Engagement positive Impulse für die Gesamtwirtschaft. Sie sind auf hoch qualifiziertes Personal angewiesen, jedoch in der Gründungsphase kaum in der Lage, hohe Gehälter zu zahlen. Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sind daher ein wichtiges Kompensationsinstrument.

Der Gesetzesentwurf sieht nun vor, dass die Besteuerung von (sogenanntem) Dry Income beim Beteiligungserwerb künftig durch einen Steueraufschub vermieden wird. Der Gesetzgeber berücksichtigt damit ein wichtiges Anliegen der Start-up-Branche. Außerdem soll die bisherige Umsatzsteuerbefreiung für Verwaltungsleistungen bei bestimmten offenen Fonds künftig auf „Wagniskapitalfonds“ ausgedehnt werden. Hier gibt es noch Klärungsbedarf hinsichtlich der Reichweite der Vergünstigung, insbesondere ob davon etwa Risikokapitalfonds (EuVECA-VO) sowie auch andere Formen von Venture-Capital-Fonds (etwa Spezial-AIF) umfasst sind. Die Steuererleichterungen sollen ab 1. Juli 2021 gelten, die übrigen Regelungen treten bereits am Tag nach der Gesetzesverkündung in Kraft.

Europäische Vertriebsvorgaben

Das geplante Fondsstandortgesetz geht über diese begrüßenswerten Neuerungen hinaus und setzt erwartungsgemäß auch die europäischen Vorgaben zum Pre-Marketing (RL/2019/1160) fast wortgleich in nationales Recht um.

Dem eigentlichen Fondsvertrieb vorgeschaltet, stellen Fondsverwalter den potenziellen Anlegern in der Praxis Informationen und Dokumente zur Verfügung, um herauszufinden, ob und inwieweit überhaupt ein Interesse im Markt an einer bestimmen Anlagestrategie existiert (sog. Pre-Marketing). Denn zum einen ist eine Fondsauflegung im institutionellen Bereich aufwendig und komplex: So sind mit der Gründung, dem Vertrieb und dem Management eines Fonds hohe Opportunitätskosten verbunden, die nur in Kauf genommen werden, wenn eine gewisse Absatzwahrscheinlichkeit besteht.

Zum anderen ist es anerkannte Marktpraxis in Deutschland, dass sich Spezialfondsanleger aktiv an der Fondsauflegung beteiligen. Beispielsweise gelten Versicherungsunternehmen und berufsständische Versorgungswerke als sachkundige Investoren, die oftmals über eigene Kompetenzen im Asset Management verfügen. Sie unterliegen auch selbst strengen Anlagerestriktionen, die bei der Fondssauflegung zu berücksichtigen sind.

Diese vor-vertriebliche Phase war gesetzlich nicht geregelt und wird in den Mitgliedstaaten nun vereinheitlicht. Künftig wird in der Verhandlungsphase bei Spezialfonds häufig an eine Pre-Marketing-Mitteilung zu denken sein. Die Mitteilung muss innerhalb von zwei Wochen nach Aufnahme des Pre-Marketings an die Bafin übermittelt werden; sie enthält unter anderem eine Kurzbeschreibung der Aktivitäten sowie z.B. Informationen zu den vorgestellten Anlagestrategien.

Offen ist bisher, ob zusätzlich ein Vertriebsanzeigeverfahren auch für solche Anleger durchzuführen ist, die bereits an der Fondsauflegung beteiligt waren. Die gesetzlichen Prüfungsfristen bei der Bafin müssten dann beim Transaktionsmanagement mit illiquiden Assets, wie etwa beim Immobilienerwerb, berücksichtigt werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber und die Aufsicht einen pragmatischen Weg finden, die bisher ausgewogene Auflegungspraxis bei Spezialfonds aufrechtzuerhalten.

Die EU-Richtlinie sieht außerdem vor, dass ein Rückgriff auf Reverse Solicitation, also das bloße Reagieren auf die Order eines Anlegers unterhalb der Vertriebsschwelle, für einen Zeitraum von 18 Monaten ausgeschlossen ist, wenn ein Anleger im Rahmen des Pre-Marketings kontaktiert wurde.

Fazit

Unter dem Strich setzt das geplante Fondsstandortgesetz wichtige Impulse, bleibt jedoch hinter seinen Möglichkeiten: Wettbewerbshemmnisse bleiben bestehen, zum Beispiel bei den Restriktionen der Anlageverordnung sowie den steuerrechtlichen Anforderungen an Spezial-Investmentfonds. Zudem wäre auch die Einführung elektronischer Fondsanteilscheine ein wichtiger Baustein zur Stärkung des Fondsstandorts. Die Möglichkeit dazu bietet sich aktuell im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG).


Über den Autoren:
Dr. Conrad Ruppel ist Senior Associate im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltssozietät Hengeler Mueller. Er berät nationale und ausländische Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, Fondsinitiatoren sowie Asset Manager auf den Gebieten des Investmentrechts, Bankaufsichtsrechts und Kapitalmarktrechts.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen