Die Quellensteuer ist seit vielen Jahren ein Ärgernis für Investoren, besonders diejenigen, die international investieren. Sie ist ein Steuermechanismus, der oft zu einer Doppelbesteuerung von im Ausland erzielten Dividenden und Zinsen führt. In anderen Worten: Die Einkünfte aus diesen Investitionen werden zunächst im Ausland und dann erneut im Heimatland des Investors, in diesem Fall Deutschland, besteuert.
Obwohl es rechtlich möglich ist, die doppelt gezahlten Beträge zurückzuerhalten, ist der Rückforderungsprozess in der Regel sehr aufwendig, zeitaufwendig und bürokratisch, was viele Investoren abschreckt.
In Anerkennung dieser Problematik hat die EU-Kommission eine Initiative ergriffen, um die Doppelbesteuerung zu vereinfachen und das Verfahren für Investoren weniger belastend zu gestalten. Eine neue Richtlinie, die darauf abzielt, dieses komplizierte Prozedere zu vereinfachen, wurde am Montag vorgestellt.
Der Ärger mit der Quellensteuer
Die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Ländern sollen theoretisch sicherstellen, dass Steuern auf das gleiche Einkommen nicht in zwei verschiedenen Ländern erhoben werden. Doch die Realität sieht anders aus. Das zeigte eine kürzlich durchgeführte Studie der europäischen Verbraucherorganisation Better Finance und der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Sie hat gezeigt, dass diese Abkommen in der Praxis oft nicht so funktionieren, wie sie sollten.
Laut der Studie versuchen nur rund 30 Prozent der befragten etwa 3000 Anleger in Europa, die in Aktien aus einem anderen Land investiert sind, ihre zu viel gezahlte Quellensteuer auf Dividenden zurückzufordern. Und weniger als die Hälfte dieser Anleger sind dabei erfolgreich. Das bedeutet, dass etwa 83 Prozent der europäischen Anleger effektiv doppelt besteuert werden, weil sie entweder keinen Rückforderungsantrag stellen oder den Antrag stellen, aber keinen Erfolg haben.
Diese Situation führt zu jährlichen Kosten für europäische Anleger in Höhe von etwa 5,17 Milliarden Euro.
Ein zentraler Aspekt dieses Problems ist die fehlende Harmonisierung in Bezug auf die Doppelbesteuerung. Länderspezifische Unterschiede in der Steuergesetzgebung und -praxis hindern Investoren oft daran, das in den Doppelbesteuerungsabkommen festgelegte Recht auf Anwendung eines ermäßigten Quellensteuersatzes oder eine Befreiung von der Quellensteuer vollumfänglich in Anspruch zu nehmen.
Quellensteuer: Das sind die Pläne der EU
Die neu vorgestellte EU-Richtlinie zielt darauf ab, dieses Problem zu lösen, indem sie den Rückforderungsprozess durch Digitalisierung vereinfacht. Ein wesentlicher Bestandteil des Vorschlags ist die Einführung eines gemeinsamen digitalen Nachweises über den Steuerwohnsitz. Dieser Nachweis soll innerhalb eines Tages ausgestellt werden können und ein Jahr lang gültig sein.
Darüber hinaus sind zwei neue Verfahren vorgesehen, die darauf abzielen,den Prozess zu beschleunigen und zu erleichtern:
- „Steuererleichterung an der Quelle“: Bei diesem Verfahren erheben ausländische Finanzbehörden nur den ermäßigten Quellensteuersatz, der im Doppelbesteuerungsabkommen festgelegt ist. Dies reduziert die Belastung für den Anleger erheblich, da die Notwendigkeit einer nachträglichen Rückerstattung wegfällt.
- „Schnellerstattungsverfahren“: Bei diesem Verfahren wird die gesamte Quellensteuer zunächst eingezogen. Wenn jedoch festgestellt wird, dass ein zu hoher Betrag gezahlt wurde, kann der überschüssige Teil auf Antrag des Anlegers innerhalb von 50 Tagen nach der ursprünglichen Zahlung zurückerstattet werden.
Dieser Vorschlag benötigt noch die Zustimmung des EU-Parlaments und des Rates. Wenn er genehmigt wird, könnten die EU-Mitgliedsstaaten ab dem Jahr 2027 beginnen, diese Richtlinie in ihr nationales Recht zu integrieren.
Jahrelange Wartezeiten
Die Studie von Better Finance und der DSW hat jedoch auch gezeigt, dass die derzeitige Prozedur nicht nur komplex, sondern auch sehr zeitaufwendig ist. Mehr als ein Fünftel der Anleger wartet demnach länger als ein Jahr auf die Rückerstattung; 11,6 Prozent sogar mehr als zwei Jahre.
Von den 70 Prozent der Anleger, die es gar nicht erst versuchen, ihre Quellensteuer zurückzufordern, sagen 58,6 Prozent, dass der Prozess für sie zu langwierig und kompliziert ist. Weitere 16,7 Prozent geben die hohen Kosten als Grund für ihre Entscheidung an.
Diese Unzufriedenheit spiegelt sich auch in den Investitionsabsichten der Anleger wider. 31 Prozent der befragten Anleger gaben an, in Zukunft nicht mehr grenzüberschreitend investieren zu wollen, weil das Rückerstattungsverfahren zu kompliziert ist. Dabei sind grenzüberschreitende Investitionen eine wichtige Möglichkeit zur Diversifizierung von Portfolios und zur Streuung von Risiken.
Die vorgeschlagene neue EU-Richtlinie könnte daher einen wichtigen Schritt darstellen, um diese Barrieren abzubauen und den Anlegern mehr Sicherheit und Flexibilität bei ihren internationalen Investitionen zu bieten. Durch die Vereinfachung und Beschleunigung des Rückerstattungsverfahrens könnten mehr Anleger ermutigt werden, ihre Rechte in Bezug auf die Quellensteuer geltend zu machen.