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Wie Anleger in der Kapitalanlage weiterkommen „Verwechseln Sie nie Investieren mit Spekulieren“

Benjamin Graham: „Der Investor kann die zahlreichen Prognosen, die alltäglich veröffentlicht werden, kaum ernst nehmen.“

Benjamin Graham: „Der Investor kann die zahlreichen Prognosen, die alltäglich veröffentlicht werden, kaum ernst nehmen.“ Foto: Wikimedia

Mr. Graham, seit Ende Februar schwanken die Börsenkurse weltweit kräftig – wie lässt sich das aus Sicht eines Anlegers aushalten?

Benjamin Graham: Jeder Investor, der Aktien besitzt, muss damit rechnen, dass deren Wert über die Jahre hinweg schwankt.

Aber in diesen Maßen?

An der grundlegenden Systematik hat sich doch nichts verändert: Wenn Sie Aktien kaufen wollen, müssen Sie sich im Voraus damit abfinden und die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass die meisten Ihrer Aktien um mehr als 50 Prozent von ihrem Tiefpunkt steigen und dann in den nächsten fünf Jahren wieder um ein Drittel oder mehr sinken. Ein ernsthafter Investor wird wahrscheinlich aber nicht davon ausgehen, dass die täglichen oder monatlichen Schwankungen an der Börse ihn reicher oder ärmer machen.

Sondern?

Er wird davon ausgehen, langfristig ordentliche Renditen erzielen zu können – bei einigermaßen überschaubarem Risiko.

Was glauben Sie ist der größte Fehler, den Anleger machen?

Die Antwort ist vielschichtig und lässt sich nicht eindeutig beantworten. Letztlich ist es aber so, dass das größte Problem eines Investors – und auch sein schlimmster Feind – vermutlich er selbst ist. Mir ging es immer darum, Anleger davor zu schützen, in Bereiche zu geraten, in denen sie sich erheblich irren können, und ihnen stattdessen dabei zu helfen, Strategien zu entwickeln, mit denen sie sich wohlfühlen werden.

Hilft Wissen beim Vermeiden von Fehlern?

Sicherlich tut es das, aber nicht nur. Es braucht zuallererst die richtige mentale und emotionale Einstellung. Ich habe wesentlich öfter gesehen, dass Geld von ganz normalen Anlegern gewonnen und behalten wurde, die vom Temperament her gut für die Kapitalanlage gerüstet waren, als bei Leuten, denen dieses Talent fehlt, auch wenn sie von Finanzen, Rechnungslegung und dem Geschehen an den Aktienbörsen viel verstanden.

Aber wie eigne ich mir die richtige Einstellung an? Was kann ich tun?

Es beginnt damit, unterscheiden zu können zwischen Investieren und Spekulieren.

Wie würden Sie den Unterschied erklären?

Eine ernsthafte Kapitalanlage liegt dann vor, wenn sie nach gründlicher Analyse die Sicherheit des eingesetzten Kapitals und einen angemessenen Gewinn verspricht. Anlagen, die diesen Kriterien nicht entsprechen, sind spekulativ. Tatsächlich ist die Verwendung der Begrifflichkeiten starken Schwankungen unterlegen.

Inwiefern?

Nach dem großen Markteinbruch von 1929 bis 1932 wurden alle Aktien naturgemäß als spekulativ angesehen. Ein führender Experte sagte seinerzeit, dass nur Anleihen zur Kapitalanlage gekauft werden könnten. Also mussten wir unsere Definition des Investierens verteidigen. Es gab auch Zeiten, da war es genau umgekehrt.

Haben Sie ein Beispiel?

Nehmen wir das Jahr 1962. Jeder, der damals mit Aktien handelte, galt in der Presse als Investor. Selbst Privatanleger, die Aktien leer verkauften.

Denken Sie dabei an unsere Definition und vergleichen Sie diese mit dem Verkauf von Aktien durch einen unerfahrenen Menschen, der nicht einmal besitzt, was er verkauft, und der davon überzeugt ist, dass er diese Aktien zu einem wesentlich geringeren Kurs zurückkaufen kann. Erlauben Sie mir hinzuzufügen, dass der Markt in jener Zeit bereits einen größeren Abschwung hinter sich hatte und bereit war für einen noch größeren Aufschwung. Für Leerverkäufer war das also eine Zeit, wie sie schlechter nicht hätte sein können.

Was haben Sie gegen Spekulanten?

Im Grunde genommen: nichts. Ebenso wie intelligentes Investieren gibt es intelligentes Spekulieren. Doch es gibt viele Situationen, in denen Spekulation nicht intelligent ist.