Greta Pientka im Interview WHU Campus for Finance: Teufelskreis der Wirtschaft

Greta Pientka ist Studentin der WHU und eine der Organisatorinnen der Veranstaltung Campus for Finance.

Greta Pientka ist Studentin der WHU und eine der Organisatorinnen der Veranstaltung Campus for Finance. Foto: Pientka

private banking magazin: Seit fast 23 Jahren gibt es den „Campus for Finance e.V.“ Können Sie uns die Veranstaltung vorstellen?

Greta Pientka: Die Initiative Campus for Finance wird ausschließlich von Studenten der WHU organisiert. Dabei findet die WHU New Year's Conference im Januar und die WHU Private Equity Conference im März jährlich statt. Die New Year's Conference befasst sich mit aktuellen Herausforderungen und wirft einen allgemeinen Blick auf die Finanzwelt, – insbesondere auf die Bereiche Investment Banking und Strategieberatung. In diesem Jahr findet sie unter dem Thema „The Vicious Cycle of Economy – The Illusion of Control“ statt. Die Konferenz bietet studentischen Teilnehmern die Chance, von hochkarätigen Rednern aus der Finanzwelt spannende Einsichten zu erhalten. Im Zuge der Veranstaltungen haben ebenfalls namhafte Banken, Beratungen, Private Equity Fonds und weitere Sponsoren die Möglichkeit, mit den ausgewählten Teilnehmern in Kontakt zu treten. Zusätzlich dazu finden Workshops, Interviews und exklusive Veranstaltungen sowie das Gala Dinner und der Pokerabend statt. Die WHU Private Equity Conference legt einen Fokus auf Beteiligungsgesellschaften und deren finanzielle und strategische Berater. Sie bietet ähnliche Programmpunkte wie die New Year's Conference, ist jedoch kleiner und selektiver als diese. Gemeinsam bringen die Konferenzen rund 600 internationale Teilnehmer, 35 Redner, 15 Medienpartner und 45 finanzielle Sponsoren zusammen. Das Ziel ist es, die Welt der Finanzen zu vereinen und das gemeinsame Interesse daran zu fördern.

An wen richtet sich die Konferenz und wie haben sich die Themen über die Jahre verändert?

Pientka: Die Konferenz richtet sich vor allem an finanzinteressierte Studenten, gleichzeitig aber auch an Sponsoren aus der Finanzbranche sowie Finanzabteilungen großer Firmen. Ein essenzieller Bestandteil der Konferenz sind Redner aus der Industrie sowie dem akademischen Bereich, die mit Studenten über die aktuellen Geschehnisse in der Finanzwelt diskutieren. Im Vordergrund stehen für uns Studenten mit einem Grundverständnis sowie mit einer intrinsischen Leidenschaft für die Finanzwelt. Daher ist der Bewerbungsprozess für die Teilnehmenden selektiv. Wir versuchen die Konferenz immer nach den aktuellen Themen in der Branche auszurichten und diese zugänglicher für die Teilnehmer zu gestalten. In den letzten Jahren handelten die Konferenzen von Themen wie ESG, Digitalisierung der Banken oder den strukturellen Änderungen nach der Pandemie.

Welches werden die großen Themen der kommenden Jahre sein?

Pientka: Durch das Fortschreiten der Digitalisierung werden weiterhin repetitive Prozesse durch automatisierte Lösungen ersetzt. Anwendungen wie ChatGPT und Dall-E haben Konsumenten
kürzlich anschaulich gezeigt, wie mächtig künstliche Intelligenzen bereits heute sind. In wenigen Jahren könnten somit menschliche Prozessschritte ersetzt werden, die früher als unersetzlich angesehen wurden. Wie sich dadurch das Berufsbild des Investmentbankers oder Strategieberaters wandeln wird, ist heute schwer zu antizipieren. Mit Nachhaltigkeit werben bereits seit vielen Jahren führende Vermögensverwalter, Banken und Beratungen. Wie jedoch Greenwashing Klagen und Bußgelder in Millionenhöhe für namhafte Finanzinstitutionen zeigen, gibt es noch viel Nachholbedarf in der konkreten Umsetzung. Ein Wandel hin zu echten Maßnahmen ist unausweichlich. Auch das Thema ESG-Auditing wird eine völlig neue Dimension zu der Komplexität des traditionellen Auditings geben. Abseits könnte die aktuelle wirtschaftliche Unsicherheit zu einem mittelfristig hohen Anstieg an Restrukturierungen und distressed M&A Situationen führen. Zuletzt wird das höhere Wirtschaftswachstum in Asien weiterhin zu einer Verschiebung des Machtgleichgewichts – sowohl wirtschaftlich als auch politisch – zwischen dem Westen und Asien führen.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung?

Pientka: Die Digitalisierung sowie der Umgang mit den einhergehenden Chancen und Risiken werden maßgeblich die Richtung der Zukunft weisen. Für die Finanzbranche ist es daher unerlässlich, Chancen wie KI und Automatisierung zu nutzen. Nur so kann die Branche zeitgemäß handeln und von entstehenden Optimierungen profitieren. Ein möglicher Vorteil, der aus Innovationen der Digitalisierung hervorgeht, ist die Steigerung der Effizienz durch Automatisierung. Im Geschäft mit Privatpersonen haben viele Banken bereits auf digitale Services gewechselt und das Filialgeschäft verliert an Wichtigkeit. In Zukunft muss auch auf die Bedürfnisse der Kunden und die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung in allen Bereichen der Finanzbranche eingegangen werden. Wenn solche Chancen ungenutzt bleiben, sehe ich die große Gefahr, dass der Bankensektor den Anschluss verliert. Vor allem in Anbetracht der bereits stattgefundenen Disruptionen in diesem Bereich durch Neo-Finanzdienstleister wäre das für den traditionellen Sektor fatal.

Studenten-Team, das den Campus for Finance der WHU organisiert.
Studenten-Team, das den Campus for Finance der WHU organisiert. © WHU

Was läuft aktuell falsch im Banking, was läuft richtig?

Beim Thema Diversität ist in der Finanzbranche der Nachholbedarf besonders groß. Im Jahr 2021 betrug der Anteil der Frauen in den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen 14,7 Prozent und das Durchschnittsalter der Dax-Vorstände hat sich seit 2005 kaum verändert und ist mit knapp 54 Jahren 2021 sogar leicht angestiegen. Hier gibt es im Banking definitiv Verbesserungsbedarf und es bedarf konkreter Maßnahmen. Wir versuchen mit unseren Konferenzen einen kleinen Beitrag hierzu zu leisten, beispielsweise durch ein gezieltes 6-Augen Prinzip in der Teilnehmerauswahl und spezielle Programmpunkte für Frauen. Im Punkt Arbeitsbedingungen hat insbesondere Covid-19 einen großen Wandel herbeigeführt, sowohl was Work-Life-Balance als auch Homeoffice-Angebote angeht. Ob das für die Industrie ein nachhaltig positiver Wechsel ist, wird die Zukunft zeigen. Jedoch fügt das eine weitere Dimension zur Komplexität des „War for Talents“ zwischen Firmen im Finanzbereich hinzu.

Investmentbanker, Gründer oder Berater – das war vor Jahren der WHU-Dreiklang – Wie ist das heute?

Pientka: Der Dreiklang hat sich nicht stark verändert, viele WHUler orientieren sich weiter in diese Richtungen. Doch während früher nur ein Zweiklang aus Banking und Beratung herrschte, zeigt dieser heutige Dreiklang bereits die starke Entwicklung. Zudem gibt es innerhalb dieser drei Bereiche eine besonders hohe Vielfalt an Aufgaben, sodass es sowieso nicht „die Investmentbank“ oder „die Beratung“ gibt. Abseits davon ist der Bereich der Beteiligungsgesellschaften eine besonders spannende Richtung. Auf einem Spektrum von jungen Startups (Venture Capital) bis hin zu etablierten Hidden Champions (Private Equity) ist der Bereich des Wagniskapitals breit gefächert. Genau darauf fokussieren wir uns bei der Private Equity Conference. Zudem sind die Themen „Personal Impact“ und in allen Dimensionen nachhaltiges Handeln für sehr viele WHUler essenziell. Das zeichnet sich auch im Curriculum der WHU ab, die – im Unterschied zu vielen vergleichbaren führenden Business Schools – die Themen Nachhaltigkeit und Ethik als Pflichtbestandteil in das Studium integriert. Das wachsende Interesse an anderen Branchen lässt sich auch an den immer vielfältiger werdenden studentischen Initiativen messen. So haben wir heute Dutzende Initiativen, die alle verschiedenen Bereiche beleuchten: Im Sport gibt es Euromasters, in der Politik gibt es ForumWHU, zum Thema Gründen gibt es IdeaLab! zu Nachhaltigkeit gibt es Sensibility sowie Diversity at WHU und FEM die sich für Chancengleichheit zwischen Geschlechtern und über viele weitere Merkmale einsetzen. Zudem kenne ich einige Kommilitonen, die die Betriebswirtschaftslehre als Grundlage für ein weiteres Studium oder eine Ausbildung in künstlerischen oder handwerklichen Bereichen gewählt haben. Die Denkweise des Problemlösens und die unternehmerische Grundeinstellung setzen auch für völlig andere akademische Bereiche einen sinnvollen Grundstein.

Ihr seid Vertreter den Gen Z – Wo hast du Berührungspunkte mit Banken?

Pientka: Wir Studenten haben täglich Berührungspunkte mit Banken, wenn wir mit der Karte im Supermarkt bezahlen, Miete für die Wohnung überweisen oder um Geld abzuheben. Doch vor allem beim Reisen (beispielsweise im Rahmen des Auslandssemesters) sind Neobanken mit äußerst guten Wechselkursen, geringen Gebühren, und intuitiver Benutzeroberfläche umso relevanter geworden. Viele meiner Kommilitonen streben außerdem Praktika im Investmentbanking an oder haben solche bereits absolviert. Außerdem empfangen wir bei unserer Konferenz Redner und Repräsentanten führender Firmen aus Investmentbanken, Strategieberatungen und Private Equity Fonds. Durch aktuelle Nachrichten, global und national, sind die Zusammenhänge in der Finanzindustrie sehr präsent. Diese helfen beispielsweise dabei, Alltagsphänomene wie das steigende Preisniveau zu erklären.

Welche Apps hast Du auf deinem Handy?

Pientka: Auf meinem Handy habe ich unter anderem Apps, mit denen ich bezahlen, kann und einen Überblick über meine Finanzen bekomme. Zudem investiere ich über Neobroker in Wertpapiere und ETFs. Zusätzlich habe ich die Apps nationaler und internationaler Zeitungen auf meinem Handy, um aktuelle Nachrichten aus der Politik und Wirtschaft zu lesen. Auf der anderen Seite nutzen meine Kommilitonen und ich noch Apps, die uns bei der Organisation des Studiums unterstützen. Darüber hinaus nutze ich Social-Media, Plattformen und Messenger, um mit Freunden und Familie Kontakt zu halten.

Wird es in zehn Jahren noch Filialen geben?

Pientka: Vermutlich wird die Dichte an Filialen abnehmen, weil sich Nutzen und Kosten nicht mehr decken werden. Kundengespräche werden einfachheitshalber über Telefon oder E-Mail geführt oder direkt durch Chat Bots ersetzt. Durch den Fortschritt im Bereich des Direktbankings sind Kunden dazu in der Lage, Überweisungen und den Kauf von Aktien online zu tätigen. Vor allem durch die Corona-Pandemie ist die Bargeldnutzung deutlich zurückgegangen. Die Kartenzahlung gewinnt durch Schnelligkeit, Handlichkeit und Präzision immer mehr an Bedeutung und ersetzt sukzessive die Wichtigkeit des Bargelds.

Was werden die großen Gamechanger im Banking sein?

Pientka: In der nahen Zukunft wird die Digitalisierung und der Einsatz von künstlicher Intelligenz eine große Rolle im Banking spielen. Die Bankenbranche wird aufgrund von Big Data Kundenverhalten noch präziser vorhersagen können. Durch den Einsatz von KI können verschiedenste Prozesse sowohl hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit und Genauigkeit zu geringeren Kosten optimiert werden. In der Finanzbranche könnte das bedeuten, dass mithilfe von KI zum Beispiel Betrugsfälle erkannt werden, Szenarioanalysen erstellt werden oder Prozesskosten optimiert werden.

Wann wird Banking weiblicher?

Pientka: Die Finanzbranche benötigt dringend mehr Frauen, vor allem in Führungspositionen. Nicht nur, weil Gleichberechtigung im Job eine Selbstverständlichkeit sein sollte, sondern auch, weil gemischte Teams bessere Ergebnisse erzielen als homogene Gruppen. Damit mehr Diversität im Banking erreicht wird, muss die mangelnde Diversität überhaupt thematisiert werden. Eine vereinfachte Elternzeit, der Wiedereinstieg nach der Mutterschaft oder Weiterbildungsmaßnahmen für die Vermittlung von Diversity-Kompetenzen, insbesondere im Recruiting und bei Führungskräften, sind hier von Bedeutung. Für uns ist es wichtig, dass bei Recruiting Events Bankerinnen da sein sollten, mit denen sich Teilnehmerinnen besser identifizieren können. Abseits der ethischen Gründe hat Diversität zudem auch den messbaren Vorteil einer höheren Produktivität.

 

 

Haben Sie Role Models im Banking?

Pientka: Vorbilder geben Orientierung und motivieren uns, für Ziele zu arbeiten. Ich persönlich habe kein spezielles Vorbild, aber finde es immer wieder beeindruckend, mit Menschen zu reden, die für Ihre Wünsche hart gearbeitet haben und auch Leidenschaft für Ihren Job verspüren. Durch die WHU New Year's Conference 2022 bin ich auf Dr. Jana Währisch aufmerksam geworden. Sie konnte sich über ihre Laufbahn hinweg in einer hauptsächlich männlich geprägten Welt behaupten und ist nun Finanzvorstand (CFO) bei Morgan Stanley Europe.

Über die Interviewte: Greta Pientka ist Studentin der WHU und eine der Organisatorinnen der Veranstaltung Campus for Finance.

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