Derzeit variiert die Länge der Settlement-Zyklen weltweit erheblich. In den USA, Kanada und Mexiko wurde der Zyklus jüngst von T+2 auf T+1 verkürzt, während Europa und andere Regionen noch dem T+2-Modell folgen. Settlement-Zyklen sind traditionell länger, um Zeit für die Abwicklung komplexer Transaktionen zu schaffen. Involvierte Parteien wie Broker, Banken und Clearing-Stellen benötigen Zeit, um Trades anzupassen und zu bestätigen, die Verfügbarkeit von Wertpapieren sicherzustellen und ausreichend Liquidität bereitzustellen. Indien und China beispielsweise verwenden teilweise Echtzeit-Settlement-Systeme, was eine noch schnellere Abwicklung ermöglicht.
Komplikationen im Settlement-Prozess
Längere Settlement-Zyklen wie T+2 oder T+3 bieten Raum für manuelle Prozesse und Fehlerkorrekturen. Beispielsweise müssen Aktien bei Leerverkäufen oder Wertpapierleihen rechtzeitig zurückgegeben und bestätigt werden. Zeitzonenunterschiede verschärfen die Komplexität zusätzlich, da verschiedene Märkte unterschiedliche Geschäftszeiten haben. Zudem erhöhen nicht digitalisierte und manuelle Prozessschritte die Fehleranfälligkeit erheblich.
Um Risiken zu minimieren, die zwischen dem Handel und der endgültigen Abwicklung auftreten können, drängte die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC auf eine Verkürzung des Settlement-Zyklus, die nun Ende Mai in Kraft getreten ist. Ein kürzerer Zyklus wie T+1 reduziert die Wahrscheinlichkeit von Systemfehlern, technischen Pannen und menschlichen Fehlern. Die SEC reagierte mit der Initiative auch auf die Turbulenzen während der Meme-Stock-Bewegung im Jahr 2021, als es zu erheblichen Problemen und Handelsrestriktionen aufgrund von Liquiditätsengpässen kam.
Die Verkürzung birgt vielfältige Vorteile. Weniger Zeit zwischen Kauf und Zahlung verringert das Risiko, dass eine Partei ihre Verpflichtungen nicht erfüllt, Kreditrisiken werden reduziert. Ein schnelleres Recycling von Bargeld im Markt stärkt die Liquidität, Teilnehmer können Kapital effizienter nutzen. Darüber hinaus bleiben geringere Zeitfenster für Marktmanipulationen und spekulative Angriffe, was letztlich den Markt stabilisiert und effizienter macht.
Der Einfluss des kürzeren Settlements auf US-Märkte
Da US-Aktien einen großen Anteil am globalen Markt haben, wirkt es sich weltweit erheblich aus, wenn die SEC den Settlement-Zyklus in den USA ändert. Die Tatsache, dass US-Aktien etwa 70 Prozent der globalen Marktkapitalisierung ausmachen, verstärkt die Bedeutung dieser Anpassung. Dass der Settlement-Zyklus in den USA beschleunigt wird, erhöht den Druck auf internationale Investoren, die häufig in US-Märkte investieren.
Pensionskassen, Banken und Asset Manager in Europa und Deutschland sind besonders betroffen. Der kürzere Settlement-Zyklus erhöht den Druck auf Prozesse und Systeme, die bisher auf T+2 ausgelegt sind. Europäische Vermögensverwalter und Investoren müssen sich darauf einstellen, dass sich die Zeit für Problemlösungen und Fehlerkorrekturen drastisch reduziert. Der Druck, Liquidität und Wertpapiere rechtzeitig bereitzustellen, steigt erheblich.
Dass die Abwicklung beschleunigt ist, kann Kosten erhöhen und potenziell die Performance verschlechtern, da Fehlerkosten und Strafzahlungen zunehmen könnten. Europäische Vermögensverwalter könnten im Vergleich zu ihren US-Kollegen an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Bereits heute gibt es bei vergleichbaren Produkten Unterschiede von bis zu 10 Basispunkten zugunsten der US-Anbieter. Diese Differenz könnte sich auf bis zu 25 Basispunkte ausweiten.
Best Practices und Lösungsmöglichkeiten für das schnellere Settlement
Die neuen Anforderungen beschleunigen Digitalisierung und Automatisierung in der Branche. Nur so können Investoren und Vermögensverwalter Fehler weiter reduzieren und die Effizienz erhöhen. „Front-to-back“-Systemintegrationen ermöglichen automatisierte Prozesse und gewährleisten die nötige Transparenz des Investitionsprozesses für alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette im Handel, während Künstliche Intelligenz (KI) bei der Fehlererkennung und Prozessoptimierung helfen kann.
Insbesondere für internationale Transaktionen dürften Unternehmen Betriebsmodelle auf 24-Stunden-Modelle anpassen. Viele große Banken und Asset Manager haben bereits damit begonnen, Personal umzuorganisieren und neue Systeme zu implementieren, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Um diese zu verstehen und effektiv umzusetzen, müssen die Unternehmen ihre Mitarbeiter aber auch umfangreich schulen. Einige Spezialanbieter haben bereits T+1-Simulatoren an den Markt gebracht, um ihre Kunden auf die neuen Prozesse vorzubereiten.
Viele Vermögensverwalter könnten die Abwicklung und Devisenoperationen zudem an spezialisierte Drittanbieter auslagern, um Kosten und Risiken zu minimieren. Dies bietet den Vorteil spezialisierter Expertise und der Nutzung etablierter Systeme.
Auslagerung der Abwicklung als Mittel der Wahl
Über kurz oder lang stellt sich damit einhergehend aber auch die „Make or Buy“-Frage. In vielen Fällen kann es eher Mittel der Wahl sein, Aktivitäten im Devisen- und Settlement-Bereich an spezialisierte Drittanbieter auszulagern. Außerdem kann es eine Option sein, zunehmend White-Label-Produkte globaler Anbieter in das eigene Produktportfolio aufzunehmen.
Marktteilnehmer müssen ihre Systeme und Prozesse evaluieren und gegebenenfalls investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die regulatorischen Anforderungen und potenziellen Marktstörungen müssen sie sorgfältig überwachen und anpassen. Eine enge Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden und anderen Marktteilnehmern wie etwa Depotbanken und Brokern ist unerlässlich, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.
Die Abwicklung zukunftssicher aufstellen
Insgesamt fordert die Verkürzung des Settlement-Zyklus auf T+1 europäische Vermögensverwalter bedeutend heraus. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie Prozesse und Systeme umfassend anpassen. Die Digitalisierung und Automatisierung sowie eine engere Zusammenarbeit mit spezialisierten Anbietern sind entscheidend, um die neuen Anforderungen zu erfüllen und die Risiken zu minimieren. Ohne adäquate prozedurale und operative Anpassungen büßen europäische Asset Manager gegenüber ihrer nordamerikanischen Konkurrenz weiter an Attraktivität ein.
Weitere Herausforderungen zeichnen sich schon heute am Horizont ab. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma hat bereits darauf hingewiesen, mögliche negative Auswirkungen durch ungleiche Settlement-Zyklen zu vermeiden. Europa dürfte insofern in naher Zukunft nachziehen und ebenfalls Settlement-Zyklus verkürzen. Zudem ist absehbar, dass die Beschleunigung der Abwicklungsprozesse weltweit ein Trend bleibt, der langfristig zu Echtzeit-Abwicklungen führen könnte. Darauf sollten sich die Marktteilnehmer frühzeitig vorbereiten und jetzt geeignete Maßnahmen ergreifen.
Über die Gastautoren:
Andrea Sturm verantwortet als Managing Director und Leiterin des Plattformvertriebs und des Relationship Managements das Asset-Servicing-Geschäft von J.P. Morgan in der DACH-Region. Zuvor arbeitete sie unter anderem bei der Dekabank, BNY Mellon und der West LB.
Christian Cebreros ist Managing Partner der Asset-Management-Beratungsfirma The Good Guys Company. Er arbeitete unter anderem für Vontobel Asset Management, die Credit Suisse und Allianz Global Investors.