Die zweite große Verschuldungsorgie begann Anfang der 80er Jahre mit Steuersenkungen und stark steigenden Rüstungsausgaben, wurde Mitte der 90er Jahre durch den von der US-Technologiebranche getragenen Wirtschafts- und Aktienboom mit der Folge hoher Steuereinnahmen auf Aktienkursgewinne unterbrochen und schließlich durch die Corona-bedingten Staatsausgaben ab 2020 auf neue Rekordstände getrieben. Auch diesmal sorgte die Zentralbank mit wachsenden unterschiedlichen Maßnahmen für sinkende Zinsen.
Die Grafik unten links zeigt, wie stark die Staatsschulden den größten Zinsrückgang aller Zeiten beeinflusst haben; 80 Prozent der Zinsbewegung können allein durch steigende Staatsschulden erklärt werden (Grafik unten rechts). Damit bleibt für andere Einflussfaktoren, wie zum Beispiel die Inflation, wenig Raum.
Wir sollten demzufolge erwarten, dass eine Phase höherer Inflationsraten in den nächsten Jahren, in denen die Staatsschulden sicher nicht sinken werden (demografischer Wandel mit steigenden Gesundheitskosten und Ausgaben für die Altersvorsorge, Bekämpfung der Pandemiefolgen und des Klimawandels, …) allenfalls von schwach oder gar nicht steigenden Zinsen geprägt sein wird. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für die USA. Alle genannten Entwicklungen sind auch in den übrigen Industrieländern und zunehmend auch in China in ähnlicher Form das wahrscheinlichste Szenario.
Damit bleibt das Umfeld für den Aktienmarkt grundsätzlich leicht positiv, denn der Zins hat einen starken Einfluss auf die Bewertung und damit auch auf die künftige Performance von Aktien, was nachfolgend zunächst für den weltweiten Aktienmarkt und später für einige Branchen und Regionen zu zeigen sein wird.
Auf den beiden folgenden Grafiken sieht man, dass das Verhältnis der Aktienkurse zum Cashflow (KCFV) am weltweiten Aktienmarkt der wichtigste Einflussfaktor für die Performance des Aktienmarktes in den nächsten zehn Jahren ist. Es erklärt 76 Prozent der künftigen Performance (und lässt aktuell für die nächsten zehn Jahre leicht negative Gesamterträge erwarten, linke Grafik). Die Bedeutung des langfristigen Zinsniveaus wird dann aus der rechten Grafik ersichtlich, denn es bestimmt zu 65 Prozent das KCFV.
Steigende Zinsen erfordern demzufolge steigende Cashflow-Renditen. Diese ergeben sich entweder, wenn die Aktienkurse fallen oder wenn die Cashflows der Firmen zunehmen. In einem Umfeld steigender Zinsen dürfte jedoch die Weltwirtschaft mit hochverschuldeten Staaten, Immobilienmärkten und Unternehmen (China, Frankreich, …) kaum allgemein steigende Firmengewinne ermöglichen. Daher sollte man am Aktienmarkt bevorzugt in Branchen oder Regionen investieren, deren Gewinnsituation möglichst konjunkturunabhängig ist (sogenannte Qualitätsaktien) und / oder die gemessen am Zinsniveau niedrig bewertet sind und für die daher ein Zinsanstieg nicht riskant ist.
Nach einer aktuellen Studie des amerikanischen Vermögensverwalters GMO konnten Qualitätsaktien und unter diesen besonders die niedrig bewerteten Value-Qualitätsaktien in Zeiten von Inflationsraten von über 5 Prozent p.a. seit 90 Jahren meistens eine deutliche Outperformance gegenüber dem gesamten US-Markt erwirtschaften.
Insgesamt haben die Qualitätsaktien in den Inflationsphasen 20 Prozentpunkte und die Value-Qualitätsaktien 39 Prozentpunkte Outperformance im Vergleich zum gesamten US-Aktienmarkt erzielt.
Zwei Branchen (Sektoren) des weltweiten Aktienmarktes erwiesen sich dabei in den letzten 26 Jahren als deutlich ertragsstabiler als der Gesamtmarkt. Die Aktien des Basis-Konsumgütersektors – Firmen wie Nestlé, Procter & Gamble, Walmart oder Coca-Cola – haben ein wenig konjunkturabhängiges Geschäftsmodell (ihre Produkte werden ständig gekauft oder sie decken wie Walmart Grundbedürfnisse der Verbraucher ab). Dementsprechend fallen die Aktienkurse und auch die Cashflows dieser Firmen in Krisenzeiten (2002 bis 2003, 2007 bis 2009, 2020) deutlich schwächer als am gesamten Aktienmarkt (siehe untenstehende Grafiken). Außerdem stellen sie überwiegend Markenartikel her, die auch dann weiterhin gekauft werden, wenn der Preis etwas angehoben wird. Die Firmen sind dadurch wenig anfällig gegen inflationäre Tendenzen. Trotz der geringeren Risiken haben sich die Aktienkurse dieser Firmen besser entwickelt als am gesamten Aktienmarkt.
Außerdem lassen sich in dieser Branche die Aktienerträge der nächsten zehn Jahre recht gut vorhersagen, wenn man das aktuelle Kurs-/Cashflow-Verhältnis betrachtet. Dieses deutet beim aktuellen Wert von 15,6 mit einer hohen Prognosequalität (70 Prozent der Erträge in den nächsten zehn Jahren konnten damit seit 1995 erklärt werden) auf eine jährliche Performance von 5 Prozent p.a. hin. Das sind immerhin 7 Prozentpunkte p.a. mehr als am weltweiten Aktienmarkt (siehe S. 4 unten links, Ertragserwartung minus 2 Prozent p.a.).