Reinhard Panse vom Finvia Family Office Wer hat Angst vorm Inflationsgespenst? Niemand!

Reinhard Panse vom Finvia Family Office

Reinhard Panse vom Finvia Family Office: Der Anlagestratege leitet ein Inflationsumfeld für die kommenden zehn Jahre ab

Die Deep-Dive-Analyse zum Thema Inflation erschien erstmals im Kundenmagazin des Family Office Finvia.

Langfristig 3 Prozent Inflation im Euro-Raum und in den USA muss man schon erwarten, findet Reinhard Panse, Investmentchef des Family Office Finvia. Zu klar ist die Prognose für die demografische Entwicklung. Gleichzeitig werden die Zinsen aber aufgrund der hohen Schuldenberge nur kaum auf den Preisanstieg reagieren können. Profitieren dürften bestimmte Unternehmen.

Die schlecht Nachricht zuerst: In den letzten Wochen haben sich einige Veränderungen ergeben, die unsere schon im Frühjahr 2020 dargelegte Erwartung steigender Inflationsrisiken bestätigen. Die darauf aufbauende Folgerung, dass der für die Wirtschaft und die Kapitalmärkte entscheidende Preis, das langfristige Zinsniveau, auf höhere Inflationsraten nur wenig reagieren wird, hat sich bisher allerdings ebenfalls als zutreffend erwiesen – und das ist eine gute Nachricht.


Der erhebliche Sprung in der US-Inflationsrate, der sich auch in der nicht vom steigenden Ölpreis beeinflussten Kerninflationsrate (ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise, siehe Grafik oben) zeigt, hat sich auf den langfristigen Zins für US-Staatsanleihen kaum ausgewirkt. Dies ist besonders bemerkenswert, weil die US-Regierung im internationalen Vergleich seit 2020 mit 25 Prozent des Volkseinkommens die größten Summen für die Stützung der Wirtschaft und den Ausgleich Corona-bedingter Einkommensverluste bereitgestellt hat (siehe Grafik unten).


Für die nächsten zwölf Monate ist diese Nichtbeachtung der aktuellen Preissteigerungen wahrscheinlich sogar gerechtfertigt. Die Holzpreise haben nach starkem Anstieg jüngst wieder deutlich nachgegeben, weil die Nachfrage nach Bauholz in den USA preisbedingt zurückgegangen ist und die Sägewerke ihre Produktion erhöht haben.

China beginnt durch den Verkauf strategischer Reserven wichtiger Industriemetalle die Preise zu drücken. Der Ölpreis hat seit April letzten Jahres über 150 Prozent zugelegt und war in den letzten fünf Jahren nur im Sommer 2018 kurzzeitig etwas teurer als heute; eine weitere Preissteigerung in diesem Tempo ist äußerst unwahrscheinlich. Das sehen auch die Notenbanken so und daher betonen sie, den plötzlichen Inflationsanstieg nicht zu beachten.

In unserem Kapitalmarktausblick vom Mai 2021 hatten wir die Faktoren beschrieben, die längerfristig, also im Lauf der nächsten Dekade, zu deutlich höheren Inflationsraten beitragen werden. Hier noch einmal die Zusammenfassung:

  • Viele Staaten haben sich in den letzten Jahrzehnten insbesondere für hohe Sozialleistungen verschuldet, ohne darauf zu achten, dass diese Ausgaben in der Zukunft keine entsprechenden Steuereinnahmen erzeugen; die wachsende Staatsverschuldung wurde also bewusst in Kauf genommen. Auch künftig werden die Politiker bei demografisch bedingten stark steigenden Sozialleistungen den Weg des geringsten Widerstandes nicht verlassen und die Verschuldung weiter erhöhen.

  • Dabei konnten sich die Regierungen insbesondere nach der Finanzkrise auf die Hilfe ihrer Notenbanken verlassen, die immer dann, wenn Anleger das Vertrauen in ein Schuldnerland verloren hatten (zuletzt in Italien beim Ausbruch von Corona im Februar 2020), durch Staatsanleihekäufe für sinkende Zinsen gesorgt haben.

  • Die künftige weltweite demografische Entwicklung eines sinkenden Anteils der Arbeitskräfte an der Gesamtbevölkerung steigert das Inflationspotenzial, da weniger produzierenden Arbeitskräften mehr reine Konsumenten gegenüberstehen. Außerdem verursacht die stark wachsende Zahl älterer Menschen hohe und permanent steigende Gesundheitskosten, die überwiegend vom Staat getragen werden müssen.

    Die folgende Grafik zeigt, welchen Einfluss die Demografie in den Jahren 1970 bis 2010 (blaue Balken) hatte, als durch den Eintritt der Babyboomer ins Berufsleben, vermehrte Berufstätigkeit von Frauen und die Öffnung Chinas und des ehemaligen Ostblocks die jährliche Inflation in 22 Ländern um durchschnittlich 2,9 Prozent p.a. gesenkt wurde. Die orangenen Balken zeigen die bis 2050 durch den sinkenden Anteil der Arbeitskräfte zu erwartenden Anstiege der jährlichen Inflationsraten (Durchschnittswert bis 2050: plus 3,4 Prozent p.a.). Von der häufig erwarteten Deflation wegen der Alterung der Bevölkerung kann also keine Rede sein.