Als Christoph Loy von Vontobel Quantitive Solutions erklärt, was hinter der Covered-Call-Strategie steckt, kommt der Leiter Solutions Deutschland gerade aus Frankfurt zurück nach München. In der hessischen Metropole hatte Loy zuvor bei einer Messe für institutionelle Anleger über die Produkte gesprochen, die Vontobel über die Münchener Niederlassung managt: die Covered-Call-Strategien als ein Overlay-Bestandteil für ein Portfolio.
Adam Riley von Blackrock Systematic schaut dagegen nicht nur auf institutionelle Anleger. Er ist für die internationale Wealth-Plattform im Quant-Ableger des weltgrößten Asset Managers verantwortlich. Und doch spricht Riley inzwischen häufiger über Overlays und auch Covered-Call-Strategien, über die sich Vontobel-Mann Loy in Frankfurt mit institutionellen Investoren austauschte. Denn seit Kurzem bietet Blackrock die Strategien als Publikumsfonds in Deutschland an.
Dem voran geht eine bemerkenswerte Frequenz an Produkten, die einige Asset Manager jüngst auf den Markt warfen. Im Juli 2023 startete Global X hier den S&P 500 Covered Call ETF, im November folgte J.P. Morgan mit dem Global Equity Premium Income ETF. Noch jünger sind die zwei aktiven ETFs von Blackrock, die seit Frühjahr dieses Jahres über die ETF-Marke Ishares hierzulande investierbar sind.
Große Europa-Tour
Ganz neu sind die Covered-Call-Strategien aber nicht. So hatte die Commerzbank schon eine ihrer Vermögensverwaltungsstrategien mit einem Covered-Call-Ansatz in einen Fondsmantel verpackt. Und auch die UBS bietet seit 2020 einen US- und einen Europa-ETF mit ähnlichem Ansatz an. Wie also kommt es, dass inzwischen auch vermehrt Privatanleger mit Covered-Call-Strategien in Berührung kommen, die die Vontobel-Portfoliomanager eigentlich nur in Mandaten und Spezialfonds verwalten?
Loy blickt über den großen Teich: „In den USA sind die Volumina entsprechender Fonds extrem gestiegen – in Europa beobachten wir diesen Trend noch in abgeschwächter Form.“ Jenseits des Atlantiks schleppen die Fonds zweistellige Milliardenbeträge mit sich herum, in Europa rangieren die Volumina weiter darunter. Aber was in den USA gut klappt, so scheinen die Asset Manager zu schlussfolgern, dürfte doch wohl auch in Europa funktionieren. Und zwar auch zunehmend bei privaten Investoren. „Nachdem sophistiziertere Strategien mit Derivate-Einsatz in der Vergangenheit bereits selektiv von professionellen oder institutionellen Anlegern genutzt wurden, erfreuen sie sich inzwischen auch einer breiteren Nachfrage“, erklärt Jakob Tanzmeister vom J.P. Morgan Asset Management.
Beim Asset Manager der US-Bank nutzen die Portfoliomanager die Strategien etwa im Global Income Fund als eine von mehreren Strategien ein. Aber nicht nur die Verbreitung, sondern auch das Timing habe dafür eine Rolle gespielt, die Strategien seit August 2020 zu nutzen: „ Vorher erschien eine solche Strategie aufgrund der niedrigen Marktvolatilität als nicht attraktiv. Während der Covid-Pandemie hat sich das allerdings geändert, als die Volatilität der Aktienmärkte sprunghaft anstieg.“
Riley ordnet es mit Blick auf die USA diplomatischer ein: „Anleger haben erkannt, dass diese Strategien eine alternative Einkommensquelle bieten können. Die Zeiten hoher impliziter Volatilität verschafften ihnen eine höhere Rendite.“
Die Idee ist: Portfoliomanager kombinieren ein Basisportfolio – etwa aus US-Aktien – mit einem Options-Overlay. In diesem Overlay verkaufen die Portfoliomanager Calls auf den Basiswert, gehen also short. „Der Ansatz bedient sich mitunter aus dem Werkzeugkasten der institutionellen Overlays und legt einen besonderen Fokus auf das Thema Risikomanagement“, präzisiert Loy. Klar ist allerdings auch: Ein Overlay im eigentlichen Sinne sichert ein Portfolio über verschiedene Anlageklassen hinweg, der Covered Call ist damit nur eine von vielen Strategien.
„Die mit einer isolierten Covered-Call-Strategie verbundenen Ziele können eine auf Risikomanagement orientierte Overlay-Strategie nicht ersetzen“, ordnet auch Mathias Weil, Co-Leiter der Abteilung Multi-Asset Solutions von Metzler Asset Management, ein. Der Asset Manager des Traditionsbankhauses verwaltet für institutionelle Investoren Risiko-Overlays. Auch Metzler-Portfoliomanager nutzen also die Strategie als eine von mehreren Overlay-Bausteinen. Sie verringern das Risiko eines Portfolios über die Prämien, die sie für den Verkauf der Optionen laufend vereinnahmen – und erhoffen sich in Seitwärts- oder Abwärtszyklen sowohl Absicherung als auch Zusatzerträge.
„Das Schreiben von Optionen allein kann bei der Gesamtrendite Kosten verursachen, und genau aus diesem Grund sichern wir dieses Engagement mit Index-Futures ab“, erklärt Riley. Die Futures – die ja anders als Optionen einen unbedingten Kauf nach sich ziehen – sollen also in vielen Covered-Call-Strategien zusätzlich einem zu extremen Drawdown entgegenwirken.
Strike- und Zeitplanung
Steigt allerdings der Kurs des Basiswerts über den Ausübungspreis der Option, zieht der Käufer der Option sie auch – und der Gewinn der Portfoliomanager ist damit begrenzt. Nachsteuern können Portfoliomanager von Covered-Call-Strategien in Bullenmärkten dann über mehrere Hebel: Zum einen über den Ausübungspreis und-zeitpunkt der Optionen und zum anderen über die Abdeckungsrate des Portfolios. „Wir müssen abwägen, zu welchen Strike-Preisen wir die Optionen schreiben. Und damit wägen wir zwischen möglichst hohen Prämien und einer möglichst niedrigen Wahrscheinlichkeit ab, dass die Option ausgeübt wird“, erklärt Loy.
Erwarten Portfoliomanager nur wenig Aufwärtspotenzial für die Aktienkurse, verkaufen sie – um die dann höhere Prämie einzubehalten – Optionen mit einem Strike-Preis, der nah am aktuellen Kurs liegt. Im Optionssprech: nah am Geld. Gehen Portfoliomanager aber von einem Bullenmarkt aus, verkaufen sie Optionen weiter aus dem Geld, damit sie bei den erwarteten Kursanstiegen nicht sofort gezogen werden. Auch die Ausschüttungen, die die Portfoliomanager ihren Anlegern in Aussicht stellen, beeinflussen das Strike-Level.
Auf der anderen Seite spielt eine Rolle, bis zu welchem Zeitpunkt die Käufer der Option sie ziehen können. In den Strategien rangiert die durchschnittliche Laufzeit oft bei etwaeinem Monat, aber: Weil und seine Kollegen kombinieren kurz- und langlaufende Short Calls, um bei kurzen Laufzeiten Volatilitätsrisikoprämie einzustreichen. Auf der anderen Seite sind kurzlaufende Covered Calls pfadabhängiger. „In Abhängigkeit von gewählter Laufzeit und dem Strike-Level kann das Optionsportfolio unterschiedlich auf Aktienkurs-, Volatilitäts- und Zinsänderungen reagieren“, erklärt Weil.
Der zweite große Stellhebel ist die Rate, mit der die Portfoliomanager das Portfolio über Optionen abdecken. Wenn sie Korrekturen erwarten, erhöhen sie die Quote: Dann ist es sinnvoll, höhere Prämien einzusacken. Schließlich ist es unwahrscheinlich, dass die Käufer der Optionen sie ausüben können. In einem Bullenmarkt senken die Portfoliomanager dagegen die Abdeckungsrate. Dann trägt die Kursentwicklung des Aktienportfolios die Renditen nach oben, die Bremswirkung der Options-Overlays verringert sich. Loys Kollegen managen in den Mandatslösungen die Abdeckungsrate aktiv. Anders sieht es im Index aus, der dem Ishares-ETF zugrunde liegt. Dort rangiert die Abdeckungsrate stets bei etwa 40 Prozent. Noch anders sieht Metzler-Manager Weil es: Er hält eine Absicherung von 100 Prozent für sinnvoll – jedenfalls wenn die Covered-Call-Strategie Baustein eines größeren Overlay-Mandats ist.
Angebot statt Nachfrage
Was bei allen Covered-Call-Strategien auffällt: Die Basisportfolios setzen sich aus US-, seltener aus europäischen Aktien zusammen. Andere Märkte suchen Anleger zumindest unter den Fonds vergebens. „Der Ansatz ist mit unterschiedlichen Märkten und zugrundeliegenden Indizes kompatibel – eine Umsetzung mit US-Aktien liegt nahe, weil der US-Aktienmarkt der größte und liquideste Markt der Welt ist“, meint Loy. Das gelte nicht nur für die Aktien-, sondern auch den Zertifikatemarkt in den USA, meint Tanzmeister von J.P. Morgan Asset Management. Und trotzdem: Für einen Kunden managen Loy und seine Vontobel-Kollegen aber auch ein Covered-Call-Overlay für ein Portfolio aus Schweizer Aktien.
Auch wenn das Wort Overlay in Verbindung mit den Strategien oft fällt: „Eine Erweiterung der Covered-Call-Strategie um Put-Optionen oder Futures-Strategien ist notwendig, um von einer echten Overlay-Strategie zu sprechen“, schränkt Metzler-Stratege Weil ein. Er sieht nach den jüngsten Fonds-Lancierungen in Europa eher einen Angebots- als einen echten Nachfragemarkt. Außerdem müssten Anleger mit einem breiteren Portfolio auch die Wechselwirkungen der Anlageklassen beachten: „Im Multi-Asset-Kontext kann wegen der normalerweise negativen Korrelationsbeziehungen zwischen Aktien und Renten eine Veroptionierung von beiden Asset-Klassen schnell kontraproduktiv werden und die Diversifikation besonders im Crash-Fall ausbleiben.“
Außerdem verweist Weil auf weitere Optionsstrategien, die in den USA schon länger verbreitet sind: Für den S&P 500 existieren Indexfonds für Collar-, Put-Write- oder Short-Call-Strategien. „Das Verständnis auf der Retail-Anlegerseite ist möglicherweise auch etwas höher als in Europa“, meint Weil. Hierzulande bietet zumindest UBS Asset Management einen Put-Write-Fonds an. Entsprechende Strategien müssen also ins Portfolio passen – dass die Fonds regelmäßige und vergleichsweise hohe Ausschüttungen versprechen, könnte den ein oder anderen Investor locken. Morningstar-Analyst Bryan Armour warnt: „Investoren begrenzen ihr Aufwärtspotenzial, um mehr Ausschüttungen zu erhalten, sind aber immer noch einem Teil des Abwärtsrisikos ausgesetzt.“ Für Investoren, die aber gerade ausschüttende Strategien suchen, seien die Fonds grundsätzlich geeignet.
Auf der anderen Seite versprechen auch Anleihen wieder lohnenswerte Ausschüttungen.„ Rein vom Payoff ließe sich beispielsweise argumentieren, dass Hochzinsanleihen derzeit ein ähnliches Profil haben und mit ähnlich hohen Renditen locken“, meint auch J.P.-Morgan-Mann Tanzmeister. Die Folge:„ So sind unsere Allokationsüberlegungen derzeit, ob es sinnvoller ist, das Ertragspotenzial der Anleihenseite oder Covered Calls auf der Aktienseite zu nutzen.“ Warum also nicht lieber bei den Anleihen aufstocken? „Weil Covered-Call-Strategien Anlegern Zugang zu verschiedenen Risikoprämien bieten“, erklärt Wetzler-Stratege Weil. Neben Prämien für das Aktienmarktrisiko und das Volatilitätsrisiko würden sie aufgrund ihrer Antizyklik von einer Trendumkehr am Aktienmarkt profitieren. „Außerdem gewinnen Covered-Call-Strategien mit langlaufenden Short Calls – ähnlich wie Anleihen, wenn die Zinsen sinken.“