Weinanbau seit 400 Jahren ohne Chemie Ein Kleinod in Bordeaux

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Man muss seinen Weg gehen

Schließlich schalteten die David Beaulieus einen Anwalt ein. Dieser riet zu einer Finte gegenüber dem Fiskus: Die Großeltern mussten nochmal heiraten, mit einem verbesserten Ehevertrag. Was für eine katastrophale Vorstellung für den Großvater, war er doch schließlich all die Jahre über jegliche ehelichen Zweifel erhaben. Zu guter Letzt fand sich eine weniger emotionale Lösung: Es reichte, eine Erneuerung des 50 Jahre bestehenden Hochzeitsvertrages und eine Übertragung der Besitzverhältnisse auf die Enkelkinder.

Dennoch verzichteten die David Beaulieus später freiwillig auf ihren Grand Cru Classé-Status. „Es war irgendwann für uns nicht mehr tragbar angesichts der steigenden Steuern und rechtlicher Auflagen“, kommentiert Adrien diese Entscheidung. „Grand Cru Classé ist eh nur fürs Ego. Wir vertrauen darauf, dass die Leute unsere Weine auch so zu schätzen wissen. Wir sind einfach wir selbst. Unsere Weine, ebenso wie das Terroir und unsere Geschichte stehen für sich.“ Man nimmt ihm diese Art geradlinige Unbekümmertheit ab und freut sich dabei insgeheim, dass es solche Menschen und Weingüter noch gibt.


Die Böden des Château Coutet kommen seit 400 Jahren ohne Chemie aus, Quelle: Daniela Stubbe

„Ist Kunst…“

Auf unserem Weg zu den Weingärten gehen wir an merkwürdigen Skulpturen vorbei, die mehr oder minder verloren zwischen den Bäumen oder am Ententeich platziert sind. Die eine sieht aus wie eine in die Jahre gekommene Vogelscheuche, die nächste eher wie ein selbstgebastelter Roboter.

Ganz hinten zwischen den Reben bricht eine knallrote, kubische Gestalt mit Engelsflügeln die pittoreske Weingartenatmosphäre. „Ist Kunst...“, sagt Adrian grinsend und meinen verwirrten Blick deutend. „Wir unterstützen derartige Projekte und so ist unser Weingut auch noch ein Ausstellungsort für junge Künstler geworden.“ Dies könnte sich jetzt wie ein ausgeklügeltes Marketing-Konzept anhören. Ist es aber nicht, vielmehr ist hier alles authentisch. Sogar die etwas schrägen und mitten im Gestrüpp auftauchenden Skulpturen passen sich der Natürlichkeit der Umgebung an.

Roboter im Dienste der Nachhaltigkeit

Wenn man nicht aufpasst, kann einem zwischen den Reben die neueste Erfindung von Adriens Vater in die Quere kommen. Denn dieser verfügt über einen ausgeprägten Erfindergeist und tüftelt gerne hinsichtlich naturschonender Hilfsmittel für seine Weingärten. Und so hat er schließlich eine Art Roboter-Rasenmäher erfunden, der die Begrünung zwischen den Reben kürzt ohne die Böden zu beeinträchtigen. Ein Patent ist bereits angemeldet und auch das Rheingauer Weingut Balthasar Ress testet inzwischen in Deutschland diese Erfindung in ihren Weingärten.

Apropos Böden: diese sind hier rund um Château Coutet erstklassig und bestehen – je nach Lage – aus Kalksteinplateau, Lehm oder sandigem Kies. Unter diesen perfekten Voraussetzungen haben die David Beaulieus vier verschiedene Traubenarten angebaut, welche sie für ihre Cuvées oder auch für den Rosé verwenden.

Zu 60 Prozent wächst hier Merlot. Das Besondere dabei ist, dass es sich hier um eine kleinbeerige, heute eigentlich nicht mehr existierende Ursprungsart der Merlot-Traube handelt, welche es so nur noch hier gibt. Diese ergibt einen ganz eigenständigen, intensiven Geschmack. Daneben werden Bouchet (ein lokaler Cabernet Franc), Pressac (lokaler Malbec) und Cabernet Sauvignon angebaut. 25 Prozent der Gesamtfläche dienen jedoch dem bewussten Erhalt des Lebensraums für Fauna und Flora in Form von Parks, Gärten, Wald und Gehölzen.